Bildungswildwuchs zwischen Schule, Ausbildung und Beruf in NRW

Im Übergangssystem „Schule – Ausbildung – Beruf“ in Nordrhein-Westfalen sind Strukturen, Abläufe und Akteure kaum noch überschaubar.

Der Wildwuchs an Programmen, Maßnahmen und Bildungsgängen auf den unterschiedlichen Ebenen – Kommunen, Land, Bund – sei vor allem nicht aufeinander abgestimmt mit dem Ergebnis, dass Akteurs-Konstellationen, Teilnehmerzahlen sowie Umfang und Wirkung der eingesetzten Mittel weitgehend im Dunkeln liegen. Das zeigt eine aktuelle Studie, die das Institut Arbeit und Technik (IAT / FH Gelsenkirchen) im Auftrag der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft und der Max-Traeger-Stiftung zum Übergangssystem in Nordrhein-Westfalen durchgeführt hat.

Insgesamt wurden 126 Initiativen, Programme, Bildungsgänge und Maßnahmen ermittelt, die in Nordrhein-Westfalen im Jahr 2010 vom Bund, vom Land und von der Bundesagentur für Arbeit angeboten wurden. Nach Schätzungen der IAT-Wissenschaftler lag der Bestand des Übergangssystems (unter Berücksichtigung von Bildungsgängen im Übergang, Maßnahmen der Bundesagentur für Arbeit und Altbewerbern) in NRW im Jahr 2009 bei 140 000 bis 150.000 Teilnehmer/innen. Im Vergleich zu den 71.418 Neuzugängen ins Übergangssystem im gleichen Jahr ist das mehr als das Doppelte. „Ein Drittel von ihnen, nahezu 50.000 junge Menschen haben in Nordrhein-Westfalen auch zwei Jahre nach Eintritt in eine Übergangsmaßnahme keine Chance auf eine qualifizierte Ausbildung“, kritisieren die IAT-Bildungs-Forscher. „Viele bleiben hängen, keiner weiß, warum!“

Im Hinblick auf die Finanzstrukturen im Übergang kommt die Studie zu dem Ergebnis, dass in NRW im Jahr 2009 von Land, Bund und Bundesagentur für Arbeit im Übergang Mittel in Höhe von schätzungsweise rund 800 Mio. Euro mobilisiert wurden, allein das Land NRW ist mit rd. 440 Mio. Euro eigenen Mitteln (Berufskollegs und Fördermittel) beteiligt. Im Teilbereich „Akteure und Steuerungsinstrumente“ tendiert der Informations- und Datenstand gegen Null, mussten die IAT-Forscher feststellen. So liegen etwa zur Anzahl und zu den Qualifikationen der im Übergangssystem tätigen Fachkräfte keine belastbaren Angaben vor. Selbst unter Experten der Berufsbildung reichen die Schätzungen von 30.000 bis 100.000 Mitarbeitern bundesweit. „Angesichts der davon betroffenen Jugendlichen und der hier eingesetzten öffentlichen Mittel ist das ein Sachverhalt, der nicht länger hinzunehmen ist, weil sonst alle Bemühungen, das Übergangssystem in Nordrhein-Westfalen effizienter zu gestalten, von vornherein zum Scheitern verurteilt sein werden“.

Solche Effizienzsteigerungen halten die IAT-Wissenschaftler für unvermeidbar, weil zur besseren beruflichen Integration vieler Jugendlicher des heutigen Übergangssystems vermutlich zunächst einmal höhere Mittelaufwendungen entstehen, die demographiebedingte Kosteneinsparungen im Berufsbildungssystem weit in die Zukunft hinausschieben dürften. Zudem seien die Kosten einer beruflichen Nachqualifizierung von Altbewerbern nicht zu unterschätzen, die trotz Ausbildungswunsch keine qualifizierende Ausbildung absolvieren konnten. Der immer lauter werdende Ruf nach den Kommunen, die es im Übergang zwischen Schule, Ausbildung und Beruf richten sollen, werde allenfalls als „weiße Salbe“ wahrgenommen, solange die finanziellen Spielräume der Kommunen einem stärken Engagement im Übergang enge Grenzen setzen.

Weitere Informationen: http://www.iat.eu/aktuell/veroeff/2011/gew.pdf

Ihre Ansprechpartner:
Dr. Michael Krüger-Charlé, Tel.: 0209/1707-122, E-Mail: kruegerc@iat.eu;
Claudia Braczko
Pressereferentin
Institut Arbeit und Technik
der Fachhochschule Gelsenkirchen
Telefon: 0209/1707-176
E-Mail: braczko@iat.eu

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