Mit Sport gegen chronische Müdigkeit

„Trink doch mal eine starke Tasse Kaffee oder schlaf dich ordentlich aus.“

Diesen Satz hört Sandra K. oft von wohlmeinenden Freunden. Denn die Brustkrebs-Patientin leidet unter Fatigue, der chronischen Müdigkeit bei Krebs. Doch mit „einer Tasse Kaffee“ ist es nicht getan: „Das Fatigue-Syndrom lässt sich selbst durch ausreichend Schlaf nicht beheben“, erklärt Professor Dr. Manfred Heim von der Onkologischen Rehabilitationsklinik Sonnenberg, Bad Sooden-Allendorf.

In einer Studie, welche die Deutsche Krebshilfe mit fast 80.000 Euro fördert, setzt er ein spezielles Sportprogramm ein. Dabei untersucht der Wissenschaftler die Effektivität dieses Programms und dessen konkrete Auswirkung auf die Lebensqualität von Brustkrebs-Patientinnen mit chronischer Fatigue. Die Studie erfolgt in Kooperation mit der Universität Göttingen.

Auch nach Abschluss ihrer Krebstherapie ist Sandra K. ständig müde. Jede Bewegung ist enorm anstrengend und oft schläft sie sogar tagsüber auf dem Sofa einfach ein. Dieser extreme Erschöpfungszustand nach Krebs – Fatigue genannt – ist eine Begleiterscheinung, die viele Krebs-Patienten belastet und den Weg zurück in den Alltag erschwert. Während der Therapie tritt diese ausgeprägte Müdigkeit bei nahezu allen Betroffenen auf. Bei fast der Hälfte der Patienten sind die Beschwerden jedoch auch nach dem Abschluss der Behandlung noch vorhanden und bessern sich auch durch ausreichende Ruhepausen nicht.

„Zunächst sollte der Arzt abklären, ob beispielsweise Blutarmut oder Hormonmangel die Ursachen für das Fatigue-Syndrom sind“, erklärt Heim. „In den meisten Fällen ist jedoch eine unterstützende Therapie erforderlich, die Beratung, Gruppengespräche und ein körperliches und mentales Training mit einbezieht.“ Vor allem leichte sportliche Aktivitäten hält der Onkologe und Sportmediziner für sehr wichtig, um das Fatigue-Syndrom zu lindern. Im Rahmen der Studie untersucht er jetzt die Effektivität des Trainingsprogramms „Fitness trotz Fatigue“ bei Brustkrebs-Patientinnen. Dieses Programm hat er gemeinsam mit der Deutschen Fatigue Gesellschaft entwickelt.

Bei der Studie werden 140 Brustkrebs-Patientinnen in zwei Gruppen eingeteilt: Trainingsgruppe 1 erhält das Standard-Rehabilitationsprogramm entsprechend den Leitlinien der Deutschen Rentenversicherung. Dazu zählen unter anderem Entspannungsübungen, Lymphdrainagen sowie ein funktionelles Bewegungs- und Ausdauertraining. Im Unterschied dazu werden die Teilnehmer der Trainingsgruppe 2 durch einen Sportwissenschaftler in das strukturierte Übungsprogramm „Fitness trotz Fatigue“ eingewiesen. Sie machen zusätzlich zum Standardprogramm Kraftübungen und ein spezielles Ausdauertraining. Das Besondere daran: Die Patientinnen sollen die Übungen auch zu Hause bis drei Monate nach der Entlassung aus der Rehabilitationsklinik weiter durchführen. Zudem sind sie angehalten, die Anzahl der Wiederholungen der einzelnen Übungen und die Trainingsdauer auf einem Fitnessbogen aufzuschreiben. „Diese Dokumentation dient den Betroffenen vor allem als Motivations- und Erinnerungshilfe“, erläutert Heim. Bei allen Patientinnen wird ein körperlicher Leistungstest am Anfang und am Ende der Rehabilitation durchgeführt. Zusätzlich werden die Patientinnen befragt zu ihrem Müdigkeitszustand, ihrer Lebensqualität und ob sie unter Angst oder Depression leiden.

Die Studie soll die Hypothese erhärten, dass das Übungsprogramm „Fitness trotz Fatigue“ Patientinnen zum Training motiviert und zu verbesserter Lebensqualität ohne Fatigue führt. „Es gibt bereits viele Daten aus kleineren Untersuchungen, die den Effekt der Bewegungstherapie bei chronischer Fatigue belegen. Bis heute fehlen jedoch randomisierte Studien, die nicht nur kurzfristige, sondern auch mittel- oder langfristige Effekte einbeziehen. Hier kann das vorgestellte Projekt eine Lücke schließen“, so Heim. „Sollten die Patientinnen das Sportprogramm gut alleine zu Hause durchführen können, könnte es auch im ambulanten Bereich zur Behandlung von chronischer Fatigue eingesetzt werden.“ – Damit Betroffene wie Sandra K. nach erfolgreicher Therapie wieder ein normales Leben führen können.

Informationen zu Brustkrebs und Fatigue

Brustkrebs ist die häufigste Krebserkrankung der Frau: Jährlich erkranken über 55.000 Frauen in Deutschland neu daran. Eine der häufigsten Begleiterscheinungen ist Fatigue: ein Zustand massiver körperlicher, geistiger und emotionaler Erschöpfung. Chronische Fatigue kann bis zu fünf Jahre oder länger nach der Therapie andauern. Die genauen Ursachen für Fatigue sind noch weitgehend unbekannt. Häufig liegt eine Blutarmut (Anämie) vor. Bei der Deutschen Krebshilfe können die allgemeinverständlichen blauen Ratgeber „Brustkrebs“ und „Fatigue“ bestellt werden: Deutsche Krebshilfe, Postfach 1467, 53004 Bonn, und im Internet als PDF abgerufen werden unter www.krebshilfe.de.

Media Contact

Deutsche Krebshilfe e. V.

Weitere Informationen:

http://www.krebshilfe.de

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