Was macht gute Aufsichtsratsarbeit aus?

Die zunehmende Regulierung der Unternehmensführung und -kontrolle in den letzten Jahren hat die alltägliche Arbeit von Aufsichtsräten kaum verändert. Das ist das Ergebnis einer Studie, in deren Rahmen 181 Aufsichtsräten durch das Reinhard-Mohn-Institut an der Universität Witten/Herdecke interviewt wurden. Die Ergebnisse wurden den Befragten jetzt in Witten vorgestellt.

Die Wirtschaftswissenschaftler untersuchten dabei insbesondere den Umgang mit der Unternehmensmitbestimmung, die Nominierung neuer Aufsichtsratsmitglieder, die erhöhten Anforderungen im Prüfungsausschuss, das Führungsverhalten des Aufsichtsratsvorsitzenden sowie den Zusammenhang zwischen Vergütung und Motivation.

Der bestehende rechtliche Rahmen kann, so die Ergebnisse der Studie, z.B. bei der Mitbestimmung für das Unternehmen Mehrwert stiften, wenn sich sowohl Anteilseigner- als auch Arbeitnehmervertreter von ihrer Rolle als reine Interessenvertreter lösen und sich dadurch eine Vertrauenskultur zwischen beiden Bänken entwickelt. In einigen Fällen gelingt eine solche Form des „pragmatischen Arrangements“, in anderen ist ein offener Konflikt nahezu unvermeidbar. Einer der Interviewpartner bringt es wie folgt auf den Punkt: „Sobald Sie eine Spaltung des Gremiums in zwei Bänke haben, ist die Effizienz eigentlich dahin“.

Ähnlich verhält es sich mit dem Nominierungsausschuss: Gedacht ist er als ein Gremium, das Kandidaten für die Posten im Aufsichtsrat vorschlagen soll. Im Alltag, so die Studie, verändern sich mit ihm die Nominierungsprozesse kaum, sie werden oft weiterhin von einem informellen Tandem aus Aufsichtsrats- und Vorstandsvorsitzendem bestimmt.

Beim Prüfungsausschuss führen die gesetzlichen Bestimmungen zunehmend zu einer reinen juristischen Absicherung. Die hohen Anforderungen an die Mitglieder des Prüfungsausschusses lassen die Angst vor haftungsrechtlichen Konsequenzen wachsen. So konzentrieren sich die Mitglieder zunehmend auf die Erfüllung der Gesetze anstatt sich ihre notwendige Autonomie zu erhalten.

Die zweite Erkenntnis des Forschungsprojekts besteht darin, dass den Aufsichtsräten zu Unrecht ein zu großes Misstrauen entgegenbracht wird: In der Diskussion über die „richtige“ Vergütungsstruktur werde oftmals angenommen, es handele sich bei Aufsichtsräten um opportunistische Eigennutzoptimierer, die ihr Verhalten von ihrer Bezahlung abhängig machten. In der Praxis trifft dies jedoch nur selten zu und die Bedeutung der Vergütung wird überbewertet. „Also wenn mir jemand 40.000 € bezahlt, damit ich motivierter bin, will ich sie schon nicht mehr haben“ ist dabei eine typische Aussage der Befragten.

Andererseits wird der Effekt eines Wechsels vom Vorstand in den Aufsichtsrat oftmals überschätzt. Vielmehr lassen sich in der Praxis unterschiedliche Verhaltensweisen und Rollenverständnisse von Aufsichtsratsvorsitzenden finden, die einen deutlich größeren Einfluss auf die Aufsichtsratsarbeit haben als beispielsweise der Aspekt, ob jemand unmittelbar vom Vorstand in den Aufsichtsrat gewechselt ist. „Der Aufsichtsratsvorsitzende“, so ein Studienteilnehmer, „sei eben derjenige welcher“.

„Auch ausgefeilte rechtliche Regelungen bringen nicht automatisch gute Aufsichtsräte und eine gute Aufsicht zu Stande“, fasst Prof. Dr. Michèle Morner, geschäftsführende Direktorin des Reinhard-Mohn-Instituts die Ergebnisse zusammen. „Eine zu starke Regulierung kann schnell auch negative Effekte auf Engagement und Motivation der Aufsichtsratsmitglieder haben und somit die Qualität der Aufsichtsratsarbeit zum Schlechten beeinflussen. Ist das Gremium nicht um seine Arbeit bemüht, findet es zu keiner produktiven Form der Zusammenarbeit.“ Andererseits setze Regulierung Mindeststandards und könne für Orientierung sorgen.

Weitere Informationen bei Prof. Dr. Michèle Morner, 02302/926-517, michele.morner@uni-wh.de, www.uni-wh.de/rmi

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