Wie soziale Normen das individuelle Gesundheitsverhalten beeinflussen

Das gesundheitsrelevante Verhalten von Menschen wird maßgeblich von dem beeinflusst, was andere Personen in vergleichbarer Situation tun. So haben beispielsweise Kampagnen, die die geringen Teilnahmequoten von Männern an Untersuchungen zur Krebsfrüherkennung anprangern, viel eher demotivierenden Charakter, anstatt von einer Teilnahme zu überzeugen.

Das hat ein Forscherteam der Universität Heidelberg unter der Leitung von Prof. Dr. Monika Sieverding in zwei Studien zur Bedeutung sozialer Normen nachgewiesen. Die Forschungsergebnisse aus dem Arbeitsereich Genderforschung und Gesundheitspsychologie wurden in den Fachzeitschrifen „Health Psychology“ und „Psychological Science“ veröffentlicht.

Wie Prof. Sieverding erläutert, orientieren sich Menschen in ihrem Verhalten einerseits an dem, was wichtige Bezugspersonen von ihnen erwarten, andererseits aber auch daran, was andere „vergleichbare“ Menschen tun. Die Wissenschaft unterscheidet hier zwischen subjektiver und deskriptiver Norm. Die Heidelberger Forscherinnen und Forscher sind in diesem Zusammenhang der Frage nachgegangen, inwieweit deskriptive Normen – hier das Wissen über das Verhalten von Alters- und Geschlechtsgenossen – die Teilnahme von Männern an Krebsfrüherkennungsuntersuchungen (KFU) beeinflusst.

Dazu wurden in einer großen Erhebung 2.400 Männer im Alter von 45 bis 65 Jahren befragt: Die Befragten, die bislang noch nie bei einer KFU waren, gingen davon aus, dass auch nur wenige andere Männer (28 Prozent) dies machen. Bei denjenigen, die selbst unregelmäßig oder sogar regelmäßig an einer KFU teilnehmen, lagen die Schätzungen mit 36 und 45 Prozent deutlich darüber.

In einer experimentellen Nachfolgestudie mit 185 zufällig ausgewählten Männern zwischen 45 und 70 Jahren sollte überprüft werden, ob die Information über das Verhalten Anderer einen ursächlichen Einfluss auf die Motivation hat, selbst an einer Krebsfrüherkennungsuntersuchung teilzunehmen. Dabei konnten die Wissenschaftler einen deutlichen Effekt nachweisen: Wurden die Befragten darüber informiert, dass im Jahr zuvor lediglich jeder fünfte Mann bei einer solchen Untersuchung gewesen ist, fiel auch bei ihnen die Bereitschaft dazu eher gering aus.

Deutlich größer war das Interesse in einer Gruppe, die mit einer ganz anderen Information versorgt worden war – dass bereits zwei Drittel aller Männer eine Standard-KFU mitgemacht haben. „Die Information über eine geringe Nutzung hat somit keine motivierende, sondern tatsächlich eine demotivierende Wirkung. Nach dem Motto: Wenn so wenige Männer dort hingehen, dann wird das wohl auch seinen Grund haben“, betont Prof. Sieverding.

Die Forschungsarbeiten am Psychologischen Institut der Universität Heidelberg, die Prof. Sieverding zusammen mit Liborio Ciccarello, Sarah Decker, Uwe Matterne und Friederike Zimmermann durchgeführt hat, wurden zum Teil durch die Deutsche Krebshilfe gefördert. Informationen im Internet können unter der Adresse http://www.psychologie.uni-heidelberg.de/ae/diff/gender/index.html abgerufen werden.

Originalveröffentlichungen:
Sieverding, M., Decker, S., & Zimmermann, F. (2010). Information about low participation in cancer screening demotivates other people. Psychological Science, 21, No. 7, 941-943, doi: 10.1177/0956797610373936

Sieverding, M., Matterne, U., & Ciccarello, L. (2010). What role do social norms play in the context of men's cancer screening intention and behavior? Application of an extended theory of planned behavior. Health Psychology, 29, No. 1, 72-81, doi: 10.1037/a0016941

Kontakt:
Prof. Dr. Monika Sieverding
Psychologisches Institut
Telefon (06221) 54-7372 oder 54-7329 (Sekretariat)
monika.sieverding@psychologie.uni-heidelberg.de
Kommunikation und Marketing
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