Epidemien mit hoher Opferzahl führen zu stagnierenden Löhnen und sinkenden Kapitalerträgen

Das ist das Ergebnis einer Studie, für die Wirtschaftswissenschaftler der TU Darmstadt und der schwedischen Universität Lund die wirtschaftlichen Effekte der Spanischen Grippe in Schweden untersucht haben.

Die Spanische Grippe hatte zwischen 1918 und 1920 weltweit zwischen 50 und 100 Millionen vorwiegend junge Todesopfer gefordert und gilt als die verheerendste Seuche des 20. Jahrhunderts. In Schweden starben rund 38.000 Menschen, etwa ein Prozent der Bevölkerung, an den Folgen der Spanischen Grippe.

„Nach den üblichen makroökonomischen Modellen wäre zu erwarten, dass aufgrund der starken Dezimierung der Arbeitskräfte die Löhne der Überlebenden steigen und die Erträge von Kapitalanlagen sinken – doch während die Kapitalerträge in Schweden nach der Spanischen Grippe erwartungsgemäß sanken, stagnierten die Löhne, anstatt zu steigen. In der Folge kamen auf jeden Grippetoten vier Überlebende, die in die Armut abglitten“, erklärt Prof. Dr. Martin Karlsson von der TU Darmstadt, der die Studie zusammen mit seinem Darmstädter Kollegen Stefan Pichler und Dr. Therese Nilsson von der Lund University erstellt hat.

Makroökonomische Modelle unterschätzen Gefahr für Weltwirtschaft

Das Ergebnis der Studie widerspricht damit sowohl den herkömmlichen ökonomischen Modellen als auch den Ergebnissen ähnlicher Studien zu den Effekten mittelalterlicher Pestepidemien. Diese hatten nach Epidemien mit einer hohen Opferzahl durchweg starke Lohnanstiege für die Überlebenden bei gleichzeitig sinkenden Kapitalerträgen festgestellt.
„Unsere Ergebnisse zeigen jedoch, dass die Spanische Grippe in Schweden zu einem regelrechten ökonomischen Schock führte. Das könnte darauf hinweisen, dass die makroökonomischen Modelle die wirtschaftlichen Folgen einer weltweiten Epidemie bisher dramatisch unterschätzen“, so Karlsson, der die detaillierten Ergebnisse der bislang noch nicht publizierten Studie Anfang der Woche auf einer Tagung der britischen Royal Economic Society präsentierte.

Die Wirtschaftswissenschaftler hatten für ihre Studie das Beispiel Schweden gewählt, da hier umfangreiche und qualitativ hochwertige ökonomische Daten der schwedischen Verwaltung aus der Zeit der Spanischen Grippe vorliegen. Zudem hatte Schweden nicht am Ersten Weltkrieg teilgenommen und war von diesem daher auch nur mittelbar ökonomisch betroffen.

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Jörg Feuck idw

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