Abseits von Olympia leidet China unter Wassermangel

„Es gibt tatsächlich so etwas wie das vergessene China“, beklagt Sinologe Prof. Dr. Rainer von Franz von der Universität Leipzig. Als Beispiel für die zum Teil hausgemachten Schwierigkeiten nennt der Wissenschaftler die Versorgung der Bevölkerung im Norden des Riesenreichs mit Wasser. Auch wenn dies nicht neu sei, verschärfe sich die Situation zusehends. Aber nicht nur dadurch gerate die chinesische Landbevölkerung zunehmend unter Druck.

„Nordchina hat schon immer unter Wassermangel gelitten“, erklärt von Franz. So auch die Hauptstadt Peking. Und trotzdem wurden dort große Grünanlagen angelegt, die bewässert werden müssen, vom Wasserverbrauch der stetig wachsenden Bevölkerung einmal ganz abgesehen. „Wie kann die Stadt diesen Wasserbedarf decken?“, fragt der Professor und antwortet sogleich selbst: „Ich vermute, dass wieder einmal die Landbevölkerung darunter leidet.“ Denn darin gibt es eine traurige Tradition: So werde am Ober- und Mittellauf des Huangho, des Gelben Flusses, seit Jahren Wasser abgeschöpft, um der Industrie und der städtischen Bevölkerung zur Verfügung gestellt zu werden.

Seit den 1990er Jahren sei der Fluss immer stärker ausgetrocknet und erreiche in manchen Jahren nicht einmal mehr seine Mündung. „Und das hat für die Provinzen erhebliche Auswirkungen“, unterstreicht von Franz.

Etwa für die Landwirtschaft. „Die chinesischen Bauern waren schon immer darauf angewiesen, Brunnen zu graben“, erläutert der Wissenschaftler. Doch die Lage ist durch die Austrocknung der Flüsse immer schwieriger geworden. Mussten die Menschen auf dem Land früher etwa 20 Meter tief bohren, bis sie auf Wasser zu stießen, so sind es heute bereits über 100 Meter.

Dies hat zur Folge, dass die Bauern ihre Felder nur mit größter Mühe bewässern können und die Erträge gerade noch dazu ausreichen, sich selbst zu ernähren. „Die Bauern leben buchstäblich von der Hand in den Mund“, so von Franz. Hinzu kommt das Problem, dass die Flüsse, so sie denn noch Wasser führen, eher Kloaken denn Wasserspender sind. „Die Wasserfrage ist meiner Meinung nach das größte Problem Nordchinas“, unterstreicht der Professor.

Aber nicht nur die schwierige Versorgung mit Wasser macht den Menschen auf dem Lande zu schaffen, mindestens ebenso problematisch ist die Frage des Landbesitzes. „Die Bauern haben das Land ja nur gepachtet, Eigentum konnten und können sie am vergesellschafteten Land nicht erwerben“, erklärt der Sinologe. Deshalb kann den Menschen der Boden, der sie ernährt, auch sehr einfach weggenommen werden. „Wenn ein Industriekomplex oder auch eine Ferienanlage gebaut werden sollen, müssen die Bauern ihr Land eben abgeben“, berichtet von Franz. Damit werde den Menschen ihre Lebensgrundlage entzogen. Die Landwegnahme sei denn auch das häufigste Motiv für Proteste, die immer wieder auch blutig ausgetragen werden. „Davon bekommen wir hierzulande aber kaum etwas mit“, untermauert der Chinakundler seine These vom „vergessenen China“.

Die Volksrepublik steht nach seinen Worten schon längst nicht mehr als Beispiel für den Weg zum Kommunismus. „Die Vergesellschaftung des Landes ist das einzige Überbleibsel des Sozialismus“, so Professor von Franz. Ansonsten herrsche in China reiner Kapitalismus mit einem Ein-Parteien-System. Die Kommunistische Partei und deren Führungseliten seien eng mit der Wirtschaft verflochten. Das hat fast absurd anmutende Folgen: Selbst wenn die Zentralregierung in Peking zum Beispiel Bestimmungen zum Umweltschutz erlässt, werden diese in den Provinzen einfach nicht umgesetzt. Die Parteisekretäre vor Ort sorgen dafür, dass die Unternehmen vor Kosten geschützt werden, die ansonsten auf sie zu kämen. So unterbleibe in der Regel der Bau von Kläranlagen und Appelle zum Wassersparen verhallen ungehört.

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Moderne Sinologie
Prof. Dr. Rainer von Franz
Telefon: (0341) 97-37152
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Tobias D. Höhn idw

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