Klimaschutz als Wirtschaftsförderung und Industriepolitik

In Deutschland können allein durch Energieeffizienz bis zum Jahr 2020 die Treibhausgas-Emissionen um mindestens 12 % gegenüber 2007 gesenkt werden. Dann ist im Verbund mit den erneuerbaren Energien das Ziel von insgesamt 40 % Minderung gegenüber 1990 erreichbar. Zugleich würden die Verbraucherinnen und Verbraucher sowie die Unternehmen um mindestens zehn Milliarden Euro netto pro Jahr entlastet. Doch das ist nur mit einer entschiedenen Politik zur Energieeinsparung und Kraft-Wärme-Kopplung in allen Verbrauchssektoren zu erzielen.

„Wenn die Bundesregierung ein bis zwei Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich mobilisiert und die Anreize und Vorgaben für die Marktakteure richtig setzt, zahlt sich das mehrfach aus: Verminderte Energiekosten sind direkte Wirtschaftsförderung“, so Dr. Stefan Thomas, Leiter der Forschungsgruppe Energie-, Verkehrs- und Klimapolitik des Instituts. Er erläutert: „Die Entwicklung energieeffizienter Technik wird beschleunigt und die deutsche Industrie erhält so neue Exportchancen. Zugleich werden die vorübergehend notwendigen Mehrkosten für die Einführung der erneuerbaren Energien ausgeglichen und die Abhängigkeit von Energieimporten verringert.“

Das Wuppertal Institut begrüßt, dass die Bundesregierung ein integriertes Energie- und Klimaprogramm beschließen will, und verweist für den Bereich der Energieeffizienz auf die Forschungsergebnisse des Instituts und die daraus folgenden Bausteine:

Besonders große und wirtschaftliche Potenziale bestehen bei der Stromeinsparung. Ein Energiesparfonds, der mit rund 500 Millionen Euro pro Jahr ausgestattet ist, würde die Energieverbraucher und die Technikmärkte entscheidend unterstützen. Er kann nach Ergebnissen einer Studie des Wuppertal Instituts den Stromverbrauch um 12 % pro Jahr gegenüber dem Trend verringern. Die Verbraucherinnen und Verbraucher sowie die Unternehmen würden netto rund vier Milliarden Euro pro Jahr einsparen.

Bei der Wärmedämmung und Heizungsoptimierung fehlt es an einer Verknüpfung der Informations-, Beratungs- und Förderangebote auf lokaler Ebene. Für solche dezentralen Netzwerkknoten sollten rund 100 Mio. Euro pro Jahr aus Bundesmitteln bereitgestellt werden. Dies erscheint nach vorliegenden Erkenntnissen weitaus effektiver als nur die Fördermittel drastisch zu erhöhen.

Bei den Autos können die Anreize durch zwei Instrumente ohne Mehrkosten für den Staat richtig gesetzt werden: Erstens eine aufkommensneutrale Umstellung der Kfz-Steuer auf CO2-Bezug mit progressiver Steigerung und zweitens die Abschaffung des Dienstwagenprivilegs für Autos mit mehr als 140 g/km (für 2008, danach weiter sinkend) nach britischem Vorbild. Dies ist wichtig, weil im ersten Halbjahr 2007 nur noch 37,6 % aller Fahrzeuge von privaten Verbrauchern angemeldet wurden.

Weitere wichtige Bausteine sind nach Erkenntnissen des Instituts:

– Eine Verdopplung des Anteils der Kraft-Wärme/Kälte-Kopplung (KWK) an der Stromerzeugung bis 2020 auf mindestens 25 % und eine entsprechende Novelle des KWK-Gesetzes;

– die Möglichkeit für Strom- und Gasnetzbetreiber, die Kosten zertifizierter Förderprogramme für Endenergieeffizienz als Kostenbestandteil mit angemessener Verzinsung in die Netzentgelte einzurechnen;

– ein Eintreten für strikte EU-Verbrauchsgrenzwerte bei Geräten, Anlagen und Fahrzeugen sowie für eine EU-weite informative Verbrauchskennzeichnung.

Zum Hintergrund: Die Bundesregierung trifft sich in Meseberg am 23. und 24. August zu einer Kabinettsklausur. Dort sollen Maßnahmen für die Umsetzung der Minderungsziele pro Sektor, die der Bundesumweltminister am 26. April 2007 in einer Regierungserklärung vor dem Parlament mitgeteilt hat, festgelegt werden. Dazu gehören:

– Reduktion des Stromverbrauchs um 11 % durch eine massive Steigerung der Energieeffizienz im Strombereich 40 Mio. t;

– Erneuerung des Kraftwerkparks durch effizientere Kraftwerke 30 Mio. t;

– Steigerung der Stromerzeugung durch erneuerbare Energien auf über 27 % 55 Mio. t;

– Verdoppelung der effizienten Nutzung der Kraft-Wärme-Kopplung auf 25 % 20 Mio. t;

– Reduktion des Energieverbrauchs durch Gebäudesanierung, effiziente Heizungsanlagen und in der Produktion 41 Mio. t;

– Steigerung der erneuerbaren Energien im Wärmesektor auf 14 % 14 Mio. t;

– Steigerung der Effizienz im Verkehr und Steigerung der Biokraftstoffe auf 17 % 30 Mio. t;

– Reduktion der Emissionen von Methan, Lachgas und F-Gasen 40 Mio. t.

Insgesamt würde mit diesen sektoralen Zielen das Gesamtziel von 40 % Reduktion der Treibhausgas-Emissionen gegenüber 1990 erreicht. Die bisher bekannt gewordenen Planungen für Politikinstrumente werden aber vermutlich nur im Bereich der erneuerbaren Energien ausreichen, die Ziele zu erreichen.

Ansprechpartner:
Dr. Stefan Thomas
Leiter der Forschungsgruppe Energie-. Verkehrs- und Klimapolitik, Wuppertal Institut
Tel.: 0202/2492-129
E-Mail: stefan.thomas@wupperinst.org
Hintergrundmaterialien:
Wuppertal Institut 2006: Optionen und Potenziale für Endenergieeffizienz und Energiedienstleistungen, Kurzfassung, Endbericht im Auftrag der E.ON AG, Wuppertal

http://www.wupperinst.org/de/projekte/proj/index.html?&projekt_id=142&bid=137

Irrek, Wolfgang, und Stefan Thomas 2006: Der EnergieSparFonds für Deutschland, Edition der Hans-Böckler-Stiftung 169, Düsseldorf.

http://www.wupperinst.org/de/projekte/proj/index.html?&projekt_id=95&bid=130

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Dorle Riechert idw

Weitere Informationen:

http://www.wupperinst.org

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