Landkarte der Leiharbeit: Neue WSI-Datenbank zeigt Daten für jeden Land- und Stadtkreis

In mehr als 30 Städten waren hingegen im Juni 2008 zwischen fünf und zwölf Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten davon betroffen. Damit spielte die Leiharbeit auf verschiedenen regionalen Arbeitsmärkten kurz vor der Wirtschaftskrise eine weitaus größere Rolle, als bundesweite Durchschnittszahlen vermuten lassen. Das macht eine neue Datenbank des Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts (WSI) in der Hans-Böckler-Stiftung deutlich, die am heutigen Donnerstag frei geschaltet wird.

Auf Basis der Beschäftigtenstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) dokumentiert das WSI-Informationsportal erstmals für jeden der 429 Stadt- und Landkreise in der Bundesrepublik, wie viele Menschen in so genannten atypischen Beschäftigungsverhältnissen stehen und wie sich die atypische Beschäftigung in den vergangenen Jahren entwickelt hat. Dazu weist die Datenbank, die im Internet abrufbar ist, neben der Leiharbeit auch den regionalen Umfang von Teilzeitbeschäftigung und Minijobs aus sowie die Zahl so genannter Ein-Euro-Jobs (Arbeitsgelegenheiten). Die Daten zur Leiharbeit sind zusätzlich in einer interaktiven Deutschlandkarte aufbereitet (Links am Fuß dieser PM). Die Wissenschaftler arbeiten in der Datenbank mit den Juni-Werten, weil diese häufig nahe am Jahresdurchschnitt liegen und daher für den mehrjährigen Vergleich gut geeignet sind.

Ende Juni 2008, so die derzeit verfügbaren Zahlen, gab es in Deutschland so viele Leiharbeiter wie nie zuvor: Gut 700.000 Menschen arbeiteten laut BA-Beschäftigtenstatistik bei Zeitarbeitsfirmen – 84 Prozent mehr als 2005. Doch trotz des Booms: Im bundesweiten Durchschnitt machten Zeitarbeiter auch vor Beginn der Wirtschaftskrise lediglich 2,5 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten aus.

Wie sich die Leiharbeit tatsächlich übers Land verteilt, zeigt die neue Datenbank des WSI: In rund 60 Prozent der Kreise und kreisfreien Städte lag der Leiharbeiter-Anteil 2008 unter dem Bundes-Mittel. In knapp 40 Prozent war er hingegen höher – teilweise deutlich. Kaum eine Rolle spielt die Leiharbeit in knapp 100 Kreisen oder Städten. Dagegen waren in gut 80 Regionen mindestens 3,5 Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten Zeitarbeiter.

Relativ hohe Quoten ab fünf Prozent Leiharbeiteranteil weist die Feinanalyse für 32 Gebiete aus. Dabei handelt es sich überwiegend um mittelgroße Städte mit 50.000 bis 200.000 Einwohnern. In Orten wie Heilbronn, Plauen, Braunschweig, Ulm, Zwickau, Eisenach, Landshut, Wolfsburg oder Ansbach arbeiteten im Juni 2008 sechs bis zwölf Prozent der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten für eine Verleihfirma. Relativ häufig sind Städte mit Leiharbeits-Intensivnutzung industriell geprägt.

„Unsere Daten deuten darauf hin, dass die Leiharbeit vor Ausbruch der Krise zumindest regional auf dem Weg war, zu einer durchaus bedeutsamen Beschäftigungsform zu werden“, sagt WSI-Forscher Alexander Herzog-Stein. Dabei berge diese Beschäftigungsform für Arbeitnehmer deutliche Risiken: Sie werden oft schlechter bezahlt und sind häufig nur einige Monate in Folge bei einem Verleihunternehmen beschäftigt – oft zu kurz, um etwa einen Anspruch auf Arbeitslosengeld I zu erwerben. „Nach allem, was wir wissen, haben nach Ausbruch der Krise viele Tausend Leiharbeiter ihre Beschäftigung verloren“, so Herzog-Stein. „In Gegenden mit hohem Leiharbeiter-Anteil könnte das zu einem erheblichen Problem für den regionalen Arbeitsmarkt werden.“

Weitere Informationen:
http://www.boeckler.de/320_96968.html – Die PM mit Ansprechpartnern
http://www.boeckler.de/pdf/leiharbeit_interaktiv.swf – Interaktive Landkarte
http://www.boeckler.de/datyp/ – Datenbank atypische Beschäftigung
http://www.boeckler.de/32014_96797.html – Infografik zum Download im Böckler Impuls

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