Drei Prozent aller Jugendlichen leiden unter einer chronischen generalisierten Angsterkrankung

Bereits drei Prozent aller deutschen Jugendlichen und jungen Erwachsenen, so hat die Dresdner Diplompsychologin Katja Beesdo herausgefunden, leiden auf krankhafte Art und Weise unter Dauersorgen und Befürchtungen. Die Mitarbeiterin am Institut für Klinische Psychologie und Psychotherapie der TU Dresden hat mit ihrer Dissertation über die Entstehung dieser Generalisierten Angststörungen erstmals eine richtungsweisende Studie durchgeführt, die hilft, die frühen Entstehungsbedingungen dieses immer noch rätselhaften Krankheitsbildes zu verstehen.

Permanente Sorgen, Anspannung, Schlafstörungen, Unruhe und Reizbarkeit quälen die Betroffenen. Monate- und jahrelang körperlicher und seelischer Daueralarm ohne rechte Erklärung und, wie die sie selbst sagen, unangemessen stark und eigentlich unbegründet! Trotzdem können sie die permanenten Sorgen und ängstlichen Befürchtungen nicht kontrollieren. Die Folge ist eine zunehmende Einschränkung des Alltagslebens bis hin zur Depression. Sind die Eltern ein wenig verspätet, geht gleich der Sorgenkreislauf los. „Sind sie verunglückt, liegen sie im Krankenhaus – was soll ich nur tun?“

Grundlage dieser Forschungsarbeiten waren die Daten der weltweit größten Langzeitstudie zur Entwicklung psychischer Störungen, der EDSP-Studie („Early Developmental Stages of Psychopathology Study“). In dieser bislang einzigartigen epidemiologischen Studie unter der Leitung von Prof. Dr. Hans-Ulrich Wittchen untersuchten klinische Psychologen über dreitausend Jugendliche und junge Erwachsene im Alter von 14 bis 24 Jahren über einen Zeitraum von zehn Jahren. Solche Langzeiterhebungen sind ob ihres enormen Aufwands eher selten; sie geben jedoch grundlegend Aufschluss über die Entstehung und vor allem den Verlauf von Angststörungen und anderen psychischen Störungen, wo andere Studien nur einen Querschnitt über aktuelle Befindlichkeiten liefern können. Die verwendeten Erhebungsinstrumente (z.B. „Münchner Composite International Diagnostic Interview“) erfassten psychische Störungen nach aktuellen diagnostischen Klassifikationsrichtlinien und prüften verschiedene Risikofaktoren für psychische Störungen ab.

Katja Beesdo ist seit sieben Jahren Mitglied im Studienteam und koordiniert die an der Studie beteiligten Arbeitsgruppen in Dresden, München, Basel, Holland und in den Vereinigten Staaten. In ihrer Dissertation, für die sie die Daten aus drei verschiedenen Erhebungen der ersten fünf Jahre der Studie auswertete, konnte sie viele der Annahmen über Gründe und Verlauf der Angststörung im Längsschnitt bestätigen, räumt jedoch auch mit einigen früheren Vorstellungen auf. So zeigen die Daten etwa, dass die Generalisierte Angststörung nicht, wie bisher angenommen, bereits in der Kindheit beginnt, wie es zum Beispiel bei Phobien der Fall ist. Vielmehr beginnt der Hochrisikozeitraum der Störungsentwicklung mit etwa 12 Jahren. Der eigentliche Verlauf der Krankheit stellt sich in der Altersgruppe der Jugendlichen längst nicht so stabil dar, wie immer aufgrund der vorliegenden Studien an Patienten im höheren Alter angenommen: die Symptomatik zeigt ein „auf und ab“, und bei vielen jugendlichen Fällen kann es sogar spontan, das heißt ohne Behandlung, zum vollständigen Abklingen kommen. Allerdings sind diese Personen dann zumeist nicht vollkommen psychisch gesund; häufig wechseln sie in eine alles überschattende klinische Depression oder andere Angststörungen.

Ferner gelang es Katja Beesdo, das komplexe Zusammenspiel von angeborenen und erworbenen Auffälligkeiten weiter aufzuklären, das für die Entstehung einer Generalisierten Angsterkrankung verantwortlich ist. Aber, so Beesdo, noch einiges wird an grundlegender Forschung nötig sein, um den variablen Verlauf und seine Einflussfaktoren umfassend erklären zu können.

Die vergangenen drei Monate hat die Forscherin in den Vereinigten Staaten am National Institute of Mental Health verbracht; mit den dort erworbenen Kenntnissen über bildgebende Verfahren, insbesondere der funktionalen Magnetresonanztomografie, will sie demnächst am Dresdner Institut die neurobiologischen Grundlagen von Angststörungen untersuchen.

Die Preisverleihung des mit 4.000,- Euro dotierten Dr.-Walter-Seipp-Preises der Commerzbank AG an Dr. Katja Beesdo und zwei weitere Dissertationspreise von je 1.500,- Euro, gestiftet durch die Commerzbank-Stiftung, findet am 16. Juli um 18 Uhr im Festsaal des Rektorats, Mommsenstraße 11, statt. Neben Frau Dr. Beesdo stellen die beiden Empfänger der Dissertationspreise, Dr. Cornelia Lehmann-Waffenschmidt (Fakultät Wirtschaftswissenschaften) und Dr. Jens Otto (Fakultät Bauingenieurwesen) ihre Dissertationsthemen in Kurzpräsentationen noch einmal vor. Interessierte Journalisten sind zur Veranstaltung herzlich eingeladen.

Informationen für Journalisten:
Dr. rer. nat. Katja Beesdo, Tel. 0351 463-36989
beesdo@psychologie.tu-dresden.de
Pressestelle der TUD, Tel. 0351 463 32398
pressestelle@tu-dresden.de

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