Magister – und dann?

Sie sind arbeitslos oder schlagen sich für einen Hungerlohn als Kellner oder Taxifahrer durchs Leben – mit ähnlichen Vorurteilen sieht sich ein Großteil der Absolventen geistes- und sozialwissenschaftlicher Studiengänge immer wieder konfrontiert.

Doch was ist dran an derlei Bildern? Dieser Frage sind Kathleen Stürmer und Stephanie Webersinke von der Friedrich-Schiller-Universität Jena nachgegangen. Die beiden Erziehungswissenschaftlerinnen befragten sämtliche Jenaer Absolventen des Magisterhauptfaches Erziehungswissenschaft, die zwischen 1996 und 2005 ihr Studium abgeschlossen haben, zu ihrem Einstieg in den Beruf. „Dabei kam mit 179 Befragten die bisher umfassendste standortbezogene Studie zu deren Arbeitsmarktchancen und Einschätzung des Studiums heraus“, würdigt Prof. Dr. Ulrich Otto die Untersuchung. Der Professor für Sozialmanagement an der Universität Jena hat die Arbeit von Stürmer und Webersinke in Zusammenarbeit mit Dr. Helmut Stauche und Dr. Matthias Schwarzkopf betreut.

Das überaus anspruchsvolle Design der Studie baut auf einer großen von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) finanzierten deutschen Absolventenstudie des Fachs Erziehungswissenschaften auf, die allerdings nur die Abschlussjahrgänge bis 1998 umfasst. Die Jenaer Studie erlaubt zwar direkte Vergleiche mit ihr, zugleich ist sie aber viel aktueller und bietet als standortbezogene Volluntersuchung mit ihren großen Jenaer Fallzahlen differenziertere Auswertungsmöglichkeiten. „Insbesondere erhellt sie die spezifischen Belange einerseits des Magisterstudiengangs, andererseits der ostdeutschen Situation – beides Stiefkinder der bisherigen Absolventenforschung, aktuellere Befunde fehlen hier ganz“, betont Prof. Otto.

„Im Unterschied zum Diplom ist der Magisterstudiengang eher wissenschaftlich orientiert und lässt den Studierenden nicht nur bei der Nebenfachwahl sehr viele Freiheiten“, so Prof. Otto. Diese Wahlmöglichkeiten würden überaus kreativ genutzt und eröffnen den Absolventen dann ein weites Feld beruflicher Tätigkeiten, wie die Jenaer Erziehungswissenschaftler herausfanden.

So arbeiten zwar die meisten Magister – wie ihre Kollegen mit einem Diplom – im Bereich des Sozial-, Bildungs- und Erziehungswesens. „Weitaus häufiger als Diplompädagogen finden sich die Magister aber auch in nicht pädagogischen Arbeitsfeldern (15 Prozent) und mit rund 8 Prozent vor allem in den Bereichen der Lehre, Forschung und Wissenschaft“, nennt Kathleen Stürmer ein wichtiges Ergebnis ihrer Untersuchung. Obwohl die Teilnehmer der Jenaer Studie anders als die der früheren DFG-Studie mit Sozialstaatseinschnitten seit Jahren konfrontiert sind, ist die Arbeitslosenquote unter den Jenaer Absolventen bspw. bei den Jahrgängen bis 2003 mit rund drei Prozent eher niedrig.

Außerdem gelingt den Jenaer Absolventen die Einmündung in den Beruf schneller als anderen Hauptfachpädagogen. Während diese im bundesweiten Durchschnitt rund sechs Monate nach Abschluss des Studiums die erste Arbeitsstelle antreten, finden die Jenaer Absolventen bereits anderthalb Monate eher einen Job. „Insgesamt sind die beruflichen Perspektiven für unsere Studierenden als sehr gut einzuschätzen“, schlussfolgert Prof. Otto, „allerdings bildet unsere Studie auch deutlich ab, wie normal inzwischen ,Nichtnormalarbeitsverhältnisse' sind.“

Neben den Chancen der Absolventen auf dem Arbeitsmarkt stellten die Forscherinnen auch Inhalte und Struktur des Jenaer Studiengangs auf den Prüfstand. „Die meisten Studierenden strukturieren ihr Studium inhaltlich zielgerichtet durch die Wahl von Studienschwerpunkten“, so Stephanie Webersinke. Demnach orientierte sich etwa jeder dritte Jenaer Studierende auf den Schwerpunkt Sozialpädagogik/Sozialmanagement, etwa ebenso viele Studierende wählten die Schulpädagogik/Didaktik oder Erwachsenenbildung als ihren Schwerpunkt aus.

In Kontakt mit der späteren Berufspraxis kommen die meisten Studierenden durch Pflicht- und häufig absolvierte Zusatzpraktika. „Trotz der Praxis- und auch Erwerbszeiten und des angeblich zu unstrukturierten Magisterstudiums benötigen unsere Absolventen im Schnitt elf Semester – erneut entgegen gängiger Vorurteile“, so Prof. Otto, der die Erkenntnisse der Absolventenstudie auch in die derzeitige Umstrukturierung des Lehrangebots an der Jenaer Universität einbringt. Denn die neuen Bachelor- und Magister-Hauptfachstudiengänge des Instituts für Erziehungswissenschaften sollen vor allem an die gründlich belegten Stärken des Magisterstudiengangs anknüpfen.

Kontakt:
Prof. Dr. Ulrich Otto
Institut für Erziehungswissenschaft der Friedrich-Schiller-Universität Jena
Am Planetarium 4, 07743 Jena
Tel.: 03641 / 945380 oder 0176 50486090
E-Mail: ulrich.otto[at]uni-jena.de

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Ute Schönfelder idw

Weitere Informationen:

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