Private Banking steht Umbruch bevor

Eines der attraktivsten Segmente in der Finanzdienstleistungsbranche steht vor tiefgreifenden Veränderungen.

Die Profite der Banken im Geschäft mit vermögenden Kunden in Europa sind im letzten Jahr um 42% eingebrochen und erreichten damit nur noch das Niveau von 2003. Das verwaltete Kundenvermögen (Assets under Management, AuM) sank 2008 um durchschnittlich 15% auf den Stand von 2005. Das ergab der European Private Banking Survey 2009 der Unternehmensberatung McKinsey.

Die deutschen Privatbanken verzeichneten 2008 einen Rückgang der Nettomittelzuflüsse auf 2% nach 9% im Jahr 2007. Die Gewinnmargen verringerten sich 2008 um ein Drittel auf 19 BP. Im Jahr davor hatten sie noch 30 BP betragen. Die Fundamentaldaten lassen jedoch trotz des aktuellen Rückgangs langfristig eine solide Entwicklung erwarten. Gleichzeitig herrscht aber Unsicherheit über die mittelfristige Entwicklung. Die Szenarien für die nächsten drei Jahre reichen von einem gleichbleibenden Asset-Volumen bis zu einem Asset-Wachstum von 8% und mehr, je nachdem, wie schnell sich Wirtschaft und Finanzmärkte erholen.

Angesichts des starken Profitabilitätsrückgangs und der großen Ungewissheit müssen die Private Banker rasch reagieren. Die zunehmende Forderung der Kunden nach besseren Angeboten und transparenten Konditionen sowie neue regulatorische Rahmenbedingungen verstärken den Handlungsdruck weiter.

Für den European Private Banking Survey analysierte McKinsey die Finanzdaten sowie qualitative Informationen rund um Organisation, Produkt- und Serviceangebot, Vertriebs- und Beratungsmodell sowie Risiko- und Kostenmanagement von 103 Banken in 15 europäischen Ländern.

„Die Kundenforderung nach qualitativ hochwertiger Beratung war niemals stärker. Der Bedarf an Investment-Lösungen, die auf das aktuelle Marktumfeld und die Risikoneigung des Kunden optimal abgestimmt sind, erfordert eine deutliche Verbesserung des Beratungsansatzes bei vielen Privatbanken“, sagt Jens Hagel, Partner und Co-Autor des European Private Banking Survey von McKinsey.

Deutschland: größter Private-Banking-Markt weiterhin attraktiv

Deutschland ist der größte europäische Onshore-Markt im Private Banking mit rund 1.200 Mrd. EUR Vermögen. Davon werden mehr als die Hälfte von Privatbanken verwaltet. 2008 mussten deutsche Privatbanken einen Rückgang der Nettomittelzuflüsse auf 2% hinnehmen. Im Jahr davor hatten die Nettomittelzuflüsse noch 9% betragen.

Die durchschnittliche Investment-Performance lag in Deutschland bei -17% (Europa: -18%) gegenüber +1% im Jahr 2007 (Europa: 0%). Die Gewinnmargen gingen um ein Drittel auf 19 BP von 30 BP zurück. Die Ertragsmargen sanken von 87 BP auf 80 BP. Eine Verschiebung zwischen Anlageklassen und Produkten war die Ursache dafür. Der Anteil von Cash- und Rentenprodukten stieg von 49% auf 60%. Der Anteil aktiv gema¬nagter diskretionärer Mandate ist um 3 Prozentpunkte auf 20% zurückgegangen. Der Anteil strukturierter Produkte am verwalteten Vermögen hat sich halbiert.

Parallel zur Entwicklung in anderen Ländern stieg die Kostenmarge im deutschen Private Banking leicht von 57 BP (2007) auf 61 BP (2008). Dies führte zu einem Anstieg der Cost-Income Ratio von 66% (2007) auf 76% (2008) für die am Survey teilnehmenden Privatbanken.

Die Unterschiede zwischen den deutschen Privatbanken sind erheblich. Die Nettomittelzuflüsse lagen zwischen +14% und -3%. Dabei gibt es im europäischen Vergleich eine deutsche Besonderheit.

Einzelne traditionsreiche, spezialisierte Privatbanken hatten hierzulande hohe Zuflüsse zu verzeichnen. Wie im übrigen Europa hatte die Wahl der Privatbank eine deutliche Auswirkung auf die Portfolioentwicklung des Kundenvermögens. Die erzielte Investment-Performance lag hierzulande zwischen -6% und -25% in 2008.

Private Banking in Europa angeschlagen

Die AuM im europäischen Private Banking sanken im Jahr 2008 um durchschnittlich 15% auf das Niveau von 2005. Ein Grund dafür waren niedrigere Nettomittelzuflüsse von 3% im Jahr 2008 im Vergleich zu 8% im Jahr 2007. Mehr noch aber wirkte sich der Einbruch der Investment-Performance aus, die im Jahr 2008 bei -18% lag (2007: 0%; 2006: 6%). Insgesamt gleicht sich das Bild in den meisten europäischen Ländern, wobei die Bandbreite der Entwicklung bei den Nettomittelzuflüssen von 0% in Luxemburg bis 7% in Belgien reichte.

Universalbanken konnten den langfristigen Trend umkehren und entwickelten sich 2008 positiver als Spezialbanken. Onshore-Universalbanken verzeichneten im letzten Jahr durchschnittliche Nettomittelzuflüsse von 5% gegenüber 0% bei Onshore-Spezialisten, nach 8% bei Universalban¬ken und 11% bei Spezialisten im Jahr 2007.

