Nicht nur Knut allein

Europa braucht mehr fachübergreifende Forschung, um gegenüber den Herausforderungen des Klimawandels und des Artenverlusten bestehen zu können. Das teilten Experten zum Abschluss einer internationalen Tagung zur Europäischen Biodiversitätsstrategie am Montag mit. Vor allem bei den Agrarlandschaften seien in den kommenden Jahren starke Veränderungen durch Klimaänderungen und die Umstellung auf Bioenergieproduktion zu erwarten. Ein weiteres Problem wäre die mangelnde Umsetzung der UN-Konvention zur Biologischen Vielfalt (CBD). Ein wirksames weltweites Schutzgebietssystem sei immer noch nicht in Sicht, so die Experten.

Im Rahmen der Nachhaltigkeitskonferenz L2L hatten sich 70 Vertreter von Wissenschaft und Politik aus 25 Ländern am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) Anfang Mai in Leipzig getroffen, um über zukünftige Forschungsschwerpunkte zu beraten. Ziel der Anstrengungen ist es unter anderem, den Rückgang an Pflanzen- und Tierarten bis 2010 zu verlangsamen, um die biologische Vielfalt als eine wichtige Ressource für die Zukunft zu erhalten. Das UFZ beteiligt sich dazu an der Europäischen Plattform für eine Biodiversitätsforschungsstrategie (EPBRS) und unterstützt die Weiterentwicklung des IMoSEB-Prozesses, der ähnlich dem Weltklimarat IPCC ein internationales Beratungsgremium für die Politik schaffen soll, um auf das globale Problem des Biodiversitätsverlustes stärker hinzuweisen.

Eisbär Knut hat viel zu tun. Als Maskottchen muss er auf die Gefahren des Klimawandels hinweisen und ist zugleich Symbol für den weltweiten Verlust von Tier- und Pflanzenarten und der Ökosysteme. Das macht gleichfalls deutlich, dass Umweltprobleme nicht mehr allein, sondern immer stärker im Gesamtzusammenhang betrachtet werden müssen. So reicht es auch nicht, die biologische Vielfalt allein in Schutzgebieten zu erhalten, sondern sie muss auch dort geschützt werden, wo es um eine nachhaltigen Nutzung der Natur geht, um den Bedürfnissen des Menschen an die Natur und ihre Dienstleistungen wie Nahrungsmittelproduktion und Wasserreinhaltung gerecht zu werden. Die Vereinbarkeit von Schutz und Nutzung ist das zentrale Anliegen der Konvention zur Biologischen Vielfalt (CBD), deren nächste Vertragsstaatenkonferenz im Mai 2008 in Deutschland unter Eisbär-Maskottchen Knut stattfinden wird.

Um die vorrangigen Forschungsthemen für den Bereich der nachhaltigen Nutzung von Biodiversität zu diskutieren, traf sich Anfang Mai am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) in Leipzig die Europäische Plattform zur Biodiversitätsforschungsstrategie (EPBRS). Sie setzt sich zusammen aus Mitgliedern aus zahlreichen europäischen Ländern und erarbeitet regelmäßig Forschungsempfehlungen für die europäische und nationale Ebene zu Themen der biologischen Vielfalt. Wichtig hierbei ist die gemeinsame Arbeit von Wissenschaftlern und Experten aus Politik und Verwaltung.

Die Expertinnen und Experten betonen in ihren Ergebnissen, dass der Bedarf integrativer Forschung über Disziplinen hinweg und in direkter Zusammenarbeit mit Politik und gesellschaftlichen Gruppen wichtiger denn je ist, um den neuen Umweltgefahren zu begegnen. So ergeben sich für die Agrarlandschaft und ihre Biologische Vielfalt in Europa etwa völlig neue Herausforderungen durch den sich abzeichnenden Klimawandel in Kombination mit der absehbaren starken Zunahme des Anbaus von „Energiepflanzen“. Die Entwicklung von Politikmaßnahmen ist hier immer noch stark durch sektorales Denken geprägt, während angesichts der Gefahren mehr an Anpassungsstrategien gearbeitet werden muss, die neben verschiedenen gesellschaftlichen Interessen auch die Effekte unterschiedlicher Umweltgefährdungen berücksichtigen.

