Studien untersuchen Körperzugehörigkeitsgefühl

Die unter Claßens Leitung von den Würzburger Forschern Daniel Zeller und Catharina Groß und mit Kooperationspartnern aus Oxford und Heidelberg durchgeführte Studie zeigte, dass eine Störung der Puppenhand-Illusion entsteht, wenn die Verbindungen zwischen einem Hirnareal im Vorderlappen des Gehirns, dem ventralen prämotorischen Kortex, und anderen Hirnarealen, in denen verschiedene Sinnesinformationen getrennt verarbeitet werden, unterbrochen sind.

Wie die Wissenschaftler kürzlich im US-amerikanischen „Journal of Neuroscience“ berichteten, kann der für die Störung der Puppenhand-Illusion verantwortliche Bereich des Gehirns das Fehlen des Körperselbstgefühls bei Schlaganfallpatienten nicht auslösen. Die Ergebnisse legen aber nahe, dass die Rehabilitation einer Störung des Körperselbstgefühls beeinflusst werden kann, wenn der Schlaganfall die verantwortliche Region im Vorderhirn trifft.

Das Gefühl der Zugehörigkeit einer Gliedmaße zum eigenen Körper kann durch neurologische Erkrankungen wie einen Schlaganfall, verloren gehen. Dann betrachtet ein Patient beispielsweise seinen Arm als fremd. Interessanterweise lässt sich in einem psychologischen Experiment auch ein umgekehrtes Phänomen erzeugen: Bei der sogenannten Puppenhand-Illusion wird bei einer Versuchsperson die Illusion erzeugt, dass die Hand einer Schaufensterpuppe als zum eigenen Körper zugehörig empfunden wird. Bei diesem Versuch liegt die Hand einer Schaufensterpuppe für die Versuchsperson sichtbar auf den Tisch, während ihre eigene Hand abgedeckt – also für sie nicht sichtbar – danebenliegt. Werden nun die Hand des Untersuchten und die künstliche Hand gleichzeitig bestrichen, stellt sich bei fast allen Probanden unter fortgesetzter Betrachtung der bestrichenen Puppenhand nach wenigen Sekunden der Eindruck ein, dass die Puppenhand zum eigenen Körper gehört.

Gleichzeitig kommt es bei der Versuchsperson zum Gefühl, die eigene Hand habe sich in Richtung der Puppenhand verschoben.

In der zweiten Studie wurden Patienten mit einem „Schreibkrampf“ untersucht. Diese eigenartige Bewegungsstörung gehört zu den Dystonien, bei denen unwillkürliche Verkrampfungen die Ausführung von gezielten Bewegungen behindern. Mikroskopisch lassen sich keine Veränderungen des Gehirns feststellen, die Ursache wird in einer Fehlfunktion bestimmter Nervenschaltkreise vermutet.

Wie Claßen und seine italienische Kollegin Mitra Fiorio zusammen mit Forschern aus Würzburg, Verona und Leipzig jüngst im britischen „Brain“-Journal für Neurologie veröffentlichten, reagieren Patienten mit Schreibkrampf anders als gesunde Menschen auf die Effekte der Puppenhand-Illusion.

Auch bei den Dystonie-Patienten stellte sich die illusionäre Wahrnehmung der Puppenhand als die eigene Hand ein. Zu dem Eindruck einer Verschiebung der Position der eigenen Hand kam es jedoch nicht. „Diese Aufteilung der experimentell erzeugten Empfindungen, nämlich der erhaltenen Empfindung des Körperzugehörigkeitsgefühls bei gleichzeitig gestörter Verschiebungsempfindung spricht für zwei getrennte Schaltkreise“, erläutert der Neurologe.

Während der Schaltkreis durch den Vorderlappen des Gehirns intakt zu sein scheint, liegt die Störung bei der Dystonie vermutlich in einem Schaltkreis, der das Kleinhirn und der Scheitellappen umfasst. Wie Claßen erläuterte, helfen die Ergebnisse, Störungen der Körperwahrnehmung und der Fehlsteuerung von Bewegungen besser zu verstehen und neue Ansätze zu ihrer Therapie zu finden.

Weitere Informationen:
Prof. Dr. Joseph Claßen
Telefon: +49 341 97-24200
E-Mail: joseph.classen@medizin.uni-leipzig.de

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Susann Huster idw

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