Luftqualität und verkehrspolitische Maßnahmen

Luftqualität und verkehrspolitische Maßnahmen im Großraum Köln – Köln-Preis 2004 für Dr. Florence-Nathalie Sentuc


Den Einfluss von lokalen verkehrspolitischen Maßnahmen auf die Luftqualität im Großraum Köln untersuchte Dr. Florence-Nathalie Sentuc in ihrer Doktorarbeit „Der Einfluss lokaler Verkehrsemissionen auf die Immissionssituation im Großraum Köln – Episoden- und Szenariensimulationen mit einem genesteten Modellsystem“. Die Arbeit, die heute mit dem Köln-Preis 2004 ausgezeichnet wird, entstand am Institut für Geophysik und Meteorologie der Universität zu Köln und wurde von Professor Dr. Michael Kerschgens betreut.

Der negative Einfluss anthropogener, also durch Menschen verursachter, Einbringungen in die Atmosphäre auf Mensch und Umwelt wird heute kaum noch bezweifelt. In Deutschland sind die Emissionen der meisten Schadstoffe aufgrund einer strengen Gesetzgebung – teilweise allerdings auch bedingt durch den Zusammenbruch der ostdeutschen Industrie nach der Wiedervereinigung – rückläufig, doch werden längst nicht alle Zielvorgaben der europäischen oder deutschen Richtlinien an allen Orten erreicht. Insbesondere in Städten und im Einflussbereich größerer Industrieansiedlungen ist die Belastung durch anthropogene Emissionen weiterhin hoch. Der Schadstoffgehalt der Luft und das damit verbundene gesundheitliche Schädigungspotential ist einer von mehreren Indikatoren für die Lebensqualität in urbanen Ballungsgebieten.

Viele der primär emittierten Stoffe sind nicht stabil sondern unterliegen auf ihrem Transport durch die Atmosphäre chemischen Reaktionsprozessen und bilden somit zahlreiche Folgeprodukte. Einer dieser sekundären Schadstoffe, die oft schädlicher sein können als die direkt emittierten Substanzen, ist das dreiatomige Sauerstoffmolekül Ozon. Hohe bodennahe Ozonkonzentrationen sind ein Hinweis auf den sogenannten photochemischen Smog, dessen Substanzen sich für viele schädliche Einflüsse auf Menschen, Tiere, Pflanzen und auch auf Gebäude verantwortlich zeigen. Dieses auch „Sommersmog“ genannte Phänomen tritt bei höheren Emissionen von Stickoxiden (NOx), flüchtigen organischen Substanzen („Volatile Organic Compounds“, VOCs) und Kohlenmonoxid (CO) unter Einwirkung starker Sonneneinstrahlung auf. Insbesondere bei der Reduktion der Ozonvorläufersubstanzen NOx und VOC besteht aufgrund ihres Potentials zur Bildung von photochemischem Smog noch Handlungsbedarf.

Ein herausragendes Problem in diesem Zusammenhang sind die Verkehrsemissionen, da Kraftfahrzeuge sämtliche an der Photosmogbildung beteiligten Schadstoffe ausstoßen. Vornehmlich der Individualverkehr entzieht sich vielen Minderungsmaßnahmen, da trotz steuerlicher Anreize in einem Großteil der Fahrzeugflotte nicht das technisch mögliche Reduktionspotential genutzt wird. Zusätzlich gehen Prognosen von einer erhöhten Mobilität der Bevölkerung und einer damit einhergehenden Zunahme des Verkehrsaufkommens aus, so dass vorerst nicht unbedingt mit einer deutlichen Reduktion der Verkehrsemissionen zu rechnen ist.

Die Zielsetzung der vorliegenden Arbeit lag daher in der Untersuchung des Zusammenhangs zwischen den lokalen Emissionen des Straßenverkehrs und der Luftqualität im Großraum Köln. Besondere Aufmerksamkeit gilt dabei dem Ozon – als Indikator für die Bildung sekundärer Schadstoffe im photochemischen Smog – und seinen Vorläufersubstanzen. Die Auswirkung der Emissionen auf die resultierenden Schadstoffkonzentrationen kann dabei flächendeckend nur mit einer Kombination von numerischen Modellen der Atmosphärendynamik und der Luftchemie erfasst werden. Zur Bestimmung der lokalen Immissionssituation z.B. in einem Stadtgebiet innerhalb eines ausgedehnten Ballungsraumes ist allerdings die Berücksichtigung der in den betrachteten Bereich hineintransportierten Schadstoffe (die Hintergrundbelastung) ebenso wichtig wie die Kenntnis der Zusatzbelastung durch lokale Emissionen. Zur Simulation von primären und sekundären Schadstoffen im Bereich des Großraums der Stadt Köln wurde daher ein genestetes, d.h. in sich geschachteltes, Modellsystem (CARLOS, Chemie und Atmosphärischer Transport auf der Regionalen und Lokalen Skala) verwendet, um sowohl regionale als auch lokale Einflüsse zu berücksichtigen.