Auch global steht beim Erhalt der Biodiversität die nachhaltige Nutzung mehr und mehr im Fokus: Dabei fehlt aber weiterhin ein ausreichende Datengrundlage, um die Effekte von Nutzung und Übernutzung auf die Biodiversität zu erfassen. Hier mangelt es ebenso an Mitteln und politischem Willen wie bei der Umsetzung etwa zur Einrichtung und zum Erhalt eines weltweiten Schutzgebietssystems, wie im Rahmen der UN-Konvention zur Biologischen Vielfalt (CBD) beschlossen. So kann die Forschung hier einen wichtigen Beitrag leisten – bei Aktivitäten des Monitorings ebenso wie bei der Entwicklung integrativer Ansätze zur Nutzung der Biologischen Vielfalt.

Der politische Wille, auch hier aktiver zu werden, zeigt sich in der „Potsdamer Erklärung zur Biologischen Vielfalt 2010“, die von den Umweltministern der G8+5 im März 2007 verabschiedet wurde: Die Erklärung greift viele der essentiellen Themen des Biodiversitätsverlustes auf und betont die Rolle der Wissenschaft, etwa auch durch die Unterstützung der Initiative eines weltweiten Expertengremiums zur Biodiversität in Anlehnung an den Weltklimarat (IPCC) im Bereich des Klimawandels. Entscheidend bleibt hier aber eine offensive, stark auf Integration setzende Unterstützung der entsprechenden Forschung. Für den Eisbär, die Menschen und die über 20 Millionen anderen Arten auf der Erde.

Links:
European Platform for Biodiversity Research Strategy (EPBRS):
http://www.epbrs.org/
EPBRS-Meeting in Leipzig (May 8-10):
http://www.epbrs.org/epbrs_next%20meeting.html
IMoSEB:
http://www.ufz.de/index.php?de=10436
L2L – Nachbarschaft für Nachhaltigkeit – mit Forschung von Lissabon nach Leipzig
http://www.fona.de/de/3_akteure/forum_2007/index.php
Weitere fachliche Informationen über:
Dr. Carsten Neßhöver
Department Naturschutzforschung am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung- UFZ Telefon: 0341-235-2869

http://www.ufz.de/index.php?de=4973

sowie:
Doris Böhme/ Tilo Arnhold
UFZ-Pressestelle
Telefon: 0341-235-2278
Email: presse@ufz.de
Das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung – UFZ wurde 1991 gegründet und beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle/S. und Magdeburg rund 800 Mitarbeiter. Es erforscht die komplexen Wechselwirkungen zwischen Mensch und Umwelt in genutzten und gestörten Landschaften, insbesondere dicht besiedelten städtischen und industriellen Ballungsräumen sowie naturnahen Landschaften. Die Wissenschaftler des UFZ entwickeln Konzepte und Verfahren, die helfen sollen, die natürlichen Lebensgrundlagen für nachfolgende Generationen zu sichern.

Die Helmholtz-Gemeinschaft leistet Beiträge zur Lösung großer und drängender Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft durch wissenschaftliche Spitzenleistungen in sechs Forschungsbereichen: Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Schlüsseltechnologien, Struktur der Materie, Verkehr und Weltraum. Die Helmholtz-Gemeinschaft ist mit 25.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 15 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 2,2 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Ihre Arbeit steht in der Tradition des großen Naturforschers Hermann von Helmholtz (1821-1894).

Media Contact

Doris Böhme idw

Weitere Informationen:

http://www.epbrs.org/

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Ökologie Umwelt- Naturschutz

Dieser Themenkomplex befasst sich primär mit den Wechselbeziehungen zwischen Organismen und den auf sie wirkenden Umweltfaktoren, aber auch im weiteren Sinn zwischen einzelnen unbelebten Umweltfaktoren.

Der innovations report bietet Ihnen interessante Berichte und Artikel, unter anderem zu den Teilbereichen: Klimaschutz, Landschaftsschutzgebiete, Ökosysteme, Naturparks sowie zu Untersuchungen der Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Ideen für die Zukunft

TU Berlin präsentiert sich vom 22. bis 26. April 2024 mit neun Projekten auf der Hannover Messe 2024. Die HANNOVER MESSE gilt als die Weltleitmesse der Industrie. Ihr diesjähriger Schwerpunkt…

Peptide auf interstellarem Eis

Dass einfache Peptide auf kosmischen Staubkörnern entstehen können, wurde vom Forschungsteam um Dr. Serge Krasnokutski vom Astrophysikalischen Labor des Max-Planck-Instituts für Astronomie an der Universität Jena bereits gezeigt. Bisher ging…

Wasserstoff-Produktion in der heimischen Garage

Forschungsteam der Frankfurt UAS entwickelt Prototyp für Privathaushalte: Förderzusage vom Land Hessen für 2. Projektphase. Wasserstoff als Energieträger der Zukunft ist nicht frei verfügbar, sondern muss aufwendig hergestellt werden. Das…

Partner & Förderer