Landnutzung Leipzigs im Querschnitt – 136 Jahre als Basis für zukünftige Szenarien

Dazu hatten die Forscher Daten zur Landnutzung in der Region Leipzig ausgewertet, die auf topografischen Karten von 1870 bis 2006 beruhen. Entlang eines Schnitts, der quer vom westlichen Stadtrand über das Zentrum bis zum östlichen Stadtrand von Leipzig verläuft, wurden diese Daten genau analysiert.

Dieser so genannte Stadt-Umland-Gradient biete einen viel versprechenden Ansatz, erstmals historische Daten in eine Auswertung der momentanen Landnutzung einzubeziehen, schreiben die Wissenschaftler im Fachblatt Journal of Land Use Science.

Anhand des so genannten Stadt-Umland-Gradienten konnten die Wissenschaftler sowohl solche Bereiche in der Stadtregion identifizieren, die sich über die lange Zeit kaum verändert haben (z.B. die entlang des Auwalds gelegenen Stadtquartiere), als auch solche, die einen tiefgreifenden Wandel erlebt haben (im Bereich des Flughafens Leipzig-Halle). Die Bebauungsdichte ist heute auf die Fläche bezogen geringer als vor 1945. Bei der Analyse zeigte sich auch, dass sich der Durchmesser des Stadtgebietes ungleichmäßig vergrößerte: 1870 hatte das Gebiet, in dem die Wohnbebauung gegenüber der landwirtschaftlichen Fläche vorherrschte, einen Durchmesser von rund drei Kilometern. 1940 waren es schon zehn, 1989 über 14 und 2006 knapp 16 Kilometer Durchmesser.

Derart dicht wie in der Gründerzeit, wo bis zu knapp 70 Prozent der Fläche bebaut waren, ging es später jedoch nicht mehr zu. Nach der Wende kam es sogar zu einer starken Ausdünnung: Lebten 1990 rund 3500 Personen pro Quadratkilometer in Leipzig, so waren es 2006, auch aufgrund von Eingemeindungen, nur noch 1700 Personen. Die Fläche an Wohnland stieg dagegen leicht an von 2500 auf 2730 Hektar. „Leipzig ist verglichen mit anderen Städten in Deutschland immer noch eine relativ kompakte Stadt mit einer deutlichen Abgrenzung zum Umland, die sich rund zehn Kilometer vom Zentrum entfernt abzeichnet“, erklärt Prof. Dagmar Haase.

2006 war der Altersdurchschnitt in den Vierteln am Rande der Innenstadt (drei Kilometer von der Stadtmitte) wie Neustadt-Neuschönefeld oder Volkmarsdorf am jüngsten und in den sich stadtauswärts anschließenden Vierteln (sechs Kilometer von der Stadtmitte) wie Sellerhausen oder Grünau am höchsten. Die durchschnittliche Anzahl an Personen pro Haushalt nimmt zum Stadtrand hin kontinuierlich zu, das Durchschnittsalter hingegen ab, was nach einer aktuellen Studie des Bundesamtes für Raumordnung und Raumforschung auch jüngste Trends aus der Mehrzahl der deutschen Städte zeigen.

Leipzig ist ein typisches Beispiel für eine große ostdeutsche Stadt, die alle Anzeichen einer Renaissance der Innenstadtbereiche bei gleichzeitigen Schrumpfungstendenzen in anderen Stadtteilen und am Rand zeigt. Am Ende des Mittelalters entwickelte sich Leipzig zu einer der ersten Handelsmetropolen Mitteleuropas. Im Zeitalter der Industrialisierung wuchs die Stadt ab 1870 drastisch. Auf dem Höhepunkt des Wachstums lebten Anfang der 1930er Jahre über 700.000 Menschen in der Stadt. Zu dieser Zeit war Leipzig die viertgrößte Stadt Deutschlands (in seinen heutigen Grenzen. Nach 1945 verlor Leipzig seine frühere ökonomische und administrative Bedeutung. Die Einwohnerzahl nahm seit 1960 ab. Nach der Wende sank die Bevölkerungszahl durch Deindustrialisierung und Abwanderung rapide, während der Flächenverbrauch anstieg, da die Stadt ins Umland hinauswuchs. „An den Rändern von Leipzig lassen sich die Folgen einer verfehlten Subventionspolitik der frühen 1990er Jahren beispielhaft beobachten“, erläutert Prof. Henning Nuissl. Mit dem Auslaufen der entsprechenden Fördermaßnahmen hat auch der Prozess des Siedlungsflächenwachstums bereits ab der zweiten Hälfte der 1990er Jahre wieder deutlich nachgelassen.

