Bohrwurm macht Buhnen an Mecklenburgischer Ostseeküste zu schaffen

Der schneeartige Belag an den Untersuchungshölzern zeigt Ausscheidungsprodukte der Bohrmuschel Fotos (Uni Rostock/ Thomas Rahr)

Schon die frühen Seefahrer haben sie gefürchtet und die Provinz Holland meldete im Jahre 1730 „Land unter“, da die holzbefestigten Deiche zu brechen drohten – die Schiffsbohrmuschel, auch Pfahlwurm, Bohrwurm, oder mit wissenschaftlichem Namen Teredo navalis genannt . Seit Anfang der 90er Jahre fressen diese Holzbohrer, bei denen es sich um eine Muschelart handelt, obwohl sie stärker einem Wurm ähneln, an den Buhnen der Mecklenburgischen Ostseeküste und zerstören sie dabei vollständig.

Frau Dr. Heike Lippert vom Lehrstuhl für angewandte Ökologie und Phykologie der Universität Rostock leitet seit drei Jahren die Untersuchung zur Verbreitung der Bohrmuschel im Auftrag des Staatlichen Amtes für Landwirtschaft und Umwelt Rostock (StALU).

„Wir haben herausgefunden, dass die Tiere besonders stark im Bereich zwischen Kühlungsborn und Graal-Müritz auftreten, auf Rügen dagegen treten nur sehr vereinzelt Tiere auf“, sagt die Meeresbiologin. Sie taucht mit einem kleinen Team die Buhnensysteme zwischen Boltenhagen und Rügen ab und befestigt Hölzer als Larvenfallen an den Buhnenpfählen.

In diese Hölzer bohren sich die Larven der Schiffsbohrmuschel ein und hinterlassen dabei nur eine wenige Millimeter große Eintrittsöffnung. Im Inneren des Holzes aber beginnen die nun zu erwachsenen Tieren herangereiften Muscheln ihr zerstörerisches Werk. Bis zu 30 cm lang werden sie unter günstigen Bedingungen, häufig erst bemerkt, wenn hölzerne Hafenbefestigungen und Steganlagen auseinanderbrechen. Bemerkenswert an den Tieren ist zudem, dass sie sich vermutlich ausschließlich von Holz ernähren können. Plankton benötigen sie vermutlich nur zur Nahrungsergänzung.

Die ausgebrachten Larvenfallen verbleiben zwischen einem Monat und einem Jahr im Wasser der Ostsee. Dann werden sie von den Tauchern wieder eingeholt und die Wissenschaftler untersuchen zu welchem Zeitpunkt die Larven sich eingebohrt haben, wie viele Larven auftreten und wie schnell sie wachsen. Zudem werden im Bereich der Buhnen der Salzgehalt und die Temperatur mit autonom arbeitenden Messgeräten ganzjährig aufgezeichnet.

Die Verbreitungsmuster der Holzbohrer führen die Experten vor allem auf den Salzgehalt entlang der Küste, aber auch die Strömung zurück. Bohrmuscheln benötigen einen Mindestsalzgehalt von 0,8 Prozent im Wasser um wachsen und sich reproduzieren zu können. Spannend ist gerade hier an der Küste, dass der Salzgehalt von Westen nach Osten abnimmt. So kann die Reaktion der Tiere auf die unterschiedlichen Bedingungen direkt im Freiwasser verfolgt werden.

Für den Buhnenbau bedeutet das Auftreten des holzbohrenden Schädlings an der Mecklenburgischen Küste einen enormen Mehraufwand. Noch vor Jahren bestanden die Buhnen aus heimischen Weichhölzern wie die Kiefer. „Seitdem die Schiffsbohrmuschel beständig an der hiesigen Küste auftritt, werden zertifizierte Harthölzer tropischen Ursprungs, verwendet.

„Die Harthölzer haben eine größere Resistenz gegenüber den Schiffsbohrmuscheln aufzuweisen“, sagt Heike Lippert. „Allerdings sind sie viel teurer und hinterlassen zudem einen ungünstigen ökologischen Fußabdruck aufgrund der weiten Transportwege.“

Das StALU wird durch die Untersuchungen der Uni Rostock in die Lage versetzt, Prognosen für den Buhnenbau zu erstellen, d.h. zu entscheiden in welchem Bereich der Ostsee nach wie vor Weichhölzer verwendet werden können, und wie lange eine Buhne in welchem Küstenabschnitt voraussichtlich halten wird. Kooperationen zwischen dem StALU und der Universität Rostock bestehen schon seit vielen Jahren und haben sich als sehr fruchtbar erwiesen.

Für eine nachhaltige Planung ist auch die Frage, inwieweit der Klimawandel Auswirkungen auf die Ausbreitung der Schiffsbohrmuschel haben könnte, von großer Bedeutung. „Die Schiffsbormuschel bevorzugt höhere Salzgehalte, aber eine steigende Ostseetemperatur könnte eine bessere Toleranz der Muscheln gegenüber geringen Salzgehalten zur Folge haben.“

Aber Teredo navalis gibt noch viele Rätsel auf. Zum Beispiel ist bisher ungeklärt wo die heute fast weltweit verbreitete Art ihren Ursprung hat. Einige Experten vermuten, dass dieser im indopazifischen Raum liegt, von wo aus die Art sich durch die frühe Seefahrt in alle Welt ausgebreitet haben könnte. Auch dieser Frage hoffen die Rostocker Forscher näher zu kommen. Dazu sammeln sie Proben von Teredo navalis aus Nord- und Ostsee und anderen Meeren und unterziehen sie genetischen Analysen. Text: Wolfgang Thiel

Kontakt:
Universität Rostock
Dr. Heike Lippert
Angewandte Ökologie und Phykologie
Institut für Biowissenschaften
Tel.: +49 (0)381 498 6093
heike.lippert2@uni-rostock.de

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Ingrid Rieck Universität Rostock

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