Aufbau genetischer Erhaltungsgebiete für Wildpflanzenarten in Deutschland

Habitat mit Wildselleriepflanzen südlich von Magdeburg. Foto: Lothar Frese, Julius Kühn-Institut

Am 1. und 2. Juni trafen sich Experten aus verschiedenen Bundesländern am Julius Kühn-Institut (JKI), um die Erhaltung genetischer Vielfalt in züchterisch bedeutsamen Wildarten zu erörtern. Gleichzeitig war das Treffen die Auftaktveranstaltung eines vom Landwirtschaftministerium (BMEL) geförderten Modell- und Demonstrationsvorhabens, welches sich in den nächsten vier Jahren zunächst dem natürlichen Vorkommen von vier Wildselleriearten widmet.

Der Wildsellerie fungiert als Modellobjekt. Die vier Wildselleriearten sind wildlebende Verwandte des Kulturselleries, den wir als Knollen- oder Stangensellerie sowie als Gewürz- und Heilpflanze kennen. Die Arten sind teilweise gefährdet, oder vom Aussterben bedroht und stehen daher stellvertretend für andere gefährdete Wildarten, die künftig ebenfalls „in situ“, also in ihren natürlichen Habitaten, erhalten werden sollen.

„Die natürlichen Reservoire an genetischer Vielfalt befinden sich im Falle des Selleries direkt vor unserer Haustür, unter anderem auf den Binnensalzstellen in Sachsen-Anhalt und Thüringen“, berichtet Dr. Lothar Frese. Der Wissenschaftler vom JKI, der das Wildsellerieprojekt koordiniert, beobachtet jedoch mit Sorge den fortschreitenden Verlust innerartlicher Vielfalt auf solchen Flächen, sei es durch Änderung der Bewirtschaftungsweise oder Umweltveränderungen.

Nicht nur Naturschützer, sondern auch die Pflanzenzüchter sind beunruhigt. Denn sollten die Prognosen der Klimaforscher zutreffen, wird das für die Pflanzenzüchtung verfügbare genetische Potenzial innerhalb und außerhalb Europas in den kommenden 30 bis 40 Jahren durch genetische Erosion in Wildarten und durch den fortschreitenden Artenverlust erheblich zurückgehen.

„Dies gefährdet sowohl die Funktion von Ökosystemen als auch den Züchtungsfortschritt und letztlich die globale Ernährungssicherung“, sagt Dr. Frese. Deshalb sei es besonders zu begrüßen, dass in dem nun angeschobenen Vorhaben Landwirtschaft und Naturschutz an einem Strang ziehen und eng zusammenarbeiten.

Das neue Modell- und Demonstrationsvorhaben wird vom JKI, hier vom Institut für Züchtungsforschung an landwirtschaftlichen Kulturen, koordiniert und in Zusammenarbeit mit dem Botanischen Garten der Universität Osnabrück sowie der Humboldt-Universität zu Berlin durchgeführt. Unterstützt wird das Projektteam von Landesumweltämtern und Unteren Naturschutzbehörden in zwölf Bundesländern sowie vom Bundesamt für Naturschutz (BfN) und dem Informations- und Koordinationszentrum für Biologische Vielfalt (IBV).

Die drei Projektpartner werden Vorkommen der Wildselleriearten in Deutschland ermitteln, die in ihrer Gesamtheit die erbliche Formenvielfalt dieser Arten repräsentieren. Die Ergebnisse sollen zum Aufbau eines bundesweiten Netzwerks dienen, um die genetische Vielfalt dieser Arten in ihrem natürlichen Lebensraum zu erhalten und bestmögliche Bedingungen für ihre weitere erfolgreiche Anpassung an sich ändernde Umweltbedingungen zu definieren.

Kontakt:
Dr. Lothar Frese
Julius Kühn-Institut, Bundesforschungsinstitut für Kulturpflanzen (JKI)
Institut für Züchtungsforschung an landwirtschaftlichen Kulturen
Erwin-Baur-Str. 27, 06484 Quedlinburg
Tel.: 03946-47 701
E-Mail: lothar.frese(at)jki.bund.de

Kurzinfo zum Projekt:
Titel: „Genetische Erhaltungsgebiete für Wildselleriearten (Apium und Helosciadium) als Bestandteil eines Netzwerkes genetischer Erhaltungsgebiete in Deutschland“
Koordination: Dr. Lothar Frese und Maria Bönisch, Julius Kühn-Institut, Institut für Züchtungsforschung an landwirtschaftlichen Kulturen, Quedlinburg
Partner: Botanischer Garten der Universität Osnabrück; Humboldt-Universität zu Berlin, Albrecht Daniel Thaer-Institut für Agrar- und Gartenbauwissenschaften
Fördersumme: 763.231 Euro (einschließlich Eigenanteile)
Projektlaufzeit: 4 Jahre, bis Februar 2019
Projektträger: Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung (BLE)

Media Contact

Stefanie Hahn idw - Informationsdienst Wissenschaft

Weitere Informationen:

http://www.jki.bund.de

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