Vögel in Tschernobyl meiden stark verstrahlte Nester

Vögel im Einzugsgebiet des Unglücksreaktors von Tschernobyl meiden besonders stark verstrahlte Nester. Das ist das Ergebnis einer Studie amerikanischer und französischer Wissenschaftler, die im Fachmagazin „Proceedings of the Royal Society“ erschienen ist. Wie die Vögel die variierenden Strahlungsintensitäten erkennen und unterscheiden ist allerdings noch offen. „Ebenso wenig wissen wir über die Langzeitfolgen der Strahlenbelastung für die Tierwelt“, sagt Tim Mousseau von der University of California auf Nachfrage von pressetext.

Für ihre Studie verteilten die Forscher etwa 200 Nistkästen im „Roten Wald“, etwa drei Kilometer vom Unglücksreaktor entfernt. Dort verfärbten sich die Bäume nach dem Reaktorunfall rot, weil die Strahlenbelastung so hoch war – so erhielt der Wald seinen Namen. Mittlerweile wurden die toten Bäume jedoch abgeholzt und der Boden neu bepflanzt. Die Wissenschaftler wollten untersuchen, ob Tiere Gebiete mit geringer Strahlungsintensität bevorzugen. Denn nach der Explosion verteilte sich der radioaktive Niederschlag nicht gleichmäßig, so dass einige Gebieter stärker und einige weniger stark verstrahlt sind. Die Forscher beobachteten das Verhalten von Kohlmeisen und Trauerschnäppern. Die Nistkästen standen in ähnlichen Ungebungen mit ähnlichem Futterangebot – einzig die Strahlungsbelastung variierte.

Das Ergebnis: Beide Vögel bevorzugten Nester mit geringer Strahlenbelastung, wobei Trauerschnäpper sensibler reagierten als die Kohlmeisen. „Ein Grund für dieses Verhalten könnte darin liegen, dass eine höhere Radioaktivität die Konzentration von Antioxidantien reduziert“, sagt Mousseau. Gemeinsam mit seinem französischen Kollegen Anders Moller von der Pierre und Marie Curie Universität Paris konnte er außerdem Veränderungen der Spermien bei Rauschwalben als Folge der Radioaktivität nachweisen. „Es könnte für Vögel deshalb von großem Vorteil sein, Gebiete mit starker Strahlenbelastung zu meiden“, so Mousseau. „Wir wissen aber nicht, wie die Vögel stark kontaminierte Nistkästen erkennen können.“

Mousseau und Moller erforschen bereits seit dem Jahr 2000 die Vegetation um den Unglücksreaktor Tschernobyl. „Die am stärksten kontaminierten Gebiete in der direkter Nähe zum Reaktors sind tot“, sagt Mousseau. „Die Umgebung wirkt dagegen sehr natürlich, so dass vermutet wird, dass die Langzeitfolgen der Verstrahlung begrenzt sind.“ Dafür gebe es aber noch keinen wissenschaftlichen Beweis. Mousseau hält noch eine andere Erklärung für die äußerlich intakte Vegetation für möglich: „Die Ursache könnte eine Fluktuation innerhalb der Tierpopulation sein.“ Demnach würden neu hinzugekommene Vögel die Population stabilisieren. Denn nicht alle Vögel in der Umgebung Tschernobyls kehren an ihren alten Nistplatz zurück. Dieses Verhalten beobachtete Mousseau in einem Forschungsprojekt bei Rauchschwalben. Im Mai möchte Mousseau seine Untersuchungen vor Ort fortsetzen.

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Christoph Marty pressetext.austria

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