Kindesmisshandlung gibt es in allen Bevölkerungsgruppen

Das ist das Ergebnis einer Studie der Universitätsklinik und Poliklinik für Kinder und Jugendliche am Kinderzentrum der Universität Leipzig, die in Zusammenarbeit mit der Klinik und Poliklinik für Kinderchirurgie am Kinderzentrum der Universität Leipzig sowie der Selbstständige Abteilung für Medizinische Psychologie und Medizinische Soziologie der Universität Leipzig entstand und deren Ergebnisse jetzt zur Veröffentlichung gelangt. Zusätzlich ergab die Studie, dass Ärzte in zwei Drittel der untersuchten Fälle diejenigen waren, die als erste den Verdacht äußerten, dass Misshandlungen vorliegen.

Sechseinhalb Jahre lang erfassten die an der Studie beteiligten Mediziner alle Fälle von Kindern, die mit der Diagnose Misshandlung am Kinderzentrum behandelt wurden.

Besonders hoch fiel dabei die Zahl der Fälle aus, in denen die Kinder körperlich misshandelt wurden. Sichtbares Zeichen dafür waren meist Blutergüsse an Oberschenkeln und Oberarmen, aber auch die Gesichts- und Halsregion der Kinder war betroffen. Außerdem mussten die Ärzte des Kinderzentrums Knochenbrüche diagnostizieren, darunter auch schwere Schädelfrakturen.

Im Gegensatz zu dem häufig geäußerten Verdacht, dass vor allem in sozial schwachen, süchtigen und arbeitslosen Familien Kinder misshandelt würden, stellten die Leipziger Mediziner fest, dass der Beruf der Eltern keinen Rückschluss auf eine mögliche Kindesmisshandlung zulässt.

Auch das Alter der Mütter und Väter war entgegen den Erwartungen für keine Misshandlungsform der Studie relevant. Auffällig war jedoch, dass 53 Prozent der Mütter und 10 Prozent der Väter in den erfassten Fällen allein erziehend waren. Aufgrund der hohen Zahlen wertet die Studie die alleinige Erziehung durch ein Elternteil als einen potentiellen Risikofaktor für Kindesmisshandlung in Leipzig. Eine mögliche Ursache ist nach Ansicht der Mediziner, dass allein erziehende Eltern akut oder latent überfordert sind.

Nicht unterschätzt werden darf der Studie zufolge die Vernachlässigung als Form der Kindesmisshandlung. Sie stellt nach der körperlichen Misshandlung die in Leipzig zweithäufigste Form der Misshandlung dar. Dabei wurden sowohl die Fälle der körperlichen wie auch die der emotionalen Vernachlässigung gezählt. Allerdings warnen die Ärzte, dass die Fälle emotionaler Vernachlässigung in der Studie aller Wahrscheinlichkeit nach unterrepräsentiert sind. Besonders bei dieser Misshandlungsform sei die Dunkelziffer vermutlich enorm hoch, zumal die betroffenen Kinder und Jugendlichen äußerlich oft unversehrt sind.

In der Studie hielten die Leipziger Mediziner auch fest, dass die gesetzlichen Vorsorgeuntersuchungen von den betroffenen Eltern meist gar nicht oder nur in sehr geringem Umfang eingehalten wurden. So lässt sich auch erklären, warum lediglich in 18 Prozent der untersuchten Fälle die Misshandlung durch einen niedergelassenen Kinderarzt festgestellt werden konnte. Meist waren es Notärzte (21 Prozent) oder die Klinikärzte (61 Prozent), die den Verdacht der Misshandlung aussprachen. Hinweise gab es jedoch auch aus den Familien selbst sowie von Betreuungspersonen wie etwa Kindergärtnern oder Lehrern. Jörg Aberger

Weitere Informationen:
Prof. Dr. Wieland Kiess
Telefon: 0341 97-26000
E-Mail: wieland.kiess@medizin.uni-leipzig.de

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Dr. Bärbel Adams Universität Leipzig

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