Der Baubedarf in Baden-Württemberg wird in den nächsten Jahren zurückgehen

»Bis zum Jahr 2025 ist der Bau von mindestens 480 000 Wohnungen in Baden-Württemberg erforderlich, wenn die bestehenden lokalen Wohnungsdefizite in adäquatem Umfang sowie der künftige Bedarf aufgrund steigender Haushaltszahlen und der Ersatzbedarf für künftig wegfallende Wohnungen berücksichtigt werden.« Dies sagte die Präsidentin des Statistischen Landesamtes, Dr. Gisela Meister-Scheufelen, bei der Vorstellung der Ergebnisse einer neuen Untersuchung zum Wohnungsbedarf heute vor der Presse.

Um diesen Gesamtbedarf von 480 000 Wohnungen bis zum Jahr 2025 zu decken, müssten bis zum Ende dieses Jahrzehnts 28 000 Wohnungen pro Jahr geschaffen werden; in den Jahren 2011 bis 2025 wäre der Bau von nur noch 22 000 Einheiten erforderlich. Damit ist zu erwarten, dass der jährliche Bedarf gegenüber dem aktuellen Fertigstellungsvolumen (2006: 37 000 Wohnungen) in den nächsten Jahren erheblich zurückgehen wird. Die bereits in den letzten Jahren stetig gesunkene Fertigstellungszahl im Wohnungsbau stellt somit noch kein Alarmzeichen für eine generelle neue Wohnungsverknappung dar. Vielmehr sei die bisherige Abnahme der Fertigstellungen auch als Marktreaktion auf den gesunkenen Bedarf zu sehen, so Meister-Scheufelen weiter.

Wohnungen in den Groß- und Universitätsstädten immer noch knapp
Zur derzeitigen Wohnungsversorgung sagte Meister-Scheufelen, dass Mitte des Jahres 2005 zwar landesweit bereits eine rechnerische Überversorgung ermittelt wurde1). Dennoch bedeutet dieses günstige Ergebnis aber nicht, dass in allen Teilräumen des Landes bereits ein ausgeglichener Wohnungsmarkt gegeben ist.

Vielmehr ist trotz einer insgesamt positiven Entwicklung in der Wohnungsversorgung das immer noch relativ hohe Defizit in den meisten Stadtkreisen und den Landkreisen mit Hochschulen beachtlich (Tabelle). Der Stadtkreis Freiburg weist weiterhin den landesweit höchsten Wohnungsfehlbestand bezogen auf den aktuellen Wohnungsbestand auf (14 Prozent), gefolgt von den Stadtkreisen Heidelberg (12 Prozent) und Stuttgart (10 Prozent).

Die Situation in diesen Kreisen ist in der Realität aber wohl günstiger, als es die rechnerischen Ergebnisse erwarten lassen. Die Haushaltsdefinition stellt nämlich auf den Sachverhalt »gemeinsam wohnen und wirtschaften« ab.

Insbesondere bei Wohngemeinschaften von Studierenden oder bei nichtehelichen Lebensgemeinschaften ist die Zusammenfassung in einen beziehungsweise die Aufspaltung in mehrere Haushalte von der Selbsteinschätzung der Befragten abhängig. Dies bewirkt in Hochschulstandorten unter Umständen überhöhte Bedarfszahlen. Dagegen wurde für immerhin 31 der 44 Stadt- und Landkreise Baden-Württembergs eine rechnerische Voll- oder sogar »Überversorgung« ermittelt.

Neubedarf von 183 000 und Ersatzbedarf von 271 000 Wohnungen bis 2025
Der künftige Wohnungsbedarf umfasst den sogenannten Wohnungsneubedarf sowie den Wohnungsersatzbedarf. Aus den erwarteten Zunahmen der Bevölkerungs- und Haushaltszahlen resultiert für die Jahre 2005 bis 2015 ein Wohnungsneubedarf von landesweit 137 000 Wohnungen; für die Jahre 2016 bis 2025 liegt diese Bedarfskomponente nur noch bei 46 000 Einheiten. Der Anstieg der Haushaltszahl und damit der Wohnungsneubedarf werden sich somit in der zweiten Hälfte des Prognosezeitraums erheblich abschwächen. Nach dem Jahr 2020 ist kaum noch mit einem Wohnungsneubedarf zu rechnen

