Damit Ostsee nicht "kippt", sichern Muscheln und Algen Gleichgewicht

„Die erhöhte Konzentration an Nährstoffen im Wasser lässt die Vegetation übermäßig gedeihen“, erläutert CRM-Mitarbeiter Dr. Peter Krost. „Wir wollen die Nährstoffe dem Meer wieder entnehmen und zwar durch Lebewesen, die sich von ihnen ernähren.“ Miesmuscheln und Braunalgen sollen es richten.

Denn würden sie geerntet, verbessere sich nicht nur die Wasserqualität, sondern sie könnten auch zu Lebensmitteln und Fischfutter weiter verarbeitet werden. „So wird die Nährstoffbelastung der Ostsee gemindert und gleichzeitig die nachhaltige Fischwirtschaft gestärkt“, freut sich Dr. Fritz Brickwedde, Generalsekretär der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU), die das Projekt mit 320.000 Euro fördert.

Die Ufer der Ostsee gehören zu den am dichtesten besiedelten und am intensivsten genutzten Küstengebieten der Erde. „In Folge dessen hat sich die Nährstoffkonzentration im Wasser deutlich erhöht“, so Krost – wissenschaftlich Eutrophierung genannt. „Die Nährstoffe gelangen hauptsächlich über die Luft und Flüsse ins Meer und stammen beispielsweise aus Industrie und Landwirtschaft“, erläutert der CRM-Mitarbeiter, „etwa durch Dünger, der von bewirtschafteten Flächen abgeschwemmt wird.“ Übermäßiges Pflanzenwachstum und Sauerstoffmangel im Meer seien das Resultat. „Im schlimmsten Fall ist das ökologische Gleichgewicht so weit gestört, dass sich am Meeresboden sauerstofffreie Zonen und giftige Stoffe bilden können“, erklärt Krost. Das Gewässer drohe also langsam zu „kippen“. Die Meeresbodenfauna könne absterben. „Als nahezu vollständig geschlossenes Randmeer ist die Ostsee für Eutrophierung sehr anfällig“, betont der Projektleiter. Aquakulturen könnten allerdings dazu beitragen, die Nährstoffkonzentration zu mindern: Indem Organismen aus Zuchtanlagen die überschüssigen Nährstoffe aus dem Wasser aufnehmen. Die CRM will dies nun modellhaft in der Kieler Förde testen.

In Zusammenarbeit mit der Gesellschaft für Marine Aquakultur (GMA) aus Büsum sollen im Rahmen des Projekts räumlich getrennte, aber dicht beieinander liegende Kulturen von Braunalgen und Muscheln angelegt werden. In beliebig erweiterbaren Unterwasserfarmen könnten sich die Organismen auf speziellen Leinen ansiedeln. Die einheimischen Arten Miesmuscheln und Zuckertang seien für das Vorhaben besonders geeignet, da sie sich ausschließlich mit Nährstoffen aus dem Wasser versorgten und keine weiteren Futtermittel benötigten. „Zudem begünstigen sie sich gegenseitig. Vor allem die Algen profitieren von den Muscheln, da diese das Wasser filtrieren und somit für mehr Lichteinfall sorgen“, erklärt Krost. Die bis zu ein Meter langen Braunalgen könnten auf diese Weise besser wachsen.

Mit der Ernte der Pflanzen und Weichtiere würden die Nährstoffe dann dem Meer entzogen und die Wasserqualität würde verbessert. „Bislang mussten wir dafür im wahrsten Sinne des Wortes abtauchen. Jetzt arbeiten wir an einem neuen System, das die Ernte von einem Boot aus zulässt“, schildert Krost.

Die geernteten Muscheln und Algen könnten einerseits als Lebensmittel, andererseits als Bestandteil für Futtermittel in der Fischzucht verwendet werden. „Eine äußerst kreative Idee, das Ökosystem zu entlasten und gleichzeitig die nachhaltige Fischwirtschaft zu stärken“, lobt Brickwedde. Die Miesmuscheln dienten etwa als Frischware für den Markt. Durch ihren hohen Anteil an ungesättigten Fettsäuren lasse sich mit ihnen aber auch das in Futtermitteln verwendete Fischöl anteilig ersetzen. Bislang wird es in der Industriefischerei aus Wildfängen erzeugt. „Aus den Braunalgen können ebenfalls wertvolle Inhaltsstoffe gewonnen und zu Fischfutter verarbeitet werden“, sagt Brickwedde. Bis zum Ende des Projekts soll eine Zuchtanlage bereitstehen, die jährlich rund 32 Tonnen Muscheln und zehn Tonnen Algen produziert.

Für den DBU-Generalsekretär bieten sich für das innovative Vorhaben „weltweite Etablierungsmöglichkeiten, weit über die modellhafte, in der Ostsee zu erprobende Versuchs- und Untersuchungsanlage hinaus“. Fisch- und Meereserzeugnisse seien Produkte mit künftig steigender Nachfrage.

Futtermittel weiter zu entwickeln und eine nachhaltige Aquakultur zu unterstützen, sei daher unerlässlich.

Media Contact

Franz-Georg Elpers DBU

Weitere Informationen:

http://www.dbu.de

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