Reichtum ist ein größeres Risiko als der Klimawandel

Wohlstand und Bevölkerungsdichte haben größeren Einfluss auf biologische Invasionen als Klima- und Landnutzungswandel.

Zu diesem Ergebnis kommt eine neue Studie von 26 internationalen Forschern. Gestiegener Wohlstand und eine gewachsene Bevölkerung, die zu einem Anstieg des internationalen Handels geführt haben, sind die stärksten Triebkräfte für die Ausbreitung gebietsfremder Tier- und Pflanzenarten, die Ökosysteme stören und verschiedenste Schäden in Natur und Landwirtschaft hervorrufen können.

Menschliche Faktoren wie Wohlstand und Demographie überdecken bei mehreren Gruppen von Lebewesen andere, natürliche Faktoren. Letztlich seien menschliche Aktivitäten für das Ansteigen von biologischen Invasionen und damit für den Rückgang der Einzigartigkeit heimischer Floren und Faunen verantwortlich, schreibt ein internationales Wissenschaftlerteam in der Onlineausgabe des Fachblatts PNAS.

Dabei hatten die Forscher Daten der DAISIE-Datenbank über gebietsfremde Tier- und Pflanzenarten in Europa ausgewertet. Das EU-Projekt DAISIE (Delivering Alien Invasive Species Inventories for Europe; www.europe-aliens.org) hatte in den vergangenen Jahren zum ersten Mal für die Länder Europas alle bekannten gebietsfremden Arten erfasst. Über 11.000 Arten sind es insgesamt in Europa. Am Projekt waren Forschungseinrichtungen und Organisationen aus 15 Nationen beteiligt, darunter auch das Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ). Für die neue Studie wurden die Anzahl dieser Arten in 55 Ländern und Regionen untersucht. Die Wissenschaftler wollten wissen: Welche geographischen, klimatischen und ökonomischen Faktoren bestimmen das Vorhandensein gebietsfremder Arten am besten? Denn gebietsfremde Arten können das Funktionieren von Ökosysteme stören und hohe Kosten durch landwirtschaftliche Schäden und gesundheitliche Probleme verursachen.

Für die Mehrzahl der Artengruppen konnten die Forscher die Häufigkeit von gebietsfremden Arten überraschend sicher unter Verwendung des Reichtums und der Einwohneranzahl der jeweiligen Gebiete vorhersagen. Am größten war die Anzahl fremder Arten in Gebieten mit hoher Bevölkerungsdichte und hohem Wohlstand. Spitzenwerte wurden in Regionen mit über 91 Einwohnern pro Quadratkilometer und über einem nationalem Reichtum von 250.000 US-Dollar pro Einwohner erreicht (z.B. Österreich, Spanien, Deutschland). „Invasive Arten sind größtenteils eine Folge des internationalen Handels. Wir konnten als erste zeigen, dass ökonomische und demographische Faktoren, also der menschliche Einfluss entscheidend für das Vorhandensein gebietsfremder Arten ist“, erläutert Prof. Petr Pysek von der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik in Prag. „Unsere Studie deutet daraufhin, dass natürliche Faktoren oft überschätzt und menschliche Faktoren oft unterschätzt worden sind.“ So sind viele biologische Invasionen auf den Tierhandel oder verunreinigte Agrarprodukte zurückzuführen.

Einfache Lösungen wird es nicht geben, betonen die Forscher. Der erste Schritt sei, die Mechanismen herauszufinden. Anschließend müsse das Monitoring verbessert werden und wahrscheinlich auch verschiedene Importvorschriften. „International fehlt es momentan immer noch an länderübergreifenden Abkommen, um dem Einschleppen von Arten effektiv begegnen zu können“, charakterisiert Dr. Marten Winter vom UFZ das Problem. Eine Herausforderung in der Zukunft wird sein, die einzelnen ökonomischen Faktoren zu bestimmen, die am meisten zum Problem der gebietsfremden Arten beitragen. „Nur wenn wir die wirklichen Einzelfaktoren herausfinden wird es möglich sein, biologische Invasionen vorherzusagen und zu managen“, sagt Dr. Ingolf Kühn vom UFZ. „Eine höhere Vorhersagegenauigkeit wird zweifellos helfen, Managementstrategien für gebietsfremde Arten zu entwickeln.“ So ist die Europäische Union im Moment dabei, eine Strategie gegen invasive Arten entwickeln.

