Wie das Gehirn Stress beim Lernen kompensieren könnte

Marie Fellner und Marcus Paul nutzten EEGs, um zu ergründen, wie das Gehirn unter Stress lernt. RUB, Marquard

Für die Studie kooperierten die Gruppen von Prof. Dr. Oliver Wolf, Prof. Dr. Nikolai Axmacher und Prof. Dr. Boris Suchan vom Bochumer Institut für Kognitive Neurowissenschaft.

Eiswasser und Kamera lösen Stress aus

Die Wissenschaftler verglichen die Leistungen von 16 gestressten und 16 nicht gestressten Männern beim Kategorien-Lernen. Die eine Hälfte der Probanden musste ihre Hand vor dem Lerntest in eiskaltes Wasser halten und wurde dabei gefilmt – ein anerkannter Stresstest. Die andere Hälfte durfte die Hand in warmes Wasser tauchen und wurde nicht gefilmt. „Wir haben die Studie erst einmal nur mit Männern durchgeführt, weil Frauen durch den hormonellen Zyklus anders auf Stress reagieren“, erklärt Marcus Paul, einer der Autoren.

Beim Lerntest mussten die Probanden bunte Ringe anhand ihrer Farbmuster in zwei Kategorien einteilen. Neben typischen Mitgliedern einer Kategorie, mussten die Probanden auch lernen, Ausnahmen zuzuordnen, die den anderen Mitgliedern innerhalb der eigenen Kategorie unähnlich sahen. Frühere Studien hatten ergeben, dass Hirnregionen, die für das Lernen von Ausnahmen wichtig sind, besonders empfindlich auf Stress reagierten. Während der Aufgabe erfassten die Forscher die Hirnaktivität mittels EEG.

Andere Hirnaktivität bei Stress

Die gestressten Probanden schnitten beim Kategorisierungstest genauso gut ab wie die nicht gestressten. Allerdings waren ihre Gehirne während der Aufgabe stärker aktiv, und es waren zusätzliche Hirnbereiche involviert. Im EEG der gestressten Teilnehmer war eine erhöhte Aktivität im Theta-Wellen-Bereich über dem medialen präfrontalen Cortex zu sehen und zwar besonders dann, wenn die Probanden Ausnahmen lernten. Die sogenannten Theta-Wellen spiegeln kognitive Kontrollprozesse wider.

„Wir glauben, einen Mechanismus im Gehirn gefunden zu haben, welcher es Probanden ermöglicht, trotz Stress eine gute Leistung in einer Kategorisierungsaufgabe zu zeigen“, erklärt Oliver Wolf.

Im nächsten Schritt wollen die Bochumer Kognitionsforscher untersuchen, ob sich die veränderte neuronale Aktivität von gestressten und nicht gestressten Studienteilnehmern während des Lernens auf die Leistung in einem Abruftest auswirkt, welcher am nächsten Tag durchgeführt wird.

Förderung

Die Arbeitsgruppen, die an der Studie beteiligt waren, wurden von der Deutschen Forschungsgemeinschaft im Rahmen des Sonderforschungsbereiches 874 „Integration und Repräsentation sensorischer Prozesse“ gefördert. Der interdisziplinäre Forscherverbund besteht seit 2010 an der Ruhr-Universität Bochum und untersucht, wie Sinneseindrücke im Gehirn zu komplexem Verhalten und Gedächtnis verarbeitet werden.

Originalveröffentlichung

Marcus Paul, Marie-Christin Fellner, Gerd T. Waldhauser, John Paul Minda, Nikolai Axmacher, Boris Suchan, Oliver T. Wolf: Stress elevates frontal midline theta in feedback-based category learning of exceptions, in: Journal of Cognitive Neuroscience, 2018, DOI: 10.1162/jocn_a_01241

Link zur Publikation
https://www.mitpressjournals.org/doi/abs/10.1162/jocn_a_01241

Pressekontakt

Prof Dr. Oliver T. Wolf
Lehrstuhl für Kognitionspsychologie
Institut für Kognitive Neurowissenschaft
Ruhr Universität Bochum
Tel.: 0234 32 22670
E-Mail: oliver.t.wolf@rub.de

Text: Judith Merkelt-Jedamzik

Media Contact

Judith Merkelt-Jedamzik idw - Informationsdienst Wissenschaft

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Studien Analysen

Hier bietet Ihnen der innovations report interessante Studien und Analysen u. a. aus den Bereichen Wirtschaft und Finanzen, Medizin und Pharma, Ökologie und Umwelt, Energie, Kommunikation und Medien, Verkehr, Arbeit, Familie und Freizeit.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neue universelle lichtbasierte Technik zur Kontrolle der Talpolarisation

Ein internationales Forscherteam berichtet in Nature über eine neue Methode, mit der zum ersten Mal die Talpolarisation in zentrosymmetrischen Bulk-Materialien auf eine nicht materialspezifische Weise erreicht wird. Diese „universelle Technik“…

Tumorzellen hebeln das Immunsystem früh aus

Neu entdeckter Mechanismus könnte Krebs-Immuntherapien deutlich verbessern. Tumore verhindern aktiv, dass sich Immunantworten durch sogenannte zytotoxische T-Zellen bilden, die den Krebs bekämpfen könnten. Wie das genau geschieht, beschreiben jetzt erstmals…

Immunzellen in den Startlöchern: „Allzeit bereit“ ist harte Arbeit

Wenn Krankheitserreger in den Körper eindringen, muss das Immunsystem sofort reagieren und eine Infektion verhindern oder eindämmen. Doch wie halten sich unsere Abwehrzellen bereit, wenn kein Angreifer in Sicht ist?…

Partner & Förderer