Finanzkompetenz der Deutschen wird beleuchtet

Die Fähigkeit, das eigene Geld gut zu verwalten, ist in Deutschland wenig entwickelt. Ältere Anleger gehen an der Börse hohe Risiken ein und „verzocken“ das Geld für ihre Altersvorsorge, Jugendliche häufen Handyschulden an, die sie nicht mehr ohne Hilfe begleichen können, Verbraucher befriedigen ihre Bedürfnisse auf Kredit mit oft zu hohen Zinsen.

„Deutschland ist in Sachen Finanzkompetenz ein weißer Fleck auf der Landkarte“, sagt Univ.-Prof. Dr. Klaus Breuer von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU). Dies hat negative Folgen nicht nur für den einzelnen Betroffenen, sondern für die gesamte Volkswirtschaft. Studien zeigen, dass besonders junge Erwachsene Orientierung benötigen, um mit ihrem Geld klarzukommen. Erstmals wird nun in einem internationalen Forschungsprojekt untersucht, welche Merkmale für die Ermittlung von Finanzkompetenz wichtig sind, um auf dieser Basis internationale Vergleichsstudien zu initiieren. Das Projekt wird von Klaus Breuer, Professor für Wirtschaftspädagogik, und seinem indischen Kollegen Sunil Behari Mohanty geleitet und ist von der World Education Research Association (WERA) eingerichtet worden.

Die Einstellung „Über Geld spricht man nicht“ scheint in Deutschland nach den Worten von Breuer nicht nur im gesellschaftlichen Austausch, sondern auch in unserem Bildungssystem tief verankert zu sein. In den Schulen wird selbstverantwortliches Wirtschaften, wenn überhaupt, als fächerübergreifendes Prinzip betrachtet und fällt dann mangels Verpflichtung oft unter den Tisch.

Die Problematik dieser weitverbreiteten Ignoranz zeigt sich nicht zuletzt in der Verschuldung, die gerade unter jungen Erwachsenen in den letzten zehn Jahren erheblich zugenommen hat. Nach Angaben des Bankenverbandes waren 2012 ca. 8 Prozent der jungen Erwachsenen zwischen 18 und 24 Jahren überschuldet – wobei dies nur die „öffentlich bekannte“ Überschuldung umfasst, denn viele Jugendliche leihen sich das Geld im privaten Umfeld, in der Familie oder bei Freunden.

Ist die Situation in anderen Ländern vergleichbar? Im Rahmen des neuen Forschungsprojekts „Financial Literacy – a 21st Century Skill” wird nun eine Basispublikation erarbeitet, das „First international Handbook on Financial Literacy“. Es soll 2014 erscheinen und die Situation in den verschiedenen Ländern widerspiegeln. Anfänglich beteiligen sich außer Deutschland und Indien Forschende in den USA, Großbritannien, der Schweiz, Australien und Singapur an dem International Research Network. In einem parallelen Schritt werden die zunächst sieben Teilnehmer lokale Studien durchführen, die aufeinander abgestimmt sind, um die Ergebnisse vergleichen zu können. Bei der Jahrestagung der US-Gesellschaft für Erziehungswissenschaft vom 27. April bis 1. Mai 2013 in San Francisco werden die Initiatoren das neue Projekt vorstellen und versuchen, weitere Länder als Partner zu gewinnen.

„Im internationalen Vergleich können wir sehen, was andere Länder anders machen und von ihnen lernen“, sagt Breuer mit einem Hinweis auf Singapur, wo bereits in den Schulen, aber auch in Unternehmen die Altersvorsorge ein Thema ist. Aufgrund von Pilotstudien an seinem Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik weiß der Wissenschaftler bereits, dass es für künftige Anforderungen in Sachen „ökonomische Bildung“ nicht ausreichen wird, nur Wissen zu vermitteln. „Pure Wissensvermittlung ist nicht genug, sondern wir müssen zum Beispiel auch die Einstellung der Jugendlichen zu Geld und seiner Funktion als Macht- und Statussymbol in den Blick nehmen.“ Wenn Familien mit ihrem Geld produktiv umgehen, schlägt sich dies auf die gesamte Volkswirtschaft positiv nieder. „Finanzkompetenz heißt, dass jeder seine finanziellen Ressourcen so verwaltet, dass er seine individuellen Verwirklichungschancen fördert und Armut verhindert“, so Breuer. „Gesellschaftlich gesehen geht es beim Thema Finanzkompetenz um die Ertragskraft unseres Wirtschaftssystems.“

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Univ.-Prof. Dr. Klaus Breuer
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Univ.-Prof. Dr. Klaus Breuer
Lehrstuhl für Wirtschaftspädagogik I
Abteilung Wirtschaftswissenschaften
Johannes Gutenberg-Universität Mainz (JGU)
D 55099 Mainz
Tel. +49 6131 39-22004
Fax +49 6131 39-25784
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