Der Wohnungsneubedarf verteilt sich recht unterschiedlich auf die Teilräume des Landes, so Meister-Scheufelen. Den höchsten Wohnungsneubedarf bis 2025 wurde – bezogen auf den aktuellen Wohnungsbestand – für die Landkreise Heilbronn (+10,6 Prozent ), Breisgau-Hochschwarzwald (+7,7 Prozent ), Emmendingen (+7,2 Prozent ) und Biberach (+7,1 Prozent ) ermittelt (vgl. Tabelle). Für die Stadtkreise Mannheim, Stuttgart und Heidelberg sowie im Landkreis Heidenheim wird allenfalls noch für einzelne Zeitabschnitte innerhalb des Vorausrechnungszeitraums ein Neubedarf erwartet.

Wird vorausgesetzt, dass für Abbruch, Umwidmung oder Zusammenlegung von Wohnungen ein Ausgleich zu schaffen ist, errechnet sich für die Jahre 2006 bis 2015 zudem ein landesweiter Ersatzbedarf von insgesamt knapp 107 000 Wohnungen. Im darauf folgenden Jahrzehnt wird dieser Bedarf mit 165 000 Einheiten deutlich höher ausfallen. Für den gesamten Betrachtungszeitraum 2005 bis 2025 ergibt sich damit ein Ersatzbedarf in Höhe von gut 271 000 Einheiten, was einem Anteil von 5,6 Prozent bezogen auf den aktuellen Wohnungsbestand entspricht.

Im Gegensatz zu den festgestellten deutlichen regionalen Unterschieden beim Wohnungsdefizit und beim Wohnungsneubedarf zeigt sich hier ein relativ einheitliches Bild: Die Spannweite reicht von einem Bedarf in Höhe von 4,5 Prozent bezogen auf den Wohnungsbestand im Landkreis Böblingen bis 7,3 Prozent im Stadtkreis Stuttgart.

Abschließend bewertete Meister-Scheufelen die Ergebnisse dieser Untersuchung dahingehend, dass der errechnete jährliche Baubedarf in Höhe von 28 000 Einheiten bis zum Jahr 2010 bzw. 22 000 Wohnungen zwischen 2011 und 2025 eine Untergrenze darstellen werden: In Teilräumen, in denen es zu einem besonders starken Rückgang der Bevölkerungs- bzw. Haushaltszahlen kommen wird, könnte der Wohnungsabgang höher ausfallen als errechnet. Denn in schrumpfenden Regionen, so Meister-Scheufelen weiter, werden Wohnungen, die aufgrund der Bausubstanz und/oder der Lage nicht ausreichend attraktiv sind, nicht mehr marktfähig sein.

Hinzu kommt ein weiteres: Vor dem Hintergrund rückläufiger Haushaltszahlen werden die Modernisierung und die Instandsetzung des Wohnungsbestands erheblich an Bedeutung gewinnen. Damit sind die Perspektiven für die Bauwirtschaft auch deshalb besser, als diese in den ermittelten Bedarfszahlen zum Ausdruck kommen.

Offen bleibt aber trotz der insgesamt günstigen Entwicklung bei der Wohnungsversorgung, inwieweit alle Bevölkerungsschichten in den nächsten Jahren adäquat mit Wohnraum versorgt sein werden. Denn es ist zu befürchten, dass vor allem sozial schwächere Schichten auch weiterhin nur unzureichend mit Wohnraum versorgt sein werden. Die rechnerische Ausgeglichenheit des Wohnungsmarktes sagt nämlich noch nichts aus über die Angemessenheit der Wohnungsgröße und der Zimmerzahl, die einem Haushalt zur Verfügung stehen.

1) Dieses landesweite Defizit lag auch deshalb so niedrig, weil bestehende örtliche Defizite mit bereits »überversorgten« Gemeinden verrechnet wurden. Wird aber berücksichtigt, dass Defizite nur teilweise mit Angebotsüberhängen verrechnet werden können – nämlich dann, wenn es sich um benachbarte Räume handelt –, ist bei der Ermittlung des Fertigstellungsbedarfs von einem Defizit in Höhe von 25 000 Wohnungen auszugehen.

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Statistisches Landesamt BW

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