Energieversorgung auf Hochgebirgshütten

Die gemeinsam von der Gruppe „Energiesystemstudien“ des Max-Planck-Instituts für Plasmaphysik (IPP) in Garching und der Universität Augsburg betreute Studie analysiert insbesondere, wie die zur Stromspeicherung nötigen Batterien ausgewählt und gewartet werden sollten. Ziel war es, die Stromkosten durch die Erhöhung von Lebensdauer und Zuverlässigkeit der teuren Speicherbatterien möglichst gering zu halten. Dazu wurden die Ursachen für vorzeitige Alterung genau analysiert und schließlich in einem „Leitfaden für Hüttenwirte“ wichtige Pflegetipps zusammengefasst.

Allein in den deutschen Alpen gibt es 352 Gebirgshütten, die pro Jahr von fast drei Millionen Tagesgästen und für 800.000 Übernachtungen genutzt werden – so die Zahlen des Deutschen Alpenvereins. Strom und Wärme zur Versorgung der Hüttengäste können im Hochgebirge aber nicht vom Tal heraufgeleitet werden, sondern müssen direkt vor Ort erzeugt werden: Gebirgshütten sind energetische Inseln.

Für diese dezentrale Energieversorgung bieten sich Dieselgeneratoren an oder – wesentlich umweltfreundlicher – erneuerbare Energiequellen: Viele Hütten im Alpenraum sind bereits mit Solar-, Wind- oder auch kleinen Wasserkraftanlagen ausgestattet. Als zentraler Baustein kommt dann ein elektrischer Speicher hinzu, der das mit dem Wetter sowie der Tages- und Jahreszeit schwankende Energieangebot glätten muss. „Bei den hierfür hauptsächlich in Frage kommenden Blei-Säure-Batterien liegt dann auch meist die ökonomische Schwachstelle des ganzen Systems“, erklärt Stephan Baur. Denn bei Auswechselkosten um die 15.000 Euro für die bis zu 4,5 Tonnen schweren Batterieanlagen – den hohen Aufwand für den Transport ins Gebirge nicht mitgerechnet – kann die Lebensdauer entscheidend sein für die Wirtschaftlichkeit der gesamten