Die Studie ist eine von mehreren, die im Rahmen des EU-Forschungsprojektes PLUREL entstanden, das von 2007 bis 2010 unter anderem auch die Region Leipzig-Halle untersuchte. Unter der Leitung der Universität Kopenhagen wurde das Projekt von 31 Partnerorganisationen in 14 europäischen Ländern und China bearbeitet. In PLUREL („Peri-urban Land Use Relationships“, www.plurel.net) wurden fachübergreifend vier Szenarien für Europa im Jahr 2025 entwickelt. Darauf aufbauend sind zukünftige Landnutzungsänderungen in europäischen Stadtregionen im Allgemeinen und speziell für sechs Fallstudien erforscht worden: Haaglanden, Koper, Leipzig-Halle, Manchester, Montpellier und Warschau. Zum Vergleich wurde die chinesische Stadt Hangzhou herangezogen. In diesen Fallstudien wurde weiterhin die Effizienz räumlicher Planungen bewertet. Ziel des Projekts war die Entwicklung von Werkzeugen, die die Landnutzungsänderungen sowie ihre Auswirkungen analysieren und visualisieren sowie die Formulierung von Handlungsempfehlungen für die Planungspraxis. Dazu zählt zum Beispiel die Software „MOLAND-Light“, mit der für jede städtisch-ländliche Region in Europa nach eigenen Vorgaben Szenarien zur Landnutzungsänderung erstellt werden können – also auch für die Region Leipzig-Halle mit einer Gesamteinwohnerzahl von über einer Million Menschen. Solche Szenarien können zum Beispiel als Diskussionsgrundlage für die zukünftige Entwicklung einer Region eingesetzt werden.

Weitere fachliche Informationen:
Prof. Dagmar Haase
Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) & Humboldt Universität zu Berlin
Tel.: 0341-235-1950& 030-2093-9445
http://www.ufz.de/index.php?de=4576
http://www.geographie.hu-berlin.de/Members/1683340
und
Prof. Dr. Henning Nuissl
Humboldt Universität zu Berlin & Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Tel: 030-2093-6811 & 0341-235-1792
http://www.ufz.de/index.php?de=1657
http://www.geographie.hu-berlin.de/Members/1683516
oder über
Tilo Arnhold, UFZ-Pressestelle
Tel.: 0341-235-1635
E-mail: presse@ufz.de
Publikation:
Haase, Dagmar and Nuissl, Henning (2010): The urban-to-rural gradient of land use change and impervious cover: a long-term trajectory for the city of Leipzig, Journal of Land Use Science, 5: 2, 123 – 141
http://dx.doi.org/10.1080/1747423X.2010.481079
Die Studie wurde vom EU-Projekt PLUREL gefördert.
Die Helmholtz-Gemeinschaft leistet Beiträge zur Lösung großer und drängender Fragen von Gesellschaft, Wissenschaft und Wirtschaft durch wissenschaftliche Spitzenleistungen in sechs Forschungsbereichen: Energie, Erde und Umwelt, Gesundheit, Schlüsseltechnologien, Struktur der Materie, Verkehr und Weltraum. Die Helmholtz-Gemeinschaft ist mit fast 28.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 16 Forschungszentren und einem Jahresbudget von rund 2,8 Milliarden Euro die größte Wissenschaftsorganisation Deutschlands. Ihre Arbeit steht in der Tradition des Naturforschers Hermann von Helmholtz (1821-1894).
http://www.helmholtz.de
Im Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) erforschen Wissenschaftler die Ursachen und Folgen der weit reichenden Veränderungen der Umwelt. Sie befassen sich mit Wasserressourcen, biologischer Vielfalt, den Folgen des Klimawandels und Anpassungsmöglichkeiten, Umwelt- und Biotechnologien, Bioenergie, dem Verhalten von Chemikalien in der Umwelt, ihrer Wirkung auf die Gesundheit, Modellierung und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen. Ihr Leitmotiv: Unsere Forschung dient der nachhaltigen Nutzung natürlicher Ressourcen und hilft, diese Lebensgrundlagen unter dem Einfluss des globalen Wandels langfristig zu sichern. Das UFZ beschäftigt an den Standorten Leipzig, Halle und Magdeburg 900 Mitarbeiter. Es wird vom Bund sowie von Sachsen und Sachsen-Anhalt finanziert.
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