Dicke Luft schon im Keim ersticken.

Neueste Methoden für Wettervorhersagen bei der Berliner ScienceFair (12.-15.09.2001).

Wie das Wetter wohl wird? Ein misstrauischer Blick zum Himmel, danach in die Zeitung – und wir wissen, ob wir einen Schirm oder Sonnencreme einstecken sollten, ob das Straßenfest morgen ins Wasser fallen dürfte oder die Biergärten am Sonntag überfüllt sein könnten. Die Wetterprognosen gestatten aber nicht nur die Abschätzung von Besucherzahlen und Bierkonsum und die Entscheidung zwischen Sandalen und Gummistiefeln. Mit ihrer Hilfe lässt sich auch vorhersagen, wie sich die Schadstoffbelastung der Luft in den nächsten Tagen entwickeln wird und ob die Ozonkonzentration in Bodennähe eventuell soweit steigt, dass sie zu gesundheitlichen Beeinträchtigungen führen kann. Wissenschaftler am Institut für Meteorologie der Freien Universität Berlin haben dazu Computermodelle entwickelt, mit denen der Gehalt von Ozon und Staub für drei Tage im Voraus berechnet werden kann. Auf der ScienceFair am Breitscheidplatz vom 12. bis 15. September 2001 werden Dr. Eberhard Reimer, Leiter der Abteilung „Troposphärische Umweltforschung“, und seine Mitarbeiter diese Modelle sowie Ergebnisse der Computersimulationen den Besuchern demonstrieren und erläutern.

Die unmittelbare Bedeutung der Modelle ergibt sich aus den neuen EU-Rahmenrichtlinien für Luftschadstoffe: Sie sehen u.a. vor, dass kurzfristig 180 Mikrogramm Ozon pro Kubikmeter Luft nicht überschritten werden sollen. Ist dies der Fall, so ist die Bevölkerung davon zu informieren. Oberhalb von 240 Mikrogramm pro Kubikmeter müssen Verhaltensmaßregeln mitgeteilt und Ozonalarm ausgesprochen werden. Ziel ist es aber, die Konzentration erst gar nicht so stark steigen zu lassen. Dazu muss frühzeitig erkennbar sein, wann eine Überschreitung droht, um dann rechtzeitig die dazu beitragenden Emissionen drosseln zu können.

Ozon bildet sich dadurch, dass UV-Strahlung Stickstoffdioxid in Stickstoffmonoxid und atomaren Sauerstoff aufspaltet. Letzterer reagiert dann mit dem Luftsauerstoff zu Ozon. Aus den Stickstoffmonoxid bildet sich unter der Beteiligung von flüchtigen Kohlenwasserstoffen neues Stickstoffdioxid. Ozon ist chemisch sehr reaktiv, worauf auch seine schädigende Wirkung für Menschen, Pflanzen und Materialien beruht. Gleichzeitig wird es dadurch aber schnell wieder abgebaut, so dass hohe Konzentrationen nur erreicht werden, wenn über einen längeren Zeitraum viel Ozon gebildet wird. Dabei spielt die großräumige Wetterentwicklung in zweifacher Sicht eine bedeutende Rolle: Zum einen sind stabile Hochsommerwetterlagen nötig, in denen die UV-Strahlung über lange Zeit sehr hoch ist. Zum anderen müssen Stickoxide und flüchtige Kohlenwasserstoffe verfügbar sein, die einerseits vor Ort gebildet werden, andererseits durch Luftströmungen über lange Strecken transportiert werden. So können bei Westwind Schadstoffwolken aus den Benelux-Staaten und sogar Mittelengland nach Deutschland gelangen. Gemeinsam mit regionalen Quellen, etwa Verkehr in Ballungsgebieten, Kraftwerken oder Industrieanlagen, können sich dann über mehrere Tage oder Wochen die hohen Ozonkonzentrationen aufbauen.

Die Ausbreitungsmodelle des Instituts für Meteorologie greifen deswegen auf die Schadstoffquellen im gesamten Mitteleuropa zurück, soweit sie aus Erhebungen bekannt sind. Der Kataster enthält neben Kraftwerken, Tankstellen, Industrieanlagen beispielsweise auch Linienquellen wie Autobahnen. Speist man weiterhin die Daten der Wetterdienste in die Berechnungen mit ein, so lässt sich der Weg der Emissionen über Transport, Photochemie und chemische Reaktionen hin zu lokalen Belastungen berechnen. Um die von der EU geforderten Richtlinien zur Luftreinhaltung einhalten zu können, sind kurzfristige Schadstoffprognosen nur der erste Schritt. Wichtig ist die umgekehrte Fragestellung: Wie kommt langfristig die Schadstoffkonzentration zustande, wer verursacht welche Anteile der gesamten Belastung? Es kann gegebenenfalls wesentlich effizienter sein, in die Installation von Filteranlagen in weiter entfernte Industrieanlagen zu investieren als kurzfristig regionale Fahrverbote und Emissionsbeschränkungen auszusprechen. Für Berlin startet im Oktober ein Projekt, in dem ein Jahr lang Staub und Ozon an regional verteilten Plätzen vermessen und dann analysiert werden, um die Quellen der örtlichen Belastung zu lokalisieren. Die chemische Zusammensetzung der Luft an einzelnen Standorten dient als „Fingerabdruck“ möglicher Quellen und deren Beitrag. Mithilfe ihrer Modelle werden Reimer und seine Mitarbeiter den Weg der Schadstoffe bis zu diesen Quellen zurückverfolgen. Die Ergebnisse dieser Untersuchung können dann in die Planung von Maßnahmen zur Luftreinhaltung einfließen.

Ebenfalls um Vorhersagen geht es in dem BMBF-Schwerpunktprogramm „Globaler Wandel des Wasserhaushaltes“ (GLOWA), in dem Strategien für eine vorausschauende und nachhaltige Wasserbewirtschaftung auf regionaler Ebene entwickelt werden sollen. Das Institut für Meteorologie der Freie Universität Berlin ist an den exemplarischen Untersuchungen für die Elbe beteiligt: Darin soll die Entwicklung der Wasserverfügbarkeit und -qualität im Elbe-Einzugsgebiet bis 2050 berechnet werden – unter der Annahme von klimatischer Veränderungen und einem Wandel in der Bevölkerungsverteilung, der Bodennutzung und der Schadstoffeinträge. Über dieses Vorhaben und den Beitrag, den Reimer und seine Mitarbeiter dazu leisten, können sich die Besucher der ScienceFair ebenfalls informieren und die Forschungsansätze und -ergebnisse interaktiv recherchieren.

Bevor Hydrologen die Veränderungen im Wasserkreislauf untersuchen und bewerten können, benötigen sie realistische Szenarien des künftigen Klimas. Zwar gibt es eine Reihe von Klimamodellen, mit denen die globalen Veränderungen simuliert werden können. Schwierig ist es aber, Vorhersagen für ein relativ kleines Gebiet zu machen. Dafür gibt es zwei verschiedene Vorgehensweisen: Entweder bettet man ein feiner aufgelöstes numerisches Klimamodell für eine Region in die groben Maschen des globalen Modells ein oder man geht von statistischen Beobachtungen über den Zusammenhang von Großwetterlagen und regionalem Klima aus. In dem GLOWA-Projekt werden beide Ansätze verfolgt und miteinander verglichen. Die Meteorologen der Freien Universität beschäftigen sich dabei mit den numerischen Modellen, um dann Szenarien entwickeln zu können, die die räumliche Verteilung der Niederschläge und Verdunstung, der Wolkenbedeckung, der Temperatur und der Windverhältnisse beschreiben, sowie den Eintrag von Stoffen in die Elbe und ihr Einzugsgebiet. Im kommenden Frühjahr wollen Reimer und seine Mitarbeiter die ersten derartigen Szenarien fertig- und den Hydrologen zur Verfügung stellen. Derzeit werden die Modelle aber noch geprüft, indem das derzeitige Klima damit berechnet und mit den verfügbaren Wetterdaten verglichen wird.

So unterschiedlich die beiden Projekte – die Schadstoffberechnungen sowie die Arbeiten für GLOWA – auch sein mögen, für Reimer gibt es auch Schnittstellen: So stellt beispielsweise die Berechnung von Wolkentypen und der Bewölkungsverteilung ein schwieriges Problem dar, das nicht nur für die Berechnung der Wasserverfügbarkeit wichtig ist, sondern auch bei den Prognosen von Ozonwerten eine Rolle spielt.

Gabriele André


Weitere Informationen erteilt Ihnen gern:
Dr. Eberhard Reimer, Leiter des Bereiches „Troposphärische Umweltforschung“ des Instituts für Meteorologie, Tel.: 030 / 838-71190, E-Mail: reimer@zedat.fu-berlin.de

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