Wirkstoffe gegen Alzheimer: neue Erkenntnisse dank Simulation

Mehr als die Hälfte aller Demenzvorfälle bei älteren Menschen ist auf die Alzheimer-Krankheit zurückzuführen. Trotz intensiver Forschung ist es bis heute noch nicht gelungen, eine wirkungsvolle Therapie dagegen zu entwickeln; die Behandlung beschränkt sich auf die Symptombekämpfung.

Charakteristisch für Alzheimer sind Veränderungen des Hirngewebes. Bei den Betroffenen lagern sich Proteinfragmente in der grauen Hirnsubstanz ab, so genannte Beta-Amyloid-Peptide. In letzter Zeit identifizierte die Forschung eine Reihe synthetischer Wirkstoffe, die im Reagenzglas die Wechselwirkungen des Beta-Amyloid-Peptids im Frühstadium und zur faserartigen Endform (Fibrillen) unterbinden. Die Wirkstoffe erfüllen somit auf theoretischer Ebene eine erste Voraussetzung, um ein Alzheimer-Medikament zu entwickeln.

Ungeordnetes Peptid bestimmt Wechselwirkung
Um die in vitro festgestellten Wechselwirkungen zwischen Beta-Amyloid-Peptid und Wirkstoffen strukturell zu verstehen, simulierten Marino Convertino, Andreas Vitalis und Amedeo Caflisch vom Biochemischen Institut der Universität Zürich die Interaktionen am Computer. Sie richteten dabei ihr Augenmerk auf einen Bestandteil des Peptids, dem für die Wirkstoffinteraktionen und den Krankheitsverlauf eine zentrale Bedeutung eingeräumt wird. Anhand der Simulation konnten die Biochemiker eine Hierarchie von Interaktionsmustern zwischen Peptid und diversen Wirkstoffen identifizieren und stellten dabei überraschend fest: Die ungeordnete Struktur des Peptids ist massgebend für die Interaktionen. «Die Unordnung und Flexibilität des Peptids ermöglichen eine Anpassung an viele strukturelle Grundgerüste», so Andreas Vitalis. Oft sind nur Teile der Wirkstoffmoleküle für die Wechselwirkung verantwortlich. Nichtsdestotrotz können kleinste Änderungen am Wirkstoff die Interaktionen messbar beeinflussen. «Das Wirkstoffdesign mit gezieltem Einfluss auf die Struktur des Beta-Amyloid-Peptids wird nur mithilfe hochauflösender, auf ein oder wenige Moleküle beschränkter Methoden möglich sein», schlussfolgert Vitalis. Die UZH-Forscher wollen in einem nächsten Schritt neue Wirkstoffklassen mit steuerbaren Eigenschaften identifizieren, die mit dem Beta-Amyloid-Peptid interagieren.
Literatur:
Marino Convertino, Andreas Vialis, Amadeo Caflisch. Disordered Binding of Small Molecules to Aβ(12–28). The Journal of Biological Chemistry. October 3, 2011. doi: 10.1074/jbc.M111.285957

Finanziert wurde die Studie durch den Schweizerischen Nationalfonds und Forschungskredit der UZH.

Kontakt:
Dr. Andreas Vitalis
Biochemisches Institut
Universität Zürich
Tel. +41 44 635 55 97
E-Mail: a.vitalis@bioc.uzh.ch

Media Contact

Nathalie Huber Universität Zürich

Weitere Informationen:

http://www.uzh.ch

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Studien Analysen

Hier bietet Ihnen der innovations report interessante Studien und Analysen u. a. aus den Bereichen Wirtschaft und Finanzen, Medizin und Pharma, Ökologie und Umwelt, Energie, Kommunikation und Medien, Verkehr, Arbeit, Familie und Freizeit.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Nanofasern befreien Wasser von gefährlichen Farbstoffen

Farbstoffe, wie sie zum Beispiel in der Textilindustrie verwendet werden, sind ein großes Umweltproblem. An der TU Wien entwickelte man nun effiziente Filter dafür – mit Hilfe von Zellulose-Abfällen. Abfall…

Entscheidender Durchbruch für die Batterieproduktion

Energie speichern und nutzen mit innovativen Schwefelkathoden. HU-Forschungsteam entwickelt Grundlagen für nachhaltige Batterietechnologie. Elektromobilität und portable elektronische Geräte wie Laptop und Handy sind ohne die Verwendung von Lithium-Ionen-Batterien undenkbar. Das…

Wenn Immunzellen den Körper bewegungsunfähig machen

Weltweit erste Therapie der systemischen Sklerose mit einer onkologischen Immuntherapie am LMU Klinikum München. Es ist ein durchaus spektakulärer Fall: Nach einem mehrwöchigen Behandlungszyklus mit einem immuntherapeutischen Krebsmedikament hat ein…

Partner & Förderer