Die Vereinten Nationen haben 2010 zum Internationalen Jahr der Biologischen Vielfalt erklärt. Ziel ist es, dass Thema biologische Vielfalt mit seinen vielen Facetten stärker in das öffentliche Bewusstsein zu rücken. Mit seiner Expertise trägt das UFZ dazu bei, die Folgen und Ursachen des Biodiversitätsverlustes zu erforschen sowie Handlungsoptionen zu entwickeln. Mehr dazu erfahren Sie unter:

http://www.ufz.de/index.php?de=16034 und http://www.ufz.de/data/ufz_spezial_april08_20080325_WEB8411.pdf

Die Biodiversitätsforschung in Deutschland ist auf zahlreiche Institutionen wie Hochschulen, außeruniversitäre Einrichtungen und Ressortforschung bis hin zu Naturschutzverbänden und Firmen verteilt. Das Netzwerk-Forum zur Biodiversitätsforschung, ein Projekt im Rahmen von DIVERSITAS-Deutschland, möchte der Forschungscommunity deshalb eine gemeinsame institutionsunabhängige Kommunikationsstruktur und -kultur anbieten. Mehr dazu erfahren Sie unter:

http://www.biodiversity.de/

Publikation:
Pyšek P., Jarošík V., Hulme P.E., Kühn I., Wild J., Arianoutsou M., Bacher S., Chiron F., Didžiulis V., Essl F., Genovesi P., Gherardi F., Hejda M., Kark S., Lambdon P.W., Desprez-Loustau A.-M., Nentwig W., Pergl J., Poboljšaj K., Rabitsch W., Roques A., Roy D.B., Solarz W., Vilà M. & Winter M. (2010): Disentangling the role of environmental and human pressures on biological invasions. – Proceedings of the National Academy of Sciences of the United States of America (PNAS), published online early on 7 June 2010
http://www.pnas.org/cgi/doi/10.1073/pnas.1002314107

Weitere fachliche Informationen:
Dr. Ingolf Kühn/ Dr. Marten Winter,
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Telefon: 0345 / 558-5311, -5316
http://www.ufz.de/index.php?en=821
http://www.ufz.de/index.php?en=7081
bzw. auf Englisch:
Prof. Petr Pyšek,
Academy of Sciences of the Czech Republic, Průhonice / Praha,
telephone +420 271015266
http://www.ibot.cas.cz/personal/pysek/
Prof. Philip E. Hulme,
The Bio-Protection Research Centre, Lincoln University, New Zealand.
telephone (64) (3) 321 8317, fax (64) (3) 325 3864
http://www.europe-aliens.org/expert.do?expertId=6386
Prof. Montserrat Vilà, Estación Biológica de Doñana, Sevilla, Spain,
telephone +34 954-232340 ext. 123
http://www.montsevila.org/
Prof. Wolfgang Nentwig, University of Bern, Switzerland,
telephone 0041-31-631-4520
http://www.zoology.unibe.ch/nentwig/
oder über
Tilo Arnhold (UFZ-Pressestelle)
Telefon: 0341-235-1635
E-mail: presse@ufz.de
Weiterführende Links:
Europas Pflanzenwelt verarmt – Damit kann die Fähigkeit sinken, auf Umweltveränderungen zu reagieren (Pressemitteilung vom 8. Dezember 2009):

http://www.ufz.de/index.php?de=19137

Ökologen bringen Preisschilder bei invasiven Arten an – Forschung zeigt Kosten der Schäden an Ökosystemen auf (Pressemitteilung vom 22. April 2009):

http://www.ufz.de/index.php?de=18001

Anzahl fremder Pflanzen in Europa deutlich gestiegen – Erstmals detaillierter Überblick verfügbar (Pressemitteilung vom 16. September 2008):

http://www.ufz.de/index.php?de=17176

DAISIE-Datenbank zu gebietsfremden Pflanzen und Tieren in Europa:
http://www.europe-aliens.org
EU-Strategie zur Bekämpfung invasiver Arten:
http://ec.europa.eu/environment/nature/invasivealien/index_en.htm
International Year of Biodiversity 2010:
http://www.cbd.int/2010/welcome/
Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg 900 Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.

http://www.ufz.de/

Die Helmholtz-Gemeinschaft leistet Beiträge zur Lösung großer und drängender Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft durch wissenschaftliche Spitzenleistungen in sechs Forschungsbereichen: Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Schlüsseltechnologien, Struktur der Materie, Verkehr und Weltraum. Die Helmholtz-Gemeinschaft ist mit fast 28.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 16 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 2,8 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Ihre Arbeit steht in der Tradition des Naturforschers Hermann von Helmholtz (1821-1894).

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