Aktionsplan Ernährung muss um Umweltaspekte und ethische Ziele erweitert werden

Die Bundesregierung ist alarmiert: Einer aktuellen Studie zufolge sind die Deutschen die dicksten EU-Bürger – wegen der gesundheitlichen Folgen ein ernst zunehmendes gesellschaftliches Problem. Das soll gelöst werden: Bundesverbraucherminister Horst Seehofer will dazu am heutigen Mittwoch, 9. Mai dem Bundeskabinett einen Aktionsplan Ernährung vorlegen und plant am 10. Mai eine Regierungserklärung abzugeben. „Wir begrüßen die Absicht der Bundesregierung, das zentrale gesundheitliche Ernährungsproblem Übergewicht in Angriff zu nehmen. Allerdings muss Ernährung im Zusammenhang mit Gesundheits- und Umweltfragen betrachtet und ethische Fragen in den Blick genommen werden“, sagt Dr. Ulrike Eberle, Expertin für nachhaltige Ernährung am Öko-Institut.

„Wir fordern die Bundesregierung deshalb auf, die Zielsetzung Nachhaltigkeit in der Ernährungspolitik ernst zu nehmen und den Aktionsplan um die Aspekte Umweltverträglichkeit und ethisch verantwortliches Handeln zu erweitern.“ Diese Forderung wird von zahlreichen Akteuren mitgetragen, darunter VertreterInnen von Kraft Foods, der apetito AG, den Verbraucherzentralen Nordrhein-Westfalen und Hessen, der Fachgesellschaft für Ernährungstherapie und Prävention, des Ökologischen Ärztebundes sowie des Berufsverbands Deutscher Präventologen.

„Gesundheitsförderung muss selbstverständlich wesentlicher Baustein eines Aktionsplans Ernährung sein, aber auch Umwelt- und ethische Ziele müssen darin verankert werden“, betont die Ernährungsforscherin Dr. Doris Hayn vom Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE). „Dazu gehört beispielsweise die Förderung der Artenvielfalt, der Boden- und Wasserschutz oder die Vermeidung von Schadstoffeinträgen. Auch für den Klimaschutz spielt nachhaltige Ernährung eine Schlüsselrolle“, ergänzt Ulrike Eberle. „Ebenso muss unsere Ernährung faire Handelsbeziehungen, soziale Gerechtigkeit und artgerechte Tierhaltung gezielt unterstützen.“

Strategien, mit denen dies erreicht werden kann, haben Öko-Institut und ISOE gemeinsam mit weiteren Partnern in dem vom Bundesforschungsministerium geförderten Forschungsprojekt „Ernährungswende“ erarbeitet. Diese wurden im Rahmen eines Stakeholder-Dialogs Akteuren aus Wirtschaft, Verwaltung, Nichtregierungsorganisationen und Verbraucherinstitutionen zur Diskussion vorgestellt. Als erster großer Erfolg ist zu werten, dass sich die Beteiligten auf gemeinsame Ziele nachhaltiger Ernährung geeinigt haben, die es zu verfolgen gilt: Nachhaltige Ernährung ist umweltverträglich und gesundheitsfördernd, ethisch verantwortbar, sie ist alltagsadäquat gestaltet und ermöglicht soziokulturelle Vielfalt.

„Damit wird in den Vordergrund gestellt, dass nachhaltige Ernährung im Alltag der Menschen auch tatsächlich umsetzbar sein muss. Strategien müssen sich an den unterschiedlichen Ernährungsstilen orientieren, also Alltagserfordernisse und unterschiedliche Ernährungsweisen berücksichtigen“, hebt Doris Hayn hervor.

Erste Voraussetzungen dafür, eine Ernährungswende in Deutschland einzuleiten, sind

o eine gesellschaftliche Verständigung auf Ziele für nachhaltige Ernährung, die Richtungssicherheit und gleichzeitig einen verbindlichen Rahmen für konkrete Programme, Projekte und Aktivitäten geben,

o insbesondere solche, die die Wertschätzung für Ernährung in der Gesellschaft fördern und erhöhen;

o um entsprechende Maßnahmen besser zu vernetzen und weiterzuentwickeln, bedarf es der Einrichtung einer Koordinierungsstelle oder vergleichbarer unterstützender Strukturen.

Vor dem Hintergrund des Fehlens vernetzender Strukturen haben die Akteure beschlossen, den begonnenen Dialog fortzusetzen, mit dem Ziel, Aktivitäten zur Umsetzung nachhaltiger Ernährung weiter voran zu treiben.

Das Forschungsvorhaben „Ernährungswende – Strategien für sozial-ökologische Transformationen im gesellschaftlichen Handlungsfeld Umwelt -Ernährung – Gesundheit“ war ein Gemeinschaftsprojekt des Forschungsverbunds Ökoforum unter der Leitung des Öko-Instituts e.V., an dem das Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE), das Institut für ökologische Wirtschaftsforschung (IÖW), das KATALYSE Institut für angewandte Umweltforschung und das Österreichischen Ökologie Institut für angewandte Umweltforschung beteiligt waren. Das Forschungsvorhaben wurde durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung im Förderschwerpunkt „Sozial-ökologische Forschung“ gefördert ebenso wie der Stakeholder-Dialog.

AnsprechpartnerInnen:

Dr. Ulrike Eberle (Projektleiterin „Ernährungswende“)
Öko-Institut e.V., Geschäftsstelle Freiburg,
Forschungsbereich Produkte & Stoffströme,
E-Mail: u.eberle(at)oeko.de, Telefon 040/398084-76
Dr. Doris Hayn
Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE) GmbH,
E-Mail: hayn(at)isoe.de, Telefon 069/7076919-31
Weitere Informationen:
Ernährungswende. Eine Herausforderung für Politik, Unternehmen und Gesellschaft; 210 Seiten; Oekom-Verlag 2006.

Media Contact

Christiane Rathmann idw

Weitere Informationen:

http://www.ernaehrungswende.de

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