Neue Therapie bei Borderline-Störung

Es gibt Krankheiten, die haben auch ihr Gutes. So die Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS): Für nicht wenige Schauspieler, Musiker und Künstler ist sie die Quelle ihres Schaffens.

Denn „Borderliner“ leben besonders intensiv; sie haben starke Gefühle und leidenschaftliche, dramatische Beziehungen. Oft sind sie schillernde und faszinierende Menschen. Im Regelfall aber bedeutet die BPS vor allem eines für die Betroffenen und ihr Umfeld: viel Leid.

Für die Behandlung gibt es mehrere Therapieansätze – von denen einer, die „Übertragungs-fokussierte Psychotherapie“, besonders erfolgreich ist. Das hat der Psychosomatiker Prof. Dr. Stephan Doering von der Universität Münster jetzt mit einer groß angelegten Studie nachgewiesen.

Etwa ein bis zwei Prozent der Deutschen zeigen die typischen Kennzeichen der Borderline-Persönlichkeitsstörung: Die Patienten neigen zu Stimmungsschwankungen, verletzen sich selbst oder begehen Suizidversuche. Sie leben riskant und konsumieren oft Alkohol und Drogen. In Beziehungen suchen Borderliner große Nähe, die ihnen andererseits aber auch Angst macht, sobald sie da ist. Dann zerstören sie das Vertrauen oft abrupt.

Da diese Probleme den Betroffenen meist selbst bewusst sind, begeben sich viele von ihnen aus eigenem Antrieb in eine psychotherapeutische oder psychiatrische Behandlung. „In Fachkreisen gelten sie allerdings als schwierige Patienten, bei denen die üblichen Behandlungsformen nicht gut helfen“, erläutert Prof. Doering, der als Spezialist für Psychosomatik an der Zahnklinik des Uni-Klinikums Münster arbeitet.

Vor diesem Hintergrund habe die Wissenschaft in den letzten zwei Jahrzehnten spezielle Psychotherapieformen für BPS-Patienten entwickelt, so der Mediziner. Eine davon, die aus den USA stammende und in Deutschland seit Ende der 1990er Jahre eingesetzte „Übertragungs-fokussierte Psychotherapie“, untersuchte Doering zusammen mit einem von Team und Ärzten und Psychotherapeuten im Hinblick auf die Erfolgsaussichten: 104 Frauen mit einer Borderline-Störung erhielten nach dem Zufallsprinzip entweder diese Therapieform oder eine konventionelle Behandlung bei niedergelassenen Psychotherapeuten. Ergebnis: Nach einem Jahr in Behandlung ging es den Patienten, die die Übertragungs-fokussierte Psychotherapie erhalten hatten, deutlich besser. In dieser Gruppe gab es weniger Therapieabbrüche, weniger Suizidversuche und weniger Aufenthalte in psychiatrischen Kliniken. Außerdem entsprachen diese Probandinnen zu einem größeren Anteil nicht mehr den diagnostischen Kriterien der Borderline-Störung und kamen im sozialen Leben besser zurecht.

Das aufwändige Forschungsprojekt erstreckte sich über sechs Jahre und stellt die erste randomisiert-kontrollierte – also auf dem Zufallsprinzip und einer Vergleichsgruppe basierende – Psychotherapiestudie an Patienten mit Persönlichkeitsstörungen dar, die in Deutschland durchgeführt wurde. Für seine Ergebnisse erhielt Prof. Doering Ende März vom Deutschen Kollegium für Psychosomatische Medizin (DKPM) den renommierten Adolf-Ernst-Mayer-Preis für Psychotherapieforschung.

In seiner eigenen Fachdisziplin hofft der Hochschulmediziner nun auf einen Kurswechsel: „In den letzten Jahren wurden immer mehr spezielle Psychotherapien für bestimmte psychische Erkrankungen entwickelt und in ihrer Wirksamkeit überprüft. Zukünftig sollten wir uns darauf konzentrieren, Ärzte und Psychotherapeuten in diesen Verfahren auszubilden, damit die betroffenen Patienten vor Ort die optimale psychotherapeutische Versorgung erhalten können“, so der Psychosomatiker.

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Brigitte Nussbaum idw

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