Ein Schimmer Hoffnung: Neue wissenschaftliche Studie will Menschen im Wachkoma zu mehr Bewusstsein verhelfen

Die meisten Patienten werden in einer Pflegeeinrichtung oder zu Hause rund um die Uhr versorgt. Laut einer neuen Studie soll die Behandlung mit einer sogenannten transkraniellen Nah-Infrarotlaserstimulation zur Förderung des Bewusstseins von Patienten im Wachkoma beitragen. Vorerst nur ein Hoffnungsschimmer – aber die ersten Reaktionen von Angehörigen und Patienten sind vielversprechend.

Vorgestellt werden die Studienergebnisse erstmalig Mitte Dezember auf der Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neurorehabilitation (DGNR) in Berlin.

Leiter der Studiengruppe ist Stefan Hesse, Professor für Neurologische Rehabilitation am Medical Park Berlin; die Untersuchungen fanden sowohl in der Klinik als auch auf der Wachkomastation des Haus Havelblick Berlin statt. „Unsere Arbeitsgruppe hat den transkraniellen Laser erstmals in der Therapie von chronischen Wachkomapatienten eingesetzt. Deren Stirn wurde von außen jeden Werktag für zehn Minuten über 4 bis 6 Wochen stimuliert, die Wachheit und das Bewusstsein wurden regelmäßig überprüft, und die Angehörigen um ihre Einschätzung gebeten.“

Sowohl Angehörige als auch die eingesetzten Skalen zeigten bei fast allen Patienten, dass sie am Tage länger wach waren und dass sich ihr Bewusstsein dahingehend verbesserte, dass sie mit den Augen sicherer Kontakt aufnahmen, einem vor den Augen bewegten Spiegel mit ihren Augen folgen konnten, oder gar auf einfache Aufforderungen, wie ‚´Schließen Sie bitte die Augen!`, adäquat reagierten. Die Angehörigen schätzten vor allem den größeren emotionalen Widerhall. An der maximalen Pflegebedürftigkeit oder Immobilität der chronischen Patienten änderte sich leider nichts.

Der transkranielle, das heißt den Schädelknochen durchdringende, Nahinfrarotlaser ist eine neue Option zur Förderung der Regeneration des Hirngewebes. Nach Experimenten mit Tieren weiß man, dass er durch den Schädelknochen hindurch und ca. 2-3 cm in das Hirngewebe dringt. Der Laser soll die Energiegewinnung der Nervenzelle und damit deren Regeneration fördern. In den USA wurden erste erfolgreiche Studien in der akuten Schlaganfallbehandlung vorgestellt.

Die Prognosen von Wachkoma-Patienten sind bisher eher pessimistisch. Neurologen beschreiben, dass die Patienten sehr wohl wach sind, die Hirnstammreflexe intakt sind, aber dass das Bewusstsein als Wahrnehmung seiner Selbst und Interaktion mit der Umwelt schwer geschädigt ist. Wach sein ist eine Funktion des Hirnstamms, wohingegen der Hirnmantel das menschliche Bewusstsein ausmacht. Dem Stirnhirn kommt dabei die größte Bedeutung zu. Neue Befunde der sog. funktionellen Bildgebung des Gehirns einer belgischen Arbeitsgruppe aus dem Jahr 2006 haben das bisher pessimistische Bild hinsichtlich der Funktion des Hirnmantels von Wachkomapatienten aufgeweicht: auf die Aufforderung sich vorzustellen, Tennis zu spielen, konnten Patienten im Wachkoma Areale des Hirnmantels vergleichbar den Gesunden aktivieren. Der Grad des Bewusstseins hing dabei von einem Aktivitätsband zwischen dem Stirn- und Schläfenlappen ab.

In diesem Zusammenhang überraschten die beobachteten Verbesserungen von Hesses Arbeitsgruppe weiter. „Sie sollten Anlass geben, die Idee der transkraniellen Lasertherapie weiter zu verfolgen. Eine Aussage zur Effektivität ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt eindeutig nicht zu treffen, weswegen eine kontrollierte Studie mit einer Scheintherapie und die Bestätigung durch andere Forschergruppen dringend angezeigt sind“, resümiert Stefan Hesse, der Kongresspräsident der 23. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Neurorehabilitation (DGNR) ist.

Etwa 1000 Ärzte, Forscher, Therapeuten und Pflegekräfte treffen sich vom 12. bis 14. Dezember anlässlich dieser Jahrestagung in Berlin. Die Tagung dient der Weiterbildung und des interdisziplinären Austausches auf dem Gebiet der rehabilitativen Behandlung neurologischer Schädigungen. Eine qualitativ hochwertige Neurorehabilitation hat entscheidenden Einfluss darauf, wie der Patient nach einer Erkrankung wieder in seine gewohnten Strukturen zurückfindet. „Neurologische Rehabilitation ist Teamleistung, sie hat in Deutschland ein hohes Niveau erreicht. Deutsche Kliniken und deutschsprachige Forscher waren an allen wesentlichen Weiterentwicklungen des noch jungen Fachs in den letzten Jahren beteiligt. Zunehmend werden auch sehr schwer betroffene Patienten bis hin zur Intensivpflichtigkeit in den Kliniken der neurologischen Rehabilitation behandelt. Sie hat sich somit einen festen Platz in der Versorgungskette neurologischer Patienten erarbeitet“, erklärt Prof. Hesse.

Schwerpunktmäßig wird sich die DGNR-Tagung mit den Themen Intensivmedizin, Versorgungsforschung, den Möglichkeiten der Alternativmedizin und der Zukunft der Neurorehabilitation beschäftigen. Spannende Erkenntnisse darf man sicherlich aus der „Zukunftswerkstatt Neurorehabilitation“ erwarten. Hier werden u.a. Chancen und Risiken des Einsatzes von Robotertechnik oder der minimalinvasiven Muskelverlängerung bei Spastik diskutiert. Besonders erfolgversprechend sind u.a. auch die intelligente Steuerung von Prothesen und Rollstühlen und neue Möglichkeiten der Telerehabilitation in der Versorgung der Patienten zu Hause.

Medienvertreter sind herzlich eingeladen die DGNR-Jahrestagung zu besuchen, sich über die Themen zu informieren und darüber zu berichten. Alle Informationen zur Tagung finden sie gesammelt im Netz unter www.dgnr-tagung.de – hier können Sie sich auch akkreditieren! Gern vermitteln wir ihnen Gesprächspartner für Interviews!

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Wolfgang Müller idw

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