Magersucht: Heilung am heimischen Herd

„Anorexia nervosa Magersucht ist die psychische Erkrankung mit der höchsten Mortalität und bei Mädchen die dritthäufigste chronische Erkrankung des Jugendalters“, erklärt Dr. Astrid Dempfle, Mitverfasserin der Studie; wie die habilitierte Medizinstatistikerin vom Institut für Medizinische Biometrie und Epidemiologie der Philipps-Universität ausführt, ist jedes 100ste bis 200ste Mädchen von dem Leiden betroffen, denn 40 Prozent aller Neuerkrankungen finden in der Jugend statt (Pubertätsmagersucht).

„Es gibt wenig effektive Therapiemethoden“, ergänzt Koautorin Dr. Nina Timmesfeld, Marburger Juniorprofessorin für Biometrie und Epidemilogie, „die Chronifizierungsrate ist sehr hoch.“

Die stationäre Behandlung in einer Klinik gilt bislang als die medizinische Maßnahme der Wahl. Jugendliche empfinden jedoch den Klinikaufenthalt, der oft Wochen oder Monate lang dauert, als sehr eingreifend und belastend. Die Patientinnen verlieren ihr soziales Umfeld, und es fällt ihnen oft schwer, das in der Therapie Erreichte auf zuhause zu übertragen.

Eine tagesklinische Behandlung kann daher eine Alternative sein, wie die aktuelle Untersuchung zeigt, die unter Federführung der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen entstand; aus Marburg war neben dem Institut für Medizinische Biometrie und Epidemiologie auch das Koordinierungszentrum für klinische Studien der Philipps-Universität beteiligt.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler verglichen die tagesklinische mit der stationären Behandlung im Rahmen einer Studie, die vom Bundesforschungsministerium mit knapp 725.000 Euro gefördert wurde. Zwölf Monate nach Therapiebeginn überprüften sie die Heilungsergebnisse – das Ergebnis: Patientinnen der Tageskliniken zeigten keine geringere Gewichtszunahme als Magersüchtige, die stationär behandelt wurden. Komplikationen traten dabei gleich häufig auf, waren insgesamt aber sehr selten. Sie erwiesen sich außerdem als gut beherrschbar. Die tagesklinische Behandlung war mit einer Kostenersparnis von 20 Prozent verbunden.

Nach einem Jahr hatten die Patientinnen der Tageskliniken weniger psychische Probleme und eine bessere psychosexuelle Entwicklung als ihre stationär behandelten Leidensgenossinnen. Die beteiligten Forscherinnen und Forscher hoffen nun, dass das Gesundheitssystem in Deutschland die tagesklinische Behandlung der Magersucht als übliches Behandlungsangebot etabliert.

Originalveröffentlichung: Beate Herpertz-Dahlmann & al.: Day-patient treatment after short inpatient care versus continued inpatient treatment in adolescents with anorexia nervosa (ANDI): a multicentre, randomised, open-label, non-inferiority trial, The Lancet 2014, doi: 10.1016/S0140-6736(13)62411-3, Online-Vorabveröffentlichung: http://www.thelancet.com/journals/lancet/article/PIIS0140-6736(13)62411-3/abstra…

Weitere Informationen:
Ansprechpartnerin: Juniorprofessorin Dr. Nina Timmesfeld,
Institut für Medizinische Biometrie und Epidemiologie
Tel. 06421 28-65797
E-Mail: timmesfn@staff.uni-marburg.de

Homepage des Forschungsverbunds zu Essstörungen: http://www.ednet-essstoerungen.de/

Media Contact

Johannes Scholten idw - Informationsdienst Wissenschaft

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Studien Analysen

Hier bietet Ihnen der innovations report interessante Studien und Analysen u. a. aus den Bereichen Wirtschaft und Finanzen, Medizin und Pharma, Ökologie und Umwelt, Energie, Kommunikation und Medien, Verkehr, Arbeit, Familie und Freizeit.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neue universelle lichtbasierte Technik zur Kontrolle der Talpolarisation

Ein internationales Forscherteam berichtet in Nature über eine neue Methode, mit der zum ersten Mal die Talpolarisation in zentrosymmetrischen Bulk-Materialien auf eine nicht materialspezifische Weise erreicht wird. Diese „universelle Technik“…

Tumorzellen hebeln das Immunsystem früh aus

Neu entdeckter Mechanismus könnte Krebs-Immuntherapien deutlich verbessern. Tumore verhindern aktiv, dass sich Immunantworten durch sogenannte zytotoxische T-Zellen bilden, die den Krebs bekämpfen könnten. Wie das genau geschieht, beschreiben jetzt erstmals…

Immunzellen in den Startlöchern: „Allzeit bereit“ ist harte Arbeit

Wenn Krankheitserreger in den Körper eindringen, muss das Immunsystem sofort reagieren und eine Infektion verhindern oder eindämmen. Doch wie halten sich unsere Abwehrzellen bereit, wenn kein Angreifer in Sicht ist?…

Partner & Förderer