Umwelt oder Wirtschaftswachstum?

Wir haben nur eine Erde, unsere Ressourcen sind beschränkt. Irgendwann werden wir zwangsläufig an ökologische Grenzen stoßen und unseren Umweltverbrauch einschränken müssen. Ob sich Einschränkungen im Ressourcen- und Energieverbrauch mit einem anhaltenden Wirtschaftswachstum vereinbaren lassen, wurde nun in einer Studie untersucht – publiziert im Journal PLOS ONE, geleitet von der University of Leeds (Großbritannien).

Dabei zeigt sich, dass es weltweit keine Beispiele für sinkenden Verbrauch bei gleichzeitig wachsender Wirtschaft gibt. Der Umstieg auf eine grüne, nachhaltige Ökonomie ist nur möglich, wenn man sich vom Dogma des Wirtschaftswachstums löst, meint Prof. Michael Getzner von der TU Wien, Co-Autor der Studie.

Mehr Effizienz durch neue Erfindungen

Ständig werden neue Technologien entwickelt, die oft auch für mehr Effizienz sorgen. Moderne Autos brauche weniger Benzin, moderne Häuser sind haben weitaus geringeren Heizbedarf als früher. Kann es gelingen, auf diese Weise ein nachhaltiges, umweltverträgliches Wirtschaftswachstum zu erreichen? „Es gibt nirgends einen Hinweis, dass das möglich ist“, meint Prof. Michael Getzner vom Fachbereich Finanzwissenschaft und Infrastrukturpolitik (Department für Raumplanung) der TU Wien.

Gemeinsam mit Kolleginnen und Kollegen aus Leeds, Klagenfurt und Canberra (Australien) analysierte er die Wirtschaftsentwicklung von mehr als 40 ganz unterschiedlichen Ländern in den letzten Jahrzehnten und kam zu dem Schluss: Überall gab es immer einen klaren Zusammenhang zwischen Wirtschaftswachstum und Umweltverbrauch. Sowohl in Entwicklungsländern als auch in Industrieländern lässt sich ein Wirtschaftswachstum in dem Ausmaß, wie es heute politisch angestrebt wird, nicht auf ressourcen- und umweltschonende Weise erreichen.

„Tatsächlich kann neuere Technologie die Effizienz steigern – dadurch wird langfristig betrachtet in den Industrieländern der Zusammenhang zwischen Wachstum und Verbrauch ein Wenig gedämpft. Doch einen echten Rückgang im Verbrauch sehen wir nur dort, wo die Wirtschaft schrumpft, etwa in der Wirtschaftskrise der vergangenen Jahre“, sagt Getzner.

Sparen und gleich wieder ausgeben

Ein wichtiger Grund dafür ist, dass Einsparungen oft dazu führen, dass die Ressourcen eben zusätzlich auf anderem Weg verbraucht werden. Wer sein Haus thermisch saniert und damit Geld spart, kann sich dafür dann vielleicht eine Flugreise statt dem Wanderurlaub leisten, damit werden die Einsparungen durch technischen Fortschritt rasch wieder ausgeglichen. Oft bringt eine Effizienzsteigerung nicht eine Senkung des Ressourcenverbrauchs mit sich, sondern eine Steigerung des Komforts: Ein besserer Motor ermöglicht statt eines sparsameren Autos vielleicht ein bequemeres, größeres Fahrzeug mit einem ähnlich hohen Gesamtverbrauch wie vorher.

Staaten, die den Sprung von einer schwachen Ökonomie zum Industrieland geschafft haben, konnten das immer nur durch einen sehr starken Verbrauch an natürlichen Ressourcen erreichen. Es erscheint unrealistisch, dass das bei den derzeit wirtschaftlich aufstrebenden Nationen anders sein könnte. „Die Hoffnung, zunächst auf starkes Wachstum setzen zu können, und sich danach erst von CO2-Emissionen und Ressourcenverbrauch zu entkoppeln, ist unrealistisch“, meint Getzner. „Das ist Wunschdenken und widerspricht der ökonomischen Erfahrung.“

Nachhaltigkeit statt Wachstum

„Die Forderung nach einem dauerhaften hohen Wirtschaftswachstum ist absolut nicht nachhaltig“, betont Michael Getzner. „Wir dürfen das nicht mehr als das fundamentale Ziel sehen.“ Man muss also neue politische Zielsetzungen suchen. Die oberste Priorität soll das Streben nach einer nachhaltigen Ökonomie haben. „In diesem Bereich gibt es schöne Erfolge, etwa die Reduktion der Stickoxid-Emissionen in den USA, durch den Handel mit Lizenzen“, meint Getzner. Erst innerhalb der Rahmenbedingungen, die durch die Endlichkeit unserer Ressourcen vorgegeben werden, kann man dann danach streben, ein Wirtschaftswachstum oder zumindest eine stabile Wirtschaft sicherzustellen.

„Wenn wir diesen Schritt machen, müssen wir aber darauf achten, diesen Wandel auf sozial verträgliche Weise durchzuführen“, betont Michael Getzner. Schon heute gibt es selbst in Industriestaaten Energiearmut – also Menschen, die sich etwa im Winter keine ausreichende Heizung mehr leisten können. Ein wirtschaftliches Umdenken darf nicht dazu führen, dass solche Personengruppen vergessen werden.

Abstract:
http://www.plosone.org/article/info%3Adoi%2F10.1371%2Fjournal.pone.0070385
Link zum Paper:
http://www.plosone.org/article/fetchObject.action?uri=info%3Adoi%2F10.1371%2Fjournal.pone.0070385&representation=PDF

Rückfragehinweis:

Prof. Michael Getzner
Fachbereich für Finanzwissenschaft und Infrastrukturpolitik
Department für Raumentwicklung, Infrastruktur- und Umweltplanung
Technische Universität Wien
Resselgasse 5, 1040 Wien
T: +43-1-58801-280320
michael.getzner@tuwien.ac.at
Aussender:
Dr. Florian Aigner
Büro für Öffentlichkeitsarbeit
Technische Universität Wien
Operngasse 11, 1040 Wien
T: +43-1-58801-41027
M: +43-676-4129222
florian.aigner@tuwien.ac.at
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Weitere Informationen:

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