Hochrisikoforschung in Europa auf dem steigenden Ast, sagt eine Studie

Die Studie mit dem englischen Titel „High Innovation/Gain/Expectation Program“ (HInGE) hat insgesamt 40 europäische Förderagenturen ausfindig gemacht, die angegeben haben, über spezifische Programme zu verfügen, mit denen risikoreiche oder Pionierforschungsprojekte gefördert werden. „Diese Zahl liegt weit höher als wir zu Beginn der Studie erwartet hatten“, sagte Patrick Prendergast vom Trinity College Dublin, das die Studie durchführte.

Es überrascht wahrscheinlich auch nicht, dass die große Mehrheit dieser Agenturen in Westeuropa liegt. Das lasse sich durch eine größere Verfügbarkeit von Stipendienfinanzierungen und einer gesunden Forschungspolitik in diesen Ländern im Vergleich zu den osteuropäischen Ländern erklären, meint Professor Prendergast.

Die Studie gehört zu den Maßnahmen, die von dem Projekt NEST-PROMISE (NEST-Promoting Research on Optimal Methodology and Impacts) durchgeführt werden, das unter der Priorität „Neue und aufkommende Wissenschaften und Technologien (New and Emerging Science and Technologies, NEST) des Sechsten Rahmenprogramms (RP6) gefördert wird. Ziel von NEST-PROMISE ist die Förderung risikoreicher, multidisziplinärer Forschung in ganz Europa. Die Studie liefert eine erste paneuropäische Karte wo und durch welche Organisationen Hochrisikoforschung gefördert wird.

„Früher wurde Hochrisikoforschung durch das NEST-Programm gefördert, aber uns war nicht klar gewesen, dass auch nationale Regierungen dies tun. Aber es sieht so aus, dass dies häufig der Fall ist, wenn auch in kleinerem Umfang“, sagte Professor Prendergast. Forschungsagenturen stellen Fördergelder für alles Mögliche in Höhe von 1 Million Euro bis 10 Millionen Euro jährlich zur Verfügung.

„Die Förderträger stecken nicht ihr ganzes Geld in Hochrisikoforschung, sie sind aber bereit, etwas darin zu investieren“, sagte Professor Prendergast. „Dieser Forschungsbereich stellt immer noch eine Randaktivität dar. Der Schwerpunkt dieser Organisationen liegt auf der Förderung 'normaler Wissenschaft' und nicht so sehr auf der Förderung von Einzelforschern, um aus ihrem angestammten Forschungsbereich auszubrechen oder sich auf etwas Neues zu stürzen, wozu es bisher noch keine Forschungen gab“, sagte er gegenüber den CORDIS-Nachrichten.

Trotz ihres vielleicht geringen Volumens wagen sich doch viele dieser Programme in unbekannte Gewässer vor. In ihren Leitlinien sprechen viele dieser Programme davon, einen Schritt weg von „sicherer Wissenschaft“ machen zu wollen. Das Blanc-Programm der Französischen Nationalen Forschungsgesellschaft will „ehrgeizige Projekte […] vermehren, die originelle Ziele verfolgen und sich von gut befahrenen Forschungswegen entfernen“. In der Zwischenzeit bietet Explora – Ingenio 2010, ein Programm des spanischen Bildungsministeriums, „eine Förderung für Forschung, die ein hohes Risiko hat, erfolglos zu sein, aber über ein sehr hohes Einflusspotenzial verfügt“.

Die Abwendung von „sicherer Wissenschaft“ bedeutet auch, traditionelle Formen von Projektauswahlkriterien abzulehnen, wie beispielsweise die wissenschaftlichen Arbeiten des Forschers und das Gutachterverfahren. „Gutachterverfahren auf der Basis von Gremien tendieren dazu, konservativer zu sein; sie tendieren dazu, bei einem neuen Vorschlag keine Risiken einzugehen. Stattdessen finanzieren sie eher „sichere Wissenschaft“, wobei wissenschaftliche Veröffentlichungen eine wichtige Rolle spielen. Aufgrund der Natur des Gutachterverfahrens und der bisher durchgeführten wissenschaftlichen Arbeiten passt man dann in bereits bestehende Normen der Disziplin „, sagte Professor Prendergast den CORDIS-Nachrichten.

Obwohl einige Forschungsagenturen neue Wege zur Auswahl von Projekten ausprobieren, legen die meisten immer noch großen Wert auf die Liste wissenschaftlicher Veröffentlichungen des Forschers, was, wie Professor Prendergast glaubt, unklug ist. „Oft sind genau die Leute, die Forschung mit hohem Spekulationswert machen wollen, nicht diejenigen, die bereits ein lange Liste von Veröffentlichungen haben.“

Ein Beispiel für ein innovatives Programm ist die „Ideas Factory“ des Engineering and Physical Sciences Research Council (EPSRC) des Vereinigten Königreichs. Das Programm steht allen Disziplinen über „fokussierte Themen, für die eine neue Dimension des Denkens erforderlich ist – nicht nur für Überlappungen zwischen Disziplinen -, offen“. Zu den jüngsten Aufrufen gehören „Gun crime: taking the heat off the streets?“ und „Chemical craftwork: new ways of making molecules and materials“.

Aber die wohl bahnbrechendsten Aspekte des Programms sind die Auswahl der Projekte und der Bewertungsprozess. Für jedes Thema wird ein intensiver interaktiver Workshop veranstaltet, der fünf Tage dauert und „Sandkasten“ genannt wird. Insgesamt 20 bis 30 Forscher werden (nach einem Aufruf zur Teilnahmebekundung) zur Teilnahme daran ausgewählt, ebenso wie Interessengruppen und internationale Experten, die als parteilose Schiedsrichter in dem Prozess fungieren. Die Ergebnisse der Sandkasten-Workshops fangen bei einzelnen großen Forschungsprojekten an und gehen bis zu mehreren kleineren Projekten, Machbarkeitsstudien, Networking-Aktivitäten und Besuchen im Ausland. Die Ergebnisse sind vorher nicht festgelegt, sondern werden während des Workshops definiert. Die Liste der bisherigen Veröffentlichungen des Vorschlagenden ist bei der Auswahl der zu fördernden Projekte nicht wichtig.

„Ich glaube, es obliegt diesen Hochrisikoprogrammen, innovative Gutachterverfahren einzusetzen. Wir können hier beobachten, dass es darum geht, die Grenzen zu öffnen, wie Forschung überprüft, bewertet und ausgewählt wird, um Lösungen zu erhalten“, hob Professor Prendergast hervor. „Diese Programme gehen über bewährte Praktiken hinaus. Sie verstecken sich nicht einfach hinter dem Ausdruck 'vorbildliche Praxis', sie versuchen auch, dorthin zu gelangen und etwas Neues und Innovatives auszuprobieren.“

Obwohl es keine Pläne für die Wiederholung der Abbildungsaufgabe gibt, glaubt Professor Prendergast, dass ein Follow-up hilfreich dabei sein werde, weitere Schlüsse über die öffentliche Förderung von Risikoforschung in Europa zu ziehen.

Die Ergebnisse der Studie und der Abschlussbericht des NEST-PROMISE-Projekts werden im Herbst veröffentlicht.

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CORDIS Pressedienst

Weitere Informationen:

http://www.nest-promise.net/

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