Testfall Galápagos-Inseln

Wiederkehrende kurzzeitige klimatische Schwankungen wie die „El Niño Southern Oscillation (ENSO)“ stellen ein ideales natürliches System dar, um den Einfluss von Menschen bedingter Veränderungen des Klimas zu untersuchen, etwa Fragen der genetischen Vielfalt.

In einem Beitrag für die aktuelle Ausgabe des Open Access online Journals PLoS ONE beschreibt der Biologe Dr. Sebastian Steinfartz von der Universität Bielefeld, wie dieser Ansatz in enger Zusammenarbeit mit Forschern von der Yale Universität (Dr. Gisella Caccone und Scott Glaberman; beide vom Yale Institute for Biospheric Studies) und weiteren Forschern genutzt wurde, um die Auswirkungen der bisher schwersten dokumentierten El Niño-Oszillation aus den Jahren 1997/98 auf die genetische Populationsstruktur der Galápagos-Meerechse zu untersuchen.

Durch eine Untersuchung von elf verschiedenen Inselpopulationen vor (in den Jahren 1991/93) und nach der schweren El Niño-Oszillation waren die Wissenschaftler in der Lage, Veränderungen der genetischen Populationsstruktur der Meerechsen auf den Galápagos-Inseln nachzuvollziehen. Obwohl viele der Populationen während der El Niño-Oszillation von 1997/98 Sterberaten von bis zu 90 Prozent erlitten, zeigte nur die Population der Insel Marchena Anzeichen eines so genannten „genetischen bottlenecks“ (= „genetischer Flaschenhals“), der besonders kritisch für das weitere Überleben der Population sein kann. Trotz der hohen Verluste scheint die Größe der anderen Populationen während und nach der El Niño Oszillation groß genug geblieben zu sein, so dass die typischen Merkmale eines genetischen bottlenecks nicht nachzuweisen sind.

Interessanterweise war die Insel Marchena im Vorfeld der El Niño-Oszillation von 1997/98 bereits im Jahre 1991 von einem Vulkanausbruch betroffen, der die Population bereits schon erheblich geschwächt haben könnte, wie dies für die Galápagos-Riesenschildkröten bekannt ist. Das Untersuchungsergebnis zeigt somit, dass selbst kurzzeitige, extreme Klimaschwankungen wie die El Niño-Oszillation ganz unterschiedliche Auswirkungen auf die Populationsstruktur innerhalb einer Art haben. Zukünftige Studien müssen daher die biologischen und umweltbedingten Faktoren, die einige Populationen eher verwundbar machen als andere, sorgfältig in Betracht ziehen und prüfen.

Verlust der Nahrungsgrundlagen durch Erwärmung

Die Galápagos-Inseln liegen in der primären Einflusszone der El Niño-Schwankungen wobei der Landlebensraum durch reichhaltige Niederschläge in der Regel profitiert, der Lebensraum Meer durch den fehlenden Auftrieb der kühlen nährstoffreichen Strömungen jedoch starken Futtermangel erleidet und es zu hohen Sterblichkeiten bei den dortigen Seelöwen, Seehunden und Pinguinen kommt. Eines der wahrscheinlich am besten untersuchten natürlichen Systeme im Kontext des El Niño sind die Galápagos-Meerechsen (Amblyrhynchus cristatus), die sich ausschließlich von bestimmten Meeresalgen ernähren. Während der von El Niño erzeugten Erwärmung des Ozeans werden diese Meeresalgen von anderen Algenarten verdrängt, und die Meerechsen verhungern buchstäblich.

Während des bisher extremsten dokumentierten El Niño aus dem Jahre 1997/98 blieb die Wassertemperatur auf dem Galápagos-Archipel auf rund 32°C (um mehr als 10°C höher als normal für diese Zeit) rund 18 Monate erhöht. Dies führte nachweislich zu einer starken Unterernährung der Meerechsen, einem erhöhten Stresslevel und Sterberaten von bis zu 90 Prozent einzelner Inselpopulationen. Solche Einbrüche der Population können zu genetischen bottlenecks führen, die einen starken Einfluss auf die Überlebenswahrscheinlichkeit einer Art/Population haben können.

Immer extremere Klima-Phänomene mit globalen Auswirkungen

Die „El Niño Southern Oscillation (ENSO)“ ist ein Klima-Phänomen, welches komplexe Interaktionen zwischen der Atmosphäre und dem pazifischen Becken umfasst und somit die Dynamik von Ökosystemen weltweit beeinflusst. El Niño-Oszillationen sind vor allem durch eine Anreicherung warmen Oberflächenwassers im zentralen und östlichen Teil des tropischen Pazifiks charakterisiert und beeinflussen die atmosphärische Zirkulation weltweit. Dies führt zu einer Reihe umweltbedingter Veränderungen wie extreme Dürreperioden in Teilen Asiens und Gebieten des westlichen Pazifiks, aber auch zu harten Winterbedingungen und Fluten auf dem nordamerikanischen Kontinent.

Während starker El Niño bedingter Erwärmung kommt es zu einer hohen Sterberate bei Meeresorganismen im östlichen Pazifik. Obwohl-El Niño Oszillationen nachweislich als ein natürlicher Bestandteil die Evolution der betroffenen Arten in der Vergangenheit beeinflusst hat, sagen aktuelle Klima-Modelle voraus, dass im Zuge der globalen Erwärmung die Intensität und Häufigkeit dieser klimatischen Schwankungen zunehmen wird. Und in der Tat handelt es sich bei den El Niños aus den Jahren 1982/83 und 1997/98 um die bisher extremsten Schwankungen des letzten Jahrhunderts und wahrscheinlich der letzten 400 Jahre. Es ist daher anzunehmen, dass durch den Einfluss des Menschen die Umweltbedingungen vieler Arten zu neuen Extremen gedrängt werden, und es ist unklar, ob die Kapazität der Populationen ausreichen wird, um auf diese Veränderungen zu reagieren.

Die Studie wurde unter anderem im Rahmen eines Postdoc-Stipendiums der Deutschen Froschungsgemeinschaft (DFG; STE 1130/2-1 and STE 1130/2-2) für Sebastian Steinfartz gefördert.

Quelle: Steinfartz S, Glaberman S, Lanterbecq D, Marquez C, Rassmann K, et al (2007) Genetic Impact of a Severe El Niño Event on Galápagos Marine Iguanas (Amblyrhynchus cristatus). PLoS ONE 2(12): e1285. doi:10.1371/journal.pone.0001285

Media Contact

Ingo Lohuis idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-bielefeld.de/

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