Studie zur Autobranche in den USA und Japan

Outsourcing gilt als wirksames Mittel, um Kosten zu senken. Doch es kann auch die Qualität der Produkte und die Marktposition von Unternehmen gefährden. Die Probleme der amerikanischen Autokonzerne sind beispielsweise nicht nur darauf zurückzuführen, dass sie die falschen Fahrzeuge bauen. Sie haben ihre Wettbewerbsposition auch durch eine harte Outsourcing-Strategie verschlechtert.

Unternehmen wie Toyota und Nissan fallen hingegen durch gute Beziehungen zu den Lieferanten auf. Zu diesem Ergebnis kommt eine Studie von Prof. Dr. Hans-Erich Müller. Der Betriebswirt, der an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin lehrt, hat im Auftrag der Hans-Böckler-Stiftung das Verhältnis von Herstellern und Zulieferern in den USA und Japan untersucht.

Müller stellt fest: „Partnerschaftliche Beziehungen zu Lieferanten, Mitarbeitern und Kunden sind entscheidend nicht nur für Unternehmen, sondern auch für den Standort.“ Deutsche Hersteller hätten sich in den letzten Jahren bemüht, ihre Lieferantenbeziehungen nach dem Vorbild Toyota zu verbessern, so Müller. Nun in der Krise bestehe jedoch die Gefahr, dass der partnerschaftliche Ansatz wieder unter die Räder kommt.

Müller analysiert in seiner Untersuchung, wie Anfang der 1990er Jahre in der Autobranche der Trend aufkam, Teile der Produktion auszulagern. Vorbild waren nun japanische Hersteller wie Toyota. Die Annahme lautete: Toyotas Erfolgsgeheimnis sind die niedrigen Lohnkosten bei den Zulieferern. In der Folge wurde Toyota weltweit zum Vorbild für schlanke Produktion. General Motors (GM), Ford, PSA Peugeot-Citroën und andere lagerten ihre Komponentenfertigung aus. Mittlerweile ist die Wertschöpfungstiefe der Hersteller gering. In Deutschland übernahmen sie im Jahr 2002 nur 35 Prozent der Wertschöpfung, bis 2015 soll dieser Anteil auf 25 Prozent sinken.

US-Konzerne forcierten das Outsourcing besonders, zeigt Müller. GM spaltete 1991 seine Komponentenwerke ab und nutzte dann seine starke Stellung, um die Einkaufpreise zu drücken. Der neu gegründete Zuliefererkonzern Delphi versuchte zwar, Aufträge von anderen Herstellern zu bekommen, schrieb jedoch jahrelang Milliardenverluste. Von 1978 bis 1997 baute GM in den USA 297.000 Mitarbeiter ab, etwa die Hälfte der Belegschaft. 2007 schrieb GM Verluste in Höhe von 39 Milliarden Dollar. Ein Grund dürften die schwierigen Beziehungen zu Lieferanten sein, so Müller: „Die Probleme der amerikanischen Automobilindustrie sind nicht allein mit einer verfehlten Modellpolitik und der durch die Kreditklemme ausgelösten Nachfrageschwäche zu erklären.“

General Motors, Ford und Chrysler war es nicht gelungen, gute Beziehungen zu Lieferanten aufzubauen und daraus Wettbewerbsvorteile zu erzielen. Die Autobauer standen über Jahre in offenem Konflikt mit den Lieferanten. Sie schrieben Aufträge immer wieder neu aus, es gab wenig Informations-Austausch zwischen beiden Seiten. Entsprechend investierten Lieferanten wie Delphi nur wenig Geld in Spezialanlagen, die besonders auf einen bestimmten Hersteller – zum Beispiel GM – zugeschnitten waren. Und das machte sich in mangelnder Qualität der Fahrzeuge bemerkbar.

Dabei hatte das Massachusetts Institute of Technology (MIT) in einer bekannten Studie zur schlanken Produktion bei Toyota darauf hingewiesen: „Nicht Outsourcing und niedrige Löhne, sondern die Entwicklung der Partnerbeziehungen zu Lieferanten, Mitarbeitern und Kunden gehören zu den Erfolgsgeheimnissen von Toyota.“ Diese Botschaft wurde oftmals übersehen, stellt der Berliner Wissenschaftler fest. Bis heute bezieht die Toyota-Gruppe Müller zufolge nicht viel von außen. Nur 24 Prozent der Wertschöpfung stammen von externen Lieferanten, und von denen stehen die wichtigen in engem Kontakt zum Hersteller.

In Japan sind die Unternehmensgrenzen oft unscharf, schreibt Müller. Zulieferer und Hersteller sind verbunden durch eine gemeinsame Tradition in einem Großunternehmen, gleiche Unternehmensgewerkschaften, die gegenseitige Entsendung von Geschäftsführern. „Dieser hohe Grad von quasi-vertikaler Integration entspricht so gar nicht dem vermeintlich allgemeingültigen Trend zunehmender Verringerung der Wertschöpfungstiefe.“

Toyota fertigt etwa 12 Prozent selbst, dazu kommt gut 64 Prozent der Wertschöpfung aus dem Unternehmens-Verbund. „Man ist sich bewusst, dass Outsourcing technische Stärken und Kernkompetenzen aushöhlen kann“, schreibt Müller. Hinzu kommt ein Faktor, der bei der Beziehung zwischen GM und Delphi nur wenig Beachtung fand: „Toyota und Honda beziehen nicht viel aus Niedriglohn-Ländern; die Innovationsfähigkeit ihrer Zulieferer ist ihnen wichtiger als Lohnkosten.“

Infografiken zum Download im Böckler Impuls 7/2009: http://www.boeckler.de/32006_95293.html

Ansprechpartner in der Hans-Böckler-Stiftung

Rainer Jung
Leiter Pressestelle
Tel.: 0211-7778-150
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