Wird Arbeit von Hartz IV-Empfängern anerkannt?
In den Augen führender Arbeitspsychologen ist die Gleichsetzung von Arbeit und Gelderwerb nicht korrekt: „Man denke nur an die Heerscharen von jungen Menschen, die, um im Beruf Fuß zu fassen, unbezahlte Praktika machen.
Obwohl Geld zu verdienen ein häufiges Motiv dafür ist, dass jemand arbeitet, fällt der Lohn mitunter niedriger aus als erhofft oder entfällt sogar ganz“, erklärt die Leipziger Arbeitspsychologin Professor Dr. Gisela Mohr. Andere Arbeitstätigkeiten, wie ehrenamtliche Arbeit und Hausarbeit sind per se unbezahlt. Das führt zu dem paradoxen Sachverhalt, dass Menschen, die zum Teil rund um die Uhr arbeiten, gemeinhin als „arbeitslos“ bezeichnet werden.
Nicht nur passiv vor dem Fernseher
Für die Studie wurden 199 Menschen über 40, die im Sinne des Sozialgesetzbuches (SGB II) als „hilfebedürftig“ eingestuft worden sind, nach ihren alltäglichen Arbeitstätigkeiten befragt. Entgegen dem geläufigen Vorurteil verbringen die meisten der Befragten keineswegs ihre gesamte Zeit passiv vor dem Fernseher: Viele führen einen eigenen Haushalt, sorgen für Kinder und ältere Angehörige, einige gehen einer geringfügig bezahlten Erwerbsarbeit oder Nebenjob nach und/oder engagieren sich ehrenamtlich in Vereinen, Initiativen, in einer Kirchengemeinde, Partei oder Gewerkschaft.
Regelmäßige, selbst bestimmte Arbeitstätigkeiten außerhalb des eigenen Haushalts
Das Anliegen der Studie geht jedoch weit über die Aufdeckung gängiger Klischees über „Hartz-IV“-Empfänger hinaus. „Als Arbeitspychologen interessieren wir uns für Zusammenhänge zwischen der Arbeitstätigkeit und dem individuellen Befinden“, so Dr. Sascha Göttling vom Institut für Psychologie II, der die Studie durchgeführt hat. Trotz der Stigmatisierung als „Hartz-IV“-Empfänger scheint es manchen Personen zu gelingen, eine zumindest einigermaßen anerkannte Identität zu entwickeln. Ein wichtiges Ergebnis der Studie ist, dass gesellschaftliche Anerkennung nicht ausschließlich über Tätigkeiten auf dem ersten Arbeitsmarkt vermittelt wird. Eine positive Bedeutung scheinen generell solche Arbeitstätigkeiten zu haben, die regelmäßig ausgeführt werden, soziale Kontakte auch außerhalb des eigenen Haushalts und der Familie ermöglichen und einen genügend großen Handlungsspielraum bieten: „Hartz-IV“-EmpfängerInnen, die den Eindruck äußern, selbst über ihre Arbeit entscheiden zu können, erfahren größere Anerkennung durch ihr gesellschaftliches Umfeld als diejenigen, die angeben fremdbestimmt zu handeln.
Zum Teil zeigen sich sogar deutlich niedrigere Depressivitätswerte. Dr. Göttling folgert daraus: „Erstens erscheint es aus arbeitspsychologischer Sicht grundsätzlich nicht sinnvoll, Bezieher staatlicher Leistungen unter Androhung von Sanktionen in beliebige ‚Maßnahmen' zu vermitteln. Zweitens sollten Mitarbeiter, ob bezahlt oder unbezahlt, die Möglichkeit haben, Arbeitsaufgaben und -beziehungen ihren eigenen Bedürfnissen entsprechend mitzugestalten. Den Einzelnen stellt sich dabei natürlich immer die Aufgabe, die eigenen Interessen auch zu äußern und entsprechende Handlungsspielräume einzufordern.“
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