Vertrauen und Soziale Netzwerke: Wachstumsfundamente für Energieversorgungsunternehmen in China

Wissenschaftler und Wirtschaftsvertreter sind sich einig, dass der Markt für Energieversorgungsunternehmen in China großes Potenzial hat. Das chinesische Verhältnis von Energiekonsum zum Bruttosozialprodukt ist 1,5 Mal so hoch wie der weltweite Durchschnitt und damit eines der höchsten weltweit. Es besteht eine enorme Diskrepanz zwischen dem Pro-Kopf-Energiekonsum in China und dem in Industriestaaten: Das Potenzial für Energieeffizienzmaßnahmen in China ist enorm und nicht erschlossen.

Im vergangenen Jahrzehnt hat die chinesische Regierung Energieeffizienzmaßnahmen mit diversen Entscheidungen aktiv befördert. Konkrete Maßnahmen wurden etwa in der Nationalversammlung beschlossen. Provinzregierungen und Städte wie Schanghai und Peking haben zusätzlich lokale und regionale Gesetze erlassen, um Projekte von Energieversorgern zu unterstützen.

Unter diesen Bedingungen hätten sich chinesische Energieversorgungsunternehmen erfolgreich entwickeln können – wie es in anderen Entwicklungs- und Schwellenländern wie Brasilien auch geschehen ist. In China jedoch realisierten die Energieversorgungsunternehmen ihr Wachstumspotenzial nicht.

Warum haben sie sich so enttäuschend entwickelt? Wie können sie mit dazu beitragen, dass die Ziele im Zusammenhang mit Energieeffizienz erreicht werden? Dieser Forschungsfrage sind Genia Kostka und Kyoung Shin nachgegangen. Ihre Hypothese lautet, dass sich Unternehmen auf dem chinesischen Energiemarkt dann positiv entwickeln können, wenn sie Teil sozialer Netzwerke sind, in denen man ihnen vertraut. Genia Kostka und Kyoung Shin vermuteten, dass die privaten chinesischen Energieversorgungsunternehmen nicht in solche Netzwerke eingebunden sind, man ihnen kein Vertrauen schenkt und sie deshalb ihr Wachstumspotenzial nicht realisieren konnten.

Um dieser Hypothese nachzugehen, führten Genia Kostka und Kyoung Shin in diesem Jahr über 30 Interviews mit Vertretern chinesischer und internationaler Energieversorgungsunternehmen in Peking, Hebei, Baoding (Hebei) und Dalian (Liaoning) sowie mit Mitgliedern der chinesischen Energy Management Company Association (EMCA).

Die Ergebnisse aus den Interviews:

• Die gesamte chinesische Energieversorgungsbranche arbeitet in einem System, das sich auf Beziehungen stützt, in denen man einander vertraut.

• Internationale Energieversorger haben dies nicht erkannt oder gewusst. Sie agierten wie sie es aus ihren Heimatländern gewohnt waren und versuchten die ihnen bekannten Marktmechanismen nachzubilden.

• Öffentliche chinesische Energieversorgungsunternehmen verzeichneten ein enormes Wachstum, da sie Teil von Netzwerken sind, die auf Vertrauen basieren. Sie sind Ausgründungen staatlicher Unternehmen und daher in einer besseren Ausgangslage als private, internationale Energieversorger. Ihre Kunden sind zumeist Regierungsorganisationen, öffentliche Institutionen oder Unternehmen der Schwerindustrie, die in der Regel ebenfalls staatlich sind.

• Lokales Unternehmertum sowie soziale und politische Netzwerke sind die Schlüsselfaktoren, die über Erfolg oder Misserfolg von Energieversorgern in China entscheiden. Zumeist haben sie ihren Hauptsitz in großen Städten, ihre Projekte sind nicht in ihrer Nähe, was ihre Integration in lokale Netzwerke – die Basis für Vertrauensaufbau – hemmt. Auch hier haben öffentliche Energieversorger eine bessere Ausgangsposition, da sie zu engmaschigen Netzwerken mit vielen Anknüpfungspunkten zur Politik gehören. Diese Verbindungen machen es auch Neukunden und Banken leichter, ihnen Vertrauen zu schenken.

• Private und internationale Energieversorger wachsen, wenn es ihnen gelingt, genügende Netzwerkressourcen aufzubauen.

Fazit:
Ein System von Beziehungsnetzwerken regelt den Markt chinesischer Energieversorgungsunternehmen. Entwickelte Marktinstitutionen gibt es nicht. Ausländische Unternehmen müssen dies akzeptieren und ihre Strukturen und Geschäftspraktiken daran ausrichten. Die Strukturen US-amerikanischer oder europäischer Energieversorgungsmärkte in China nachzubilden, stellt nur ein weiteres Wachstumshemmnis für sie dar.

Genia Kostka und Kyoung Shin stehen für Interviews oder als Autoren für Gastbeiträge zur Verfügung. Die englischsprachiges Studie steht unter „Publikationen / Arbeitsberichte, Working Papers“ auf der Website von Genia Kostka zum Download zur Verfügung: www.fs.de/kostka

* Professor Dr. Genia Kostka ist Dr. Werner Jackstädt Juniorprofessorin für Chinese Business Studies an der Frankfurt School of Finance & Management. Kyoung Shin ist Wissenschaftlicher Mitarbeiter im Department of Political Studies des Massachusetts Institute of Technology (MIT). Ihre Studie ist als Working Paper Nummer 168 der Frankfurt School of Finance & Management erschienen: Energy Service Companies in China: The Role of Social Networks and Trust.

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Angelika Werner idw

Weitere Informationen:

http://www.fs.de/kostka

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