Der operative Gewinn sank zwischen 2007 und 2008 branchenweit um 42% auf Grund rückläufiger Asset-Volumen und größeren Margendrucks. Die Gewinnmargen fielen im selben Zeitraum von 35 BP auf 26 BP.

Relativ betrachtet sanken die Ertragsmargen von 96 BP im Jahr 2007 auf 90 BP im Jahr 2008. Im vierten Quartal erreichten sie sogar ein Tief von 84 BP. Fast 5 BP dieses Rückgangs lassen sich zurückführen auf die Verschiebung zwischen Anlageklassen – hin zu margenschwächeren, risikoärmeren Anlageklassen wie Renten-, Cash- und Sparprodukte. Knapp 4 BP lassen sich erklären durch den rückläufigen Anteil an Managed Assets, sowohl bei diskretionären Mandaten als auch bei Investmentfonds. Diese Ertragseinbußen haben das operative Ergebnis erheblich belastet, da die Privatbanken nur langsam auf diese Veränderungen reagiert haben. Die Privatbanken konnten 2008 ihre Kostenbasis lediglich um 10% senken. Zudem mussten die Institute ihre Rückstellungen für Kreditausfälle auf durchschnittlich 30 BP erhöhen. Im Jahr 2007 lagen diese noch bei 10 BP.

Sicherheit vor Rendite

Die Kluft in der Anlageperformance zwischen europäischen Banken im oberen und unteren Quartil ist von 9 auf 18 Prozentpunkte gewachsen.

Nie war es wichtiger für die Portfolioperformance der Kunden, die richtige Bank gewählt zu haben. Die schwache Entwicklung mancher Portfolios hat das Vertrauen in Banken erschüttert. Die Private-Banking-Kundschaft beginnt Managed Assets zu meiden. Der Anteil diskretionärer Mandate ist von 24% auf 22% gesunken, der Anteil von Investmentfonds von 29% auf 25% der AuM zurückgegangen.

Der starke Rückgang bei Aktien (-39%) sowie Hedgefonds (-14%) und strukturierten Produkten (-30%) ist weitgehend auf die negative Performance der Anlageklassen zurückzuführen und nur in geringerem Maße auf Umschichtungen in Kundenportfolios. Innerhalb der einzelnen Anlageklassen legen Kunden zunehmend Wert auf Einfachheit, Transparenz und Sicherheit ihrer Anlagen. Der Schutz des Vermögens und die Vermeidung von Risiken sind zum obersten Gebot geworden. Der Anteil von Cash- und äquivalenten Produkten wie Tages- oder Termingelder hat deshalb 2008 deutlich um 25% zuge¬nommen; 35% der AuM in Europa werden in dieser Anlageklasse gehalten (2007: 27%).

Konsolidierungsdruck in Europa steigt

Zwischen 2000 und 2007 hat es nur wenige Fusionen und Übernahmen im europäischen Private Banking gegeben. Das könnte sich in den kommenden Jahren ändern. Angesichts der Verluste bei 11% der Banken im vierten Quartal 2008, einer möglicherweise länger anhaltenden Wirtschaftskrise und sich wandelnden gesetzlichen Rahmenbedingungen können einige Banken strukturell unprofitabel werden. Besonders kleinere Banken mit AuM von weniger als 5 Milliarden Euro werden unter Druck geraten. Einige Universalbanken können darüber hinaus gezwungen sein, ihr Private-Banking-Geschäft zu verkaufen, weil sie aus wirtschaftlichen Gründen restrukturieren müssen oder Auflagen von Regulierungsbehörden und staatlichen Geldgebern zu erfüllen haben. Daher zeichnet sich im Offshore-Geschäft eine weniger zersplitterte Branchenstruktur und in Onshore-Märkten eine homogenere Landschaft mit größeren Private-Banking-Einheiten von Universalbanken sowie ebenfalls größeren Spezialbanken ab.

Krise als Chance nutzen

Viele Banken haben bereits Maßnahmen zur Kostensenkung ergriffen und Kürzungen bei Marketingbudgets, neuen IT-Investitionen und Boni beschlossen. Sollte die Wirtschaft sich nicht schnell genug erholen, werden allerdings nachhaltigere Einschnitte erforderlich. „Ein strafferes Performance Management der Mitarbeiter, selektiver Personalabbau sowie die Aufgabe kleinerer Standorte können mögliche nächste Schritte sein“, sagt Jens Hagel. Gleichzeitig sollten Banken sich bemühen, das Vertrauen der Kunden in ihre Bank zu stärken. Beratungsansätze und Produktangebote sollten wesentlich besser auf die Kundenbedürfnisse und das Marktumfeld abgestimmt werden. Dabei können Aspekte wie Kapitalschutz und Transparenz im Fokus stehen, die für Kunden derzeit besonders wichtig sind. „Deutschland bleibt einer der interessantesten Private-Banking-Märkte in Westeuropa – augenblicklich wird hier rund ein Viertel der westeuropäischen AuM verwaltet. Für die Attraktivität des Standorts ist es jedoch wichtig, die Hausaufgaben zu erledigen, das Geschäftsmodell zu verbessern und sich um nachhaltige Profitabilitätssteigerungen zu kümmern. Dann werden die Banken für das neue Umfeld gerüstet sein“, sagt Jens Hagel.

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Holger Fischer presseportal

Weitere Informationen:

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