Auch von legalen Waffen geht Gefahr aus

Dies gilt nicht nur im Kontext von Amokläufen wie im Fall des 17-Jährigen aus Winnenden, der mit einer Waffe seines Vaters in seiner Schule ein Massaker angerichtet hat, sondern auch bei Familiendramen und anderen Tötungsdelikten im sozialen Umfeld.

Zu diesem Ergebnis kamen Max-Planck-Forscher um den Kriminologen Dietrich Oberwittler bei einer Studie, mit der sie 400 Fälle solcher „Amokläufe im Privaten“ untersuchten.

In Deutschland sterben jährlich rund 550 Menschen bei Tötungsdelikten. „Die meisten Opfer waren mit dem Täter entweder verwandt oder bekannt“, skizziert Oberwittler den charakteristischen Hintergrund dieser Familientragödien.

Seit Mitte des Jahres 2006 untersucht er zusammen mit Kollegen am Freiburger Institut 400 solcher Fälle. Zum Täterprofil konnte er dabei genaue Vorstellungen entwickeln. „Es handelt sich meist um einen männlichen Täter, der mit oftmals legal erworbenen Schusswaffen seine Ehefrau, Partnerin, Kinder oder andere Verwandte tötet und in vielen Fällen anschließend Selbstmord begeht.“

Schusswaffen seien in 15 Prozent dieser untersuchten Fälle im Spiel gewesen – diese aber wiederum zu 55 Prozent auf legalem Wege in den Besitz des Täters gelangt. Für sich betrachtet, erschienen diese Zahlen nicht besonders spektakulär, meint der Kriminologe. Doch in anderem Zusammenhang offenbare sich hier das große Gefahrenpotenzial, das auch von Waffen ausgeht, die auf legalem Wege in Privatbesitz gelangt seien. „Man kann auf der Basis dieser Ergebnisse annehmen, dass in Deutschland jedes Jahr etwa 20 bis 25 Menschen bei einem Tötungsdelikt innerhalb der Familie oder Partnerschaft durch eine Schusswaffe im legalen Besitz des Täters sterben.“

Mit seinen Ergebnissen sieht Oberwittler Resultate der internationalen kriminologischen Forschung bestätigt. Diese zeige, dass eine große Verbreitung von Schusswaffen in Privathaushalten wie in den USA und der Schweiz die Wahrscheinlichkeit von Suiziden und Tötungsdelikten (insbesondere mit mehreren Opfern) erhöhe. „Neben einer Affinität zu Waffen bei so genannten 'Waffennarren' begünstigt auch die reine Verfügbarkeit von Schusswaffen Familientragödien und Amokläufe wie den aktuellen in Winnenden“, stellt er fest. Die Täter entstammten in sehr vielen Fällen unauffälligen sozialen Milieus und verfügten oft über ein hohes Bildungsniveau. Sein Fazit: „Diese Erkenntnisse weisen eindrücklich auf die Gefährdungen durch privaten Waffenbesitz hin, sowohl im Hinblick auf Amokläufe als auch in Hinblick auf die weniger spektakulären, aber häufigeren familiären Tötungsdelikte.“ Daher sehen Oberwittler und seine Kollegen die jetzt entfachte politische Diskussion über weitere Einschränkungen des privaten Waffenbesitzes in Deutschland positiv: „Auch wenn Deutschland bereits strenge Waffengesetze hat, so kann doch jede weitere Verminderung der Anzahl von Waffen im Privatbesitz zu mehr Sicherheit vor tödlicher Gewalt beitragen“, so ihr Fazit.

Weitere Informationen erhalten Sie von:

Priv.-Doz. Dr. phil. Dietrich Oberwittler
Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht, Freiburg
Tel.: +49 761 7081-219
Fax: +49 761 7081-294
E-Mail: d.oberwittler@mpicc.de

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Barbara Abrell Max-Planck-Gesellschaft

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