Vergessene Klimakiller: ausrangierte Kühlgeräte werden in Deutschland nicht "nach Stand der Technik" entsorgt …

Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) aus Kühlgeräten werden in Deutschland bei der Verschrottung zu 37% und damit kaum mehr als zu einem Drittel ordnungsgemäß entsorgt – Österreich, Griechenland, Luxemburg und andere EU-Staaten entsorgen über 90% der FCKW – Deutsche Umwelthilfe ermittelt jährliche Belastung der Atmosphäre mit 4,3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten und fordert „Ende der schlampigen Entsorgung extremer Klimagifte“ sowie korrekte Einbeziehung in die deutsche Klimabilanz

Obwohl klimaschädliche Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW) hierzulande schon seit Mitte der 90er Jahre nicht mehr in neuen Kühlschränken und sonstigen Kühlgeräten eingesetzt werden, belasten FCKW-haltige Kältemittel und Kühlschrank-Dämmstoffe die deutsche Klimabilanz bis heute viel massiver als in der Öffentlichkeit bekannt. Das ist das ebenso überraschende wie unerfreuliche Ergebnis einer soeben abgeschlossenen Recherche der Deutschen Umwelthilfe (DUH).

Hauptgrund für die rund 4,3 Millionen Tonnen an Kohlendioxid (CO2)-Äquivalenten, die jährlich aus ausrangierten Kühlgeräten in Form von FCKW-haltigen Kälte- und Treibmitteln in die Atmosphäre gelangen, ist ein völlig unzureichendes Recyclingsystem, das mit 37% kaum mehr als ein Drittel der Klimakiller erfasst und schadlos entsorgt. Zum Vergleich: Das gesamte über die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) geförderte Programm der Bundesregierung zur energetischen Gebäudesanierung erbrachte im Jahr 2006 eine CO2-Einsparung von 900.000 Tonnen, also fast fünfmal weniger als die Belastung der Klimabilanz durch FCKW aus verschrotteten Kühlgeräten.

Die deutschen Verhältnisse stehen zudem in einem unerfreulichen Kontrast zu Ländern wie Österreich und Dänemark, die den so genannten „Stand der Technik“ als Entsorgungsmaßstab festgelegt und eine 90-prozentige Entnahme von FCKW aus Kühlgeräten rechtsverbindlich vorgeschrieben haben. Auch weitere EU Staaten wie Griechenland und Luxemburg erreichen die nach „Stand der Technik“ übliche 90%ige Entnahmequote.

Über zehn Jahre nach der Einstellung der FCKW-Nutzung in deutschen Kühlgeräten enthalten derzeit noch etwa 80 Prozent der entsorgten Geräte den extremen Klimakiller FCKW. Schätzungen gehen davon aus, dass in Deutschland noch rund 36 Millionen FCKW-haltige Kühlgeräte betrieben werden.

Die Deutsche Umwelthilfe hat in den vergangenen Wochen bei den Statistikämtern der Bundesländer die offiziellen Zahlen zu den entsorgten Kühlgeräten und den daraus entnommenen FCKW-Mengen abgefragt. Derzeit liegen Zahlen aus zehn Ländern vor, in vier Ländern unterliegen diese Daten teilweise der Geheimhaltung, in zwei weiteren gibt es keine Anlagen zur Kühlschrankentsorgung. Aus Sicht der DUH gibt es für eine Geheimhaltung derart klimarelevanter Daten keine Rechtfertigung. Aus dem bislang vorliegenden Datenmaterial lassen sich jedoch die durchschnittlichen Zahlen für das gesamte Bundesgebiet hochrechnen.

Ein Kühlgerät enthält im Mittel in seinem Kältemittelkreislauf und in der Isolierung insgesamt etwa 440 Gramm FCKW. Der Einfluss dieser vergleichsweise geringen Mengen auf die Klimaerwärmung ist immens. Der Grund: Die im Kältekreislauf eingesetzten FCKW sind 10.720-mal und die FCKW in der Isolierung 4.680-mal so klimaschädlich wie das Treibhausgas CO2. Zudem schädigen sie die Ozonschicht und tragen so dazu bei, dass das so genannte „Ozonloch“ sich vergrößert oder jedenfalls langsamer schrumpft als nach dem weitgehenden Produktionsstopp im Rahmen des Montreal-Abkommens zu erwarten wäre.

Durch das Elektroaltgeräte-Gesetz müssen seit 2006 Kühlgeräte verbindlich nach dem „Stand der Technik“ entsorgt werden. Konkret fordern sowohl ein Leitfaden des Umweltbundesamtes (UBA) als auch die vom Deutschen Institut für Gütesicherung e.V. (RAL) entwickelte RAL-Gütesicherung GZ 728, dass 90 Prozent der in den Geräten enthaltenen FCKW entnommen und vernichtet werden müssen. Dies entspricht einer Mindestrückgewinnung von durchschnittlich ca. 115 Gramm FCKW aus dem Kältekreislauf und von ca. 283 Gramm aus der Isolierung eines jeden Gerätes.

Das gesamte Klimaschädigungspotenzial der in Deutschland jährlich
2,4 Millionen zu entsorgenden FCKW-haltigen Kühlgeräte entspricht aufgrund der extremen Klimaschädlichkeit dieser Emissionen ca. 6,8 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten. Mit dem Stand der Technik könnten 90 Prozent der FCKW – also entsprechend 6,1 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten – entnommen und vernichtet werden. Die von der DUH abgefragten Daten belegen jedoch, dass nur ein gutes Drittel (37 Prozent) der FCKW aus Kühlgeräten erfasst wird. Die statistische Freisetzungsrate beträgt somit mehr als 275 Gramm FCKW pro Gerät.

Hochgerechnet auf die genannten jährlich 2,4 Millionen anfallenden FCKW-Kühlgeräte ergibt sich aus diesen Zahlen also eine tatsächliche Belastung der Atmosphäre mit etwa 4,3 Millionen Tonnen CO2-Äquivalenten pro Jahr.

„Die Missachtung des „Standes der Technik“ bei der Altkühlgeräteentsorgung in Deutschland macht milliardenteure CO2-Einsparungen in anderen Bereichen zunichte. Die von uns ermittelten Zahlen sind ein Armutszeugnis für ein führendes Industrieland wie Deutschland und zeigt einmal mehr, was der Verzicht auf klare gesetzliche Regelungen bewirkt. Mit der schadlosen Entsorgung von kaum mehr als einem Drittel der FCKW aus Kühlgeräten – und das auch noch mit erkennbar sinkender Tendenz – zählt Deutschland zu den europäischen Schlusslichtern“, sagte DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Die schlampige Entsorgung extremer Klimagifte müsse sofort beendet werden. In einem Schreiben an den Präsidenten des Umweltbundesamtes Andreas Troge macht die DUH auf die Missstände aufmerksam und fordert eine Überprüfung und Korrektur der offiziellen deutschen Klimabilanz, in der dieser erhebliche Posten bisher nicht erfasst wurde.

Über vier Hauptpfade kann FCKW beim Recycling von Kühlgeräten in die Umwelt entweichen: über die Abluft, über FCKW-Restbelastungen der entgasten Polyurethan-Isolierschäume, über Anhaftungen dieser Materialien an Metallen und Kunststoffen und schließlich auch durch diffuse Emissionen aus undichten Anlagen. Die Recyclinganlagen müssen gemäß der Technischen Anleitung zur Reinhaltung der Luft (TA-Luft) vorgeschriebene Emissionsgrenzwerte für die Abluft und für die Anhaftungen einhalten. Die Dichtigkeit der Anlagen soll einmal jährlich von den zuständigen Behörden geprüft werden. Eine Massenbilanz aller ein- und ausgehenden FCKW wird von der TA-Luft allerdings bisher nicht gefordert.

„Unsere Daten belegen eindrucksvoll, dass die bislang geltenden Anforderungen nicht ausreichen, um das Klimagift FCKW aus alten Kühlgeräten seriös zu recyceln und schadlos zu entsorgen“, erklärte Maria Elander, DUH-Projektleiterin für Kreislaufwirtschaft. „Wir brauchen deshalb dringend einen Input-Output-orientierten Ansatz, in dem die gesamte Anzahl der Kühlschränke, die in Entsorgungsanlagen angeliefert werden und die entnommenen FCKW-Mengen für das ganze Jahr konsequent und transparent dokumentiert werden. Wenn die Bilanz weniger als 90% beträgt, ist der im Elektroaltgeräte-Gesetz geforderte Stand der Technik nicht erfüllt, die Behörden müssen eingreifen.“ Elander beklagte, dass Input-Output-Zahlen bislang nur im Rahmen des jährlich einmal durchzuführenden Tests der Stufe I (Bezeichnung für die FCKW-Absaugung aus dem Kältekreislauf) abgefragt werden. Für die Stufe II (FCKW-Gehalt der Isolierung), also den Bereich, der für eine fast drei mal größere FCKW-Menge steht, werden bisher keine Geräte- und FCKW-Ströme für das jeweilige Berichtsjahr festgehalten und bewertet. Elander: „Nach unseren Erhebungen liegen die Daten jetzt erstmals auf dem Tisch – Bund und Länder müssen handeln.“

In einem Schreiben an die Umweltminister der Länder fordert die DUH eine Überprüfung der Missstände mit dem Ziel, die Umsetzung des gesetzlich geforderten Standes der Technik zur FCKW-Entsorgung beim Kühlgeräterecycling durch veränderte klare, ordnungsrechtliche Maßnahmen schnell zu gewährleisten.

Weitere Informationen:
Die von der DUH abgefragten Zahlen sowie die verwendeten Berechnungsgrundlagen stehen unter www.duh.de als Hintergrundpapier zur Verfügung.

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Jürgen Resch presseportal

Weitere Informationen:

http://www.duh.de

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