Deutsche Aufsichtsräte sind unterbezahlt!

Teure Dienstwagen, schicke Anzüge, dicke Zigarren – das typische Klischee deutscher Aufsichtsräte. Eine Behauptung fällt in diesem Zusammenhang allerdings nie: Aufsichtsräte in Deutschland verdienen zu wenig.

Die Studenten der Wirtschaftsfakultät der Universität Witten/Herdecke Christian Jünger und Timm Tiller haben im Rahmen einer kurz vor der Publikation stehenden Studie für das Institut für Corporate Governance die Gehälter von deutschen Aufsichtsräten mit denen ihrer englischen Kollegen verglichen. Mit deutlichem Ergebnis, denn in Großbritannien verdient der so genannte Chairman etwa dreimal soviel. Dafür nehmen die Briten ihre Arbeit anscheinend auch ernster als die Deutschen und das hat auch kulturelle Gründe.

„Wir hatten schon mit Unterschieden bei der Vergütung gerechnet, dass sie jedoch derart krass ausfallen, haben wir so nicht erwartet“, sagt Christian Jünger. Während ein deutsches Aufsichtsratsmitglied im Schnitt zwischen 160.000 und 185.000 Euro pro Jahr verdient, streicht der englische Chairman durchschnittlich über eine halbe Million Euro ein. Zusammen mit seinem Studienpartner Timm Tiller analysierte Jünger die Gehaltslisten der Aufsichtsräte von allen 30 im DAX gelisteten Unternehmen und verglich sie mit denen von 30 Unternehmen an der Londoner Börse FTSE.

„Für das Maß an Verantwortung, dass solch ein Amt mit sich bringt, ist der Aufsichtsrat in Deutschland zu schlecht bezahlt“, sagt Jünger. Er investiert aber auch deutlich weniger Zeit in seine Aufgaben, als sein britischer Kollege. Dies lässt allein schon die Zahl der Sitzungen vermuten, die etwa doppelt so hoch liegt wie in Deutschland. „Hierzulande ist das Amt des Aufsichtsrates eher eine Art Ehrenamt, in Großbritannien hingegen ist der Stellenwert für diese Position ein anderer“, erklärt Christian Jünger.

Nun stellt sich auch die Frage, inwieweit die Bezahlung deutscher Aufsichtsräte mit dem derzeit täglich spürbaren Mangel an Unternehmensaufsicht zusammenhängt. „Wir haben hier deutliche Defizite“, sagt der Managing Director des Instituts für Corporate Governance (ICG) der Universität Witten/Herdecke, Maxim Nohroudi. „Nehmen Sie nur die Beispiele von schlechter Aufsicht bei der WestLB, der SachsenLB, der Mittelstandsbank IKB oder bei Siemens“, so Nohroudi. Offensichtlich sei man in Deutschland kulturell noch nicht so weit, den Posten des Aufsichtsrats als professionellen Job zu betrachten, der entsprechend vergütet werden müsse. Dies zeige zumindest der Blick auf Großbritannien.

„Letztlich lässt sich der Stellenwert der Aufsichtsräte in Deutschland nur interdisziplinär beantworten“, so Maxim Nohroudi, „da müssen soziologische, kapitalmarkttheoretische, gesellschaftsrechtliche sowie psychologische Aspekte berücksichtigt werden“. Dies sei Aufgabe des ICG, welches insbesondere die Führungssysteme von Unternehmen und Körperschaften untersucht.

Weitere Informationen: Maxim Nohroudi, Tel. 02302/926-575, E-Mail: maxim.nohroudi@uni-wh.de, Institut für Corporate Governance | ICG, Internet: http://www.uni-wh.de/icg

Forschungsoffensive 2007
Mit der Forschungsoffensive bieten wir einen konzentrierten Einblick in die Vielfalt der Forschungsthemen, die derzeit an der Universität Witten/Herdecke bearbeitet werden. Dabei berichten wir nicht nur über laufende Projekte aus den Bereichen Medizin, Biologie und Wirtschaftswissenschaften. Neben interessanten Zwischenergebnissen stehen auch Forschungsarbeiten im Mittelpunkt, die bereits kurz vor ihrer Publikation stehen.

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Janine Binczyk Uni Witten/Herdecke

Weitere Informationen:

http://www.uni-wh.de/icg

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