Deutschland braucht weiter Zuwanderer – auch aus Nicht-EU-Staaten

Wie nach den bereits veröffentlichten Zahlen für die ersten drei Quartale zu erwarten war, verzeichnete Deutschland im vergangenen Jahr die höchsten Zuwanderungszahlen des neuen Jahrtausends, genauer gesagt seit 1995.

Dies gilt sowohl für die Zahl der Zuzüge, die mit knapp 1,1 Millionen 13 Prozent über dem Vorjahresniveau lag, als auch für den Wanderungsüberschuss, der mit 369.000 Personen sogar um knapp ein Drittel höher ausfiel als 2011. Vor dem Hintergrund des drohenden Fachkräftemangels ist dies für Deutschland eine erfreuliche Entwicklung, die auch verdeutlicht, dass die Arbeitnehmerfreizügigkeit der EU immer besser funktioniert.

Darauf, dass Deutschland in Zukunft immer mehr auf qualifizierte Zuwanderer angewiesen sein wird, hat das Berlin-Institut in seiner Studie „Nach Punkten vorn – Was Deutschland von der Zuwanderungs- und Integrationspolitik Kanadas lernen kann“ hingewiesen. Denn ohne Wanderungsüberschüsse würde selbst bei steigenden Erwerbsquoten, also wenn mehr Frauen und mehr Ältere beschäftigt wären, die Zahl an Erwerbspersonen bis 2050 von derzeit knapp 42 Millionen auf 29 Millionen Menschen zurückgehen. Eine Nettozuwanderung von jährlich 200.000 Menschen könnte diesen Rückgang etwa um die Hälfte abfedern.

Das Berlin-Institut weist insbesondere darauf hin, dass Deutschland sich nicht langfristig darauf verlassen kann, all seine Zuwanderer aus EU-Ländern rekrutieren zu können. Zwar steigt derzeit vor allem die Zuwanderung aus der EU und macht inzwischen knapp zwei Drittel der Gesamtzuwanderung aus. Doch bleibt unklar, wie viele der Neuzuwanderer mit der Absicht gekommen sind, permanent zu bleiben. Zudem sind Wanderungsströme innerhalb der EU äußerst volatil und können sich mit sich verändernder Konjunktur schnell umkehren. All dies deutet darauf hin, dass Deutschland auch der Zuwanderung von Personen aus Nicht-EU-Ländern vermehrte Aufmerksamkeit schenken sollte. Dies ist unter anderem mit der sogenannten Blue-Card-Richtlinie bereits geschehen. Trotzdem lohnt sich auch weiterhin ein Blick über den nationalen Tellerrand. Kanada verzeichnet große Erfolge beim Anwerben Hochqualifizierter anhand eines Punktesystems, das Zuwanderer vorwiegend nach deren Fähigkeiten und Kenntnissen auswählt, etwa dem Bildungsstand oder den Sprachfähigkeiten.

Die Autoren der Studie kommen nicht nur zu dem Schluss, dass Kanada bei der rechtlichen Ausgestaltung von Zuwanderungskriterien als Vorbild dienen kann, sondern auch bei der Integration der Neuankömmlinge. Dieser Aspekt ist auch für die innereuropäische Zuwanderung relevant. Denn während Integration in Deutschland immer noch vorwiegend als nachholender Prozess im Sinne der Bildungschancen von Zuwandererkindern verstanden wird, kümmert sich Kanada aktiv um jeden Neuankömmling – immer mit dem Ziel, ihn oder sie so schnell wie möglich in den Arbeitsmarkt zu integrieren und mittelfristig zu kanadischen Staatsbürgern zu machen. Als besonders erfolgversprechend haben sich dabei sogenannte Bridging Programs erwiesen, die Zuwanderern helfen, Qualifikationen zu erlangen, die ihnen zu einem erfolgversprechenden Berufseinstieg fehlen. Gerade bei der Verzahnung von Theorie und Praxis – in Kanada etwa über Mentoren- und Praktikumsprogramme gelöst – identifizieren die Autoren Nachholbedarf in Deutschland. Ebenso stellt das Berlin-Institut in Frage, inwiefern das in den Integrationskursen erreichte Sprachniveau für berufliche Zwecke geeignet ist und deckt Schwachstellen in der Koordination der verschiedenen Akteure auf.

Die Studie erhalten Sie kostenlos unter
http://www.berlin-institut.org/publikationen/studien/nach-punkten-vorn.html

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