Wie Erwachsene ins Leben finden

Schule, Ausbildung, Beruf, Hochzeit, Kinder, Haus, Baum! Was vor 50 Jahren als idealer Lebensentwurf galt, wird zwar heute immer noch angestrebt, durch vielfältige gesellschaftliche Veränderungen ist der Weg dorthin jedoch unwägbarer und vielgestaltiger geworden. Die Persönlichkeit des Einzelnen nimmt beim Erwachsenwerden daher eine zunehmend entscheidendere Rolle ein.

Um herauszufinden, wie junge Erwachsene heute ins Leben finden, begleitet der Psychologe Prof. Dr. Franz J. Neyer von der Friedrich-Schiller-Universität Jena etwa 650 von ihnen während einer Langzeitstudie. Sie begann 1995, als die Teilnehmer etwa 24 Jahre alt waren, und kann jetzt fortgesetzt werden. Die Deutsche Forschungsgemeinschaft unterstützt das Projekt für die nächsten zwei Jahre mit 85.000 Euro. „Im Mittelpunkt unserer gesamten Untersuchung steht der Zusammenhang zwischen Persönlichkeits- und Beziehungsentwicklung“, erklärt Prof. Neyer. „Denn in keinem anderen Lebensabschnitt finden so starke Persönlichkeitsveränderungen statt.“

Nach Befragungen 1995, 1999 und 2003 wollen die Forscher nun herausfinden, wie sich die Persönlichkeit während des Übergangs zum mittleren Lebensalter verändert. „Spannend an dieser Phase ist, dass sich das Leben vieler Personen erst mit Anfang 40 langsam konsolidiert hat“, erklärt der Jenaer Psychologe. „Sie haben beruflich Fuß gefasst, Familien gegründet und sich auch örtlich eingerichtet. Im Vergleich zu früheren Generationen beginnt diese Phase inzwischen spät.“ Bereits am Beginn dieses fünften Lebensjahrzehnts stellen sich die meisten Menschen die Frage: Was sind die wichtigen Ziele in meinem Leben? Welches Wissen und welche Fähigkeiten habe ich, die auch meinen Kindern von Nutzen sein können?

Einige der Befragten werden jedoch freiwillig oder unfreiwillig einen anderen Weg gegangen sein als die Personen mit Familie, haben erste Lebenskrisen – etwa durch Trennungen oder Arbeitslosigkeit – hinter sich. „Uns interessiert besonders, was aus den Partnerbeziehungen geworden ist“, nennt Neyer einen Schwerpunkt der neuen Studie. „Die Erfahrung hat uns beispielsweise gezeigt, dass die erste Liebesbeziehung ein wichtiger Schritt beim Erwachsenwerden ist. Menschen, die diese in jungen Jahren nicht erlebt haben, fehlt ein ausschlaggebender Teil im Reifeprozess.“ Auch das soziale Netz nehmen die Psychologen der Universität Jena genauer unter die Lupe. So können sie bestätigen, dass mit zunehmendem Alter die Verbindungen zu Familie und Freunden immer intensiver werden, während oberflächlichere Beziehungen an den Rand treten.

Mit der repräsentativen Längsschnittstudie können die Forscher um Professor Neyer auch Schlussfolgerungen auf unsere Gesellschaft ziehen: „Individuelle Entwicklungsverläufe sind vielfältiger geworden. Die Persönlichkeit hat deshalb einen viel stärkeren Einfluss auf die Gestaltung des eigenen Lebens“, erklärt der Jenaer Psychologe. „Normative Rahmenbedingungen, die das Leben der Elterngeneration noch flankierten, sind bei unseren jungen Erwachsenen weniger stark vorgegeben.“ Deshalb werde auch die Persönlichkeitspsychologie für die Untersuchung des sozialen Wandels – ein Schwerpunktthema der Jenaer Universität – in Zukunft eine wichtige Rolle spielen.

Kontakt:
Prof. Dr. Franz J. Neyer
Institut für Psychologie der Universität Jena
Humboldtstraße 11, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 945160
E-Mail: franz.neyer[at]uni-jena.de

Media Contact

Sebastian Hollstein idw

Weitere Informationen:

http://www.uni-jena.de

Alle Nachrichten aus der Kategorie: Studien Analysen

Hier bietet Ihnen der innovations report interessante Studien und Analysen u. a. aus den Bereichen Wirtschaft und Finanzen, Medizin und Pharma, Ökologie und Umwelt, Energie, Kommunikation und Medien, Verkehr, Arbeit, Familie und Freizeit.

Zurück zur Startseite

Kommentare (0)

Schreiben Sie einen Kommentar

Neueste Beiträge

Neue universelle lichtbasierte Technik zur Kontrolle der Talpolarisation

Ein internationales Forscherteam berichtet in Nature über eine neue Methode, mit der zum ersten Mal die Talpolarisation in zentrosymmetrischen Bulk-Materialien auf eine nicht materialspezifische Weise erreicht wird. Diese „universelle Technik“…

Tumorzellen hebeln das Immunsystem früh aus

Neu entdeckter Mechanismus könnte Krebs-Immuntherapien deutlich verbessern. Tumore verhindern aktiv, dass sich Immunantworten durch sogenannte zytotoxische T-Zellen bilden, die den Krebs bekämpfen könnten. Wie das genau geschieht, beschreiben jetzt erstmals…

Immunzellen in den Startlöchern: „Allzeit bereit“ ist harte Arbeit

Wenn Krankheitserreger in den Körper eindringen, muss das Immunsystem sofort reagieren und eine Infektion verhindern oder eindämmen. Doch wie halten sich unsere Abwehrzellen bereit, wenn kein Angreifer in Sicht ist?…

Partner & Förderer