Wenn ein großer Hang ins Rutschen kommt

„Das Abrutschen von Berghängen kann katastrophale Folgen für Mensch und Umwelt haben. Präzise vorhersagen, wann ein Hang zu rutschen droht, können wir aber leider bislang auch mit Computersimulationen noch nicht zufriedenstellend“, sagt TU-Professor Reinhard Hinkelmann.

Um die Prozesse im Boden, die zu solchen Ereignissen führen, näher untersuchen zu können, erhielt die Forschergruppe um den Experten für Hydrosystemmodellierung nun weitere 2,3 Millionen Euro von der Deutschen Forschungsgemeinschaft.

„Einer sogenannten Hangrutschung gehen oft tagelange starke Regenfälle voraus“, sagt Reinhard Hinkelmann. „Doch es finden noch viele weitere sehr komplexe Prozesse im Boden statt, die schließlich zu einer solchen Katastrophe führen können. Für deren Ergründung und Simulation ist noch ein erhebliches Maß an grundlagen- und anwendungsorientierter Forschung nötig.“

Die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft geförderte Forschergruppe 'Großhang' (Kopplung von Strömungs- und Deformationsprozessen für die Modellierung von Großhangbewegungen), die Professor Reinhard Hinkelmann zusammen mit seinem Kollegen Professor Erwin Zehe von der TU München leitet, befasst sich seit 2006 mit dieser Thematik. Für die zweite Förderphase 2009 – 2011 wurde nun die Gruppe weiter verstärkt und es wurden weitere 2 300 000 Euro bewilligt. 700 000 Euro davon gehen an die TU Berlin.

Ob ein Hang abrutscht oder nicht, wird beeinflusst durch Regen, durch bodenmechanische und -hydraulische Eigenschaften des Untergrundes, durch die Beschaffenheit der Oberflächen sowie deren Nutzung. Die Prozesse sind sehr kompliziert und resultieren aus der Überlagerung schlagartiger Belastungen wie Starkregenfällen, schneller Wasserinfiltration in die Hänge, Grundwasserströmungen, Druckanstieg und Auftrieb im Untergrund sowie kontinuierlicher Belastungen aus dem Eigengewicht. In sehr feinkör-nigen, sogenannten „bindigen“ Böden treten häufig relativ langsame Kriechbewegungen auf, die bestimmte Schwächungszonen im Untergrund ausbilden, sogenannte Scherbänder. Sie können schließlich ein Abrutschen des Hanges auslösen.

Gebäude gefährdet

Im Blickpunkt des Interesses der Forscher – auch die Universitäten Stuttgart, Potsdam, Karlsruhe und die BTU Cottbus sowie das Umweltforschungszentrum Leipzig sind beteiligt – steht der österreichische Heumöser Hang in Ebnit (Dornbirn), Vorarlberg. Einzigartig für die Untersuchung von Großhangrutschungen ist, dass der Hang noch „intakt“ ist. „Teilbereiche von ihm befinden sich in Kriechbewegungen, bis zu einigen Dezimetern pro Jahr“, sagt der Forschergruppensprecher Reinhard Hinkelmann. „Das führt zu erheblichen Problemen für einige Gebäude.“ Doch er beruhigt auch: „Ein katastrophales Abrutschen des gesamten Hanges ist nach jetzigem Kenntnisstand nicht absehbar.“

In den nächsten drei Jahren wollen die Forscher das Natursystem Heumöser Hang umfassend geophysikalisch erkunden, weitere kontrollierte Experimente im Labor durchführen sowie gekoppelte Strömungs- und Deformationsmodelle weiterentwickeln, um die Prozesskette Starkregen, Oberflächenabfluss, Makroporeninfiltration, Untergrundhydraulik und -verformung abzubilden. Eine der größten wissenschaftlichen Herausforderungen ist dabei die Überprüfung, ob die Computermodelle auch die Verhältnisse im Feldfall angemessen simulieren können. „Insgesamt erwarten wir, dass wir besser verstehen, welche Faktoren in welchem Maße für die Großhangbewegungen in Ebnit verantwortlich sind“, sagt Reinhard Hinkelmann. „Daraus wollen wir Kriterien auch für andere Großhänge ableiten, durch welche Art von Computermodellen und welches Maß an Felderkundungen zukünftig Gefahrenkartierungen im alpinen Raum verbessert werden können.“

Weitere Informationen erteilt Ihnen gern: Prof. Dr.-Ing. Reinhard Hinkelmann, Technische Universität Berlin, Fakultät VI Planen Bauen Umwelt, Institut für Bauingenieurwesen, Fachgebiet Wasserwirtschaft und Hydrosystemmodellierung, Tel.: 030 / 314-72307, E-Mail: reinhard.hinkelmann@wahyd.tu-berlin.de

www.wahyd.tu-berlin.de www.grosshang.de

Weitere Informationen:
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Dr. Kristina R. Zerges idw

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