Insbesondere das VOC/NOx-Verhältnis der Schadstoffemissionen, das in städtischen Ballungsräumen je nach Verkehrsdichte lokal stark variiert, muss aufgrund seiner Bedeutung für luftchemische Prozesse in der Atmosphäre mit hoher Auflösung erfasst werden. Zur realitätsnahen Beschreibung der raumzeitlich variablen Struktur verkehrsbedingter Emissionen wurden daher räumlich und zeitlich hochaufgelöste Emissionsdaten eines dynamischen Verkehrsmodells für die numerische Simulation in das Modellsystem CARLOS integriert. Das Verkehrsmodell wurde vom Zentrum für Angewandte Informatik der Universität zu Köln (ZAIK) entwickelt. Dieser erstmals für luftchemische Untersuchungen verwendete Ansatz bietet zudem die Möglichkeit, Veränderungen der Verkehrsstrukturen unmittelbar bezüglich ihrer Auswirkungen auf die Immissionssituation im Großraum Köln zu untersuchen. Durch die Verfolgung der Fahrzeuge in einem variabel gestaltbaren Straßennetz können sowohl wichtige Effekte wie die Staubildung als auch städteplanerische Maßnahmen wie z.B. der Ausbau eines Autobahnrings oder die Sperrung eines Verkehrsweges von dem Verkehrsmodell simuliert werden. Der Schwerpunkt dieser Arbeit lag daher auf der Simulation und Auswertung von Szenarien, die im Gegensatz zu sonst üblichen Ansätzen nicht primär regionale Emissionsminderungen ins Auge fassen, sondern auf lokaler Ebene die Auswirkungen veränderter Emissionsstrukturen durch geänderte Verkehrsströme betrachten.

Mit Hilfe von ausführlichen Sensitivitätsstudien wurde zunächst der generelle Einfluss der Verkehrsemissionen auf die Luftqualität in einem sogenannten Basisszenario für eine Sommersmogepisode im Jahr 1997 untersucht. Dabei erweist sich die Güte sowohl der meteorologischen Strömungssimulation als auch der verwendeten Emissionsdaten als wesentlicher Einflussfaktor bei der Modellierung luftchemischer Prozesse. Die Ergebnisse des Basisszenarios zeigen weiterhin eine deutliche Prägung der Schadstoffbelastung der Luft in der betrachteten Region durch die Emissionen des Straßenverkehrs. Außerdem zeigt sich, dass besonders in Rheinnähe der Transportverkehr durch Schiffe ebenfalls eine bedeutsame Schadstoffquelle darstellt. So ist beispielsweise die Höhe der Stickoxidemissionen der leistungsstarken Schiffsmotoren auf dem Rhein vergleichbar mit dem Ausstoß auf dem Kölner Autobahnring.

Für die Szenariensimulationen wurden für das Stadtgebiet von Köln unterschiedliche Verkehrsszenarien entwickelt, die verschiedene Planungsvorhaben oder Entwicklungsmöglichkeiten beschreiben. Auf diese Weise wurde analysiert, inwiefern sich verkehrspolitische Maßnahmen wie z.B. Verkehrsumlenkung und Autobahnausbau auf die Immissionssituation innerhalb eines Stadtgebietes auswirken. Den Ergebnissen nach bewirkt eine Verbesserung des Verkehrsflusses durch den Ausbau des Kölner Autobahnrings keine Verbesserung der Immissionssituation, da der emissionsmindernde Effekt eines störungsfreien Flusses durch den zusätzlich induzierten Verkehr überkompensiert wird. Auch Verkehrslenkungsmaßnahmen können unter Umständen eine erhöhte Schadstoffbelastung bewirken. Die Szenariensimulationen unterstreichen weiterhin die Bedeutung des Ferntransports von Schadstoffen insbesondere für die Bestimmung der bodennahen Ozonkonzentration, da sie das chemische Regime der Luftmasse maßgeblich beeinflussen.

Verantwortlich: Dr. Wolfgang Mathias

Für Rückfragen stehen Ihnen Dr. Florence-Nathalie Sentuc und Professor Dr. Michael Kerschgens unter den Telefonnummern 0221/470-3686 oder 470-3683, der Fax-Nummer 0221/470-5161 und unter der Email-Adresse fsentuc@meteo.uni-koeln.de zur Verfügung.

Media Contact

Gabriele Rutzen idw

Weitere Informationen:

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