Lohnentwicklung in Europa droht deutliche Abschwächung

Im Jahr 2009 sind die Tarflöhne in der Eurozone durchschnittlich um 2,6 Prozent angestiegen. Der Tariflohnzuwachs lag damit deutlich unterhalb der Steigerungsrate von 3,2 Prozent, die im Boomjahr 2008 erzielt wurde, aber oberhalb der Vorjahre 2007 (2,1 Prozent) und 2006 (2,3 Prozent).

Zu diesem Ergebnis gelangt der neue Europäische Tarifbericht des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung in der aktuellen Ausgabe der WSI Mitteilungen. Deutschland lag mit einer Tariflohnsteigerung von 2,6 Prozent im europäischen Mittelfeld. Die Spannbreite reichte von Finnland mit einer nominalen Tariflohnerhöhung von 3,9 Prozent bis zu Frankreich mit 2,3 Prozent (siehe Abbildung 1 in der pdf-Version dieser PM; Link unten).

Nach Ansicht des WSI-Tarifexperten und Autors des Europäischen Tarifberichtes Dr. Thorsten Schulten zeichnet sich für das Jahr 2010 ein noch deutlicherer Rückgang der Tariflohnerhöhungen ab. So ist der Tariflohnindex der Europäischen Zentralbank (EZB) im vierten Quartal 2009 nur noch um 2,1 Prozent angestiegen. „Unter dem Vorzeichen der Krise suchen viele Unternehmen ihr Heil in weiteren Kostensenkungen, während die Beschäftigten umso mehr bereit sind, auf Lohnerhöhungen zu verzichten, wenn sie ihren Arbeitsplatz in Gefahr sehen“, so Schulten.

In vielen europäischen Ländern erheben die Arbeitgeber derzeit die Forderung, die Löhne einzufrieren oder treten sogar offen für Lohnkürzungen ein. Hinzu kommt, dass in einigen Ländern – wie das aktuelle Beispiel Griechenland zeigt – die Regierung aufgrund der hohen Haushaltsdefizite unter Druck gerät, die Löhne im öffentlichen Dienst zu kürzen.

Die aktuelle Krise in Europa hängt nach Ansicht von Schulten auch mit der höchst ungleichen Entwicklung der Löhne innerhalb des letzten Jahrzehnts zusammen. So ist der EZB-Indikator für die preisliche Wettbewerbsfähigkeit, der auf Basis der Lohnstückkostenentwicklung ermittelt wird, zwischen 1999 und Herbst 2009 für Deutschland um 13,5 Prozent gestiegen. Damit hat sich die Position der deutschen Exportwirtschaft gegenüber allen anderen europäischen Ländern deutlich verstärkt. Bei wichtigen europäischen Handelspartnern ging die relative preisliche Wettbewerbsfähigkeit zwischen 1999 und 2009 hingegen teilweise deutlich zurück: In Frankreich um 2,7 Prozent, in den Niederlanden um 8,7 Prozent, in Spanien um 11,9 Prozent, in Griechenland um 12,4 Prozent und in Irland um 16,7 Prozent (siehe Abbildung 2 in der pdf-Version).

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung hält Schulten den sich abzeichnenden europaweiten Wettlauf um möglichst große Lohnzurückhaltung oder gar -kürzungen für besonders problematisch „Wollten Länder wie Griechenland, Irland und Spanien heute in ihrer preislichen Wettbewerbsfähigkeit mit Deutschland gleichziehen, so müssten sie theoretisch ihre Löhne auf einen Schlag um mehr als 20 Prozent kürzen.“

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Rainer Jung Hans-Böckler-Stiftung

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