Die großen Tierwanderungen verschwinden zunehmend

Sie wandern, um bessere Nahrungsgebiete zu besuchen, dem Schnee zu entkommen oder optimale Regionen für die Geburt der Kälber aufzusuchen. In einem jetzt in Endangered Species Research veröffentlichten Paper kommen Wissenschaftler nach der Auswertung von Daten zu 24 Migrationen von Landsäugetieren zu dem Schluss, dass diese Wanderungen zunehmend verschwinden bzw. kleiner werden.

Rund 2.000 Kilometer läuft ein Gnu während einer Rundwanderung durch die Serengeti, doch die Gnus sind nicht die einzigen, die riesigen Strecken zurücklegen, weltweit gibt – oder vielmehr gab – es große Wanderungen von Tieren. Dennoch wissen wir bei den großen Landsäugetieren erstaunlich wenig über die Migrationen. Viele Wissenschaftler jedenfalls, die sich mit dem Thema beschäftigen, sind in großer Sorge darüber, dass wandernden Tieren zunehmend ihre Routen abgeschnitten werden.

Grant Hopcraft und Simon Thirgood von der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt haben sich gemeinsam mit Erstautor Grant Harris (American Museum of Natural History), Joel Berger (Wildlife Conservation Society) und Joris Cromsigt (Mammal Research Institute, Polish Academy of Sciences) die verfügbaren Daten zu den Wanderungen großer landlebender Säugetierarten betrachtet. Ihr Ergebnis ist erschreckend: außer den Gnus in der Serengeti, den Weißohr-Kobs im Südsudan und den Karibus in Nordamerika haben alle Migrationen signifikant abgenommen, viele sind ganz verschwunden.

Von 24 Arten bzw. Unterarten weiß man, dass sie wandern bzw. in der Vergangenheit gewandert sind. Allesamt sind Huftiere. Sechs dieser Wanderungen -Springbock, Weißschwanzgnu, Blessbock, Kulan, Säbelantilope und Quagga – sind mittlerweile verschwunden, im Falles des Quaggas inklusive der Art selbst. Für viele andere weiß man relativ wenig über die zurückgelegten Distanzen, Populationsgrößen und Routen. Neun große Wanderungen finden in Afrika statt, die der Gnus in der Serengeti ist die einzige auf dem Kontinent die sich in einem Schutzgebiet befindet. Sechs Migrationen gibt es noch in Eurasien und vier in Nordamerika. In Südamerika und in Australien gibt es keine großen Wanderungen von Landsäugetieren.

Große Strecken zurückzulegen ist energieaufwändig und muss sich für eine Art lohnen. Harris und seine Kollegen haben vier Faktoren als treibende Kräfte identifiziert. Da wäre zunächst die Verfügbarkeit von Futter und von Wasser. Aber auch traditionelle Gebietsnutzung ist ein Argument für Tiere zu wandern, ebenso wie die Schneetiefe. Die Tiere wandern aus Regionen mit schlechter Nahrungsverfügbarkeit in Gebiete wo das Futter nahrhaft, gut zugänglich und ausreichend vorhanden ist. Die meisten Wanderer suchen nach frischem Gras. Und ob frisches Gras sprießt, hängt davon ab, ob es feucht genug ist – in der afrikanischen Savanne beispielsweise nach Regenfällen, in den Steppen Eurasiens oder der Tundra Nordamerikas etwa nach der Schneeschmelze. Für die Wanderer in Nordamerika und Eurasien, die Bisons, Elche oder Karibus, stellt die Schneetiefe einen entscheidenden Faktor für die Wanderung da, der sie zwingt, in tiefere Lagen oder niedrigere Breiten zu ziehen.

Zwei Hauptgründe gibt es, warum die eindrucksvollen Migrationen gerade zunehmend von unserem Planeten verschwinden. Zum einen hören Tiere auf zu wandern, wenn ihre Bestandszahlen schrumpfen, zum anderen wird den Migrationen vermehrt der Weg abgeschnitten, indem die Zuggebiete verbaut, landwirtschaftlich genutzt, mit Zäunen versehen und besiedelt werden. Daher appellieren die Autoren, die Zugrouten der Wanderer zu sichern und das Bewusstsein vor Ort zu stärken, wenn wir nicht weitere diese spektakulräen Ereignisse im Tierreich verlieren wollen.

G. Harris, S.Thirgood, J.G.C. Hopcraft, J.P.G.M. Cromsigt, J. Berger, (2009):
Global decline in aggregated migrations of large terrestrial mammals. Endang Species Res; Vol. 7: 55-76.

Die dem Paper zugrundeliegende Forschungsarbeit wurde unterstützt durch die John D. and Catherine T. MacArthur Foundation, Zoologische Gesellschaft Frankfurt, die Wildlife Conservation Society und das Marie Curie Transfer of Knowledge project BIORESC.

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Dagmar Andres-Brümmer idw

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