Die deutsche Arbeitslosenstatistik ist seit Hartz IV transparenter als in anderen Ländern

Aus der Studie geht hervor, dass gerade in den als arbeitsmarktpolitisch erfolgreich geltenden Ländern Dänemark, Großbritannien, den Niederlanden und Schweden die offizielle Arbeitslosigkeit wesentlich enger abgegrenzt wird und die Arbeitslosenzahlen folglich kleiner gerechnet werden als hierzulande.

Die relativ niedrigen Arbeitslosenquoten in diesen Ländern gehen mit hohen Invaliditätsraten einher. Beispielsweise liegt der Anteil der Bezieher von Erwerbsunfähigkeitsrenten in den Niederlanden bei rund acht Prozent, in Großbritannien bei rund sieben Prozent, in Deutschland aber nur bei drei Prozent aller Personen im erwerbsfähigen Alter. Würde man die strengere deutsche Definition von Erwerbsfähigkeit in diesen Ländern anwenden, wäre ein beträchtlicher Teil der Sozialleistungsbezieher dort als erwerbsfähig einzustufen – und dann auch in der Arbeitslosenstatistik verzeichnet.

In den Niederlanden würde sich dadurch die Arbeitslosenquote mehr als verdoppeln. Schwedische Forscher schätzten die Unterbeschäftigungsquote in ihrem Land im Jahr 2005 sogar auf über 20 Prozent – bei einer offiziell ausgewiesen Arbeitslosenquote von sechs Prozent.

Statistik der Bundesagentur für Arbeit weist mehr Arbeitslose aus als die internationale ILO-Statistik

Die Statistik der internationalen Arbeitsorganisation (International Labour Organization, abgekürzt ILO) beruht auf einem in allen Ländern identischen Erhebungsverfahren. Die Arbeitslosenstatistik der Bundesagentur für Arbeit weist mehr Arbeitslose aus als die ILO-Statistik für Deutschland. In Schweden liegen die Zahlen der nationalen Arbeitsmarktstatistik dagegen um fast 30 Prozent, in Großbritannien um 40 Prozent und in den Niederlanden sogar um mehr als 45 Prozent unter den ILO-Zahlen für das jeweilige Land.

1,15 Millionen Personen bilden die „stille Reserve“

Um das gesamte Ausmaß der Unterbeschäftigung in Deutschland abschätzen zu können, müsse man auch die derzeit 1,15 Millionen Menschen in der sogenannten „stillen Reserve“ in die Betrachtung einbeziehen, so das IAB. Zur stillen Reserve gehören diejenigen, die keine Beschäftigung haben, grundsätzlich aber erwerbsbereit wären und aus den verschiedensten Gründen nicht in der Arbeitslosenstatistik erscheinen. Manche ziehen sich vom Arbeitsmarkt zurück, da sie keine Chancen für sich sehen, andere gehen vorzeitig in Rente oder nehmen an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen wie einer beruflichen Weiterbildung teil. Beschäftigte in Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen oder Ein-Euro-Jobs werden dagegen nicht zur stillen Reserve gezählt; im statistischen Sinne gelten sie als erwerbstätig. Berücksichtigt man alle diese Faktoren, lag die Unterbeschäftigung im weiteren Sinne im Jahr 2008 bei rund fünf Millionen.

„Die Arbeitslosenstatistik sollte offen legen, wie viele Menschen tatsächlich ein Beschäftigungsproblem haben“, betont das IAB. Das Institut hat sich daher unlängst gegen Regelungen ausgesprochen, Personen in der Statistik nicht als arbeitslos zu erfassen, weil sie von beauftragten externen Vermittlern statt von Arbeitsagenturen betreut werden.

Die IAB-Studie im Internet: http://doku.iab.de/kurzber/2009/kb0409.pdf

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Wolfgang Braun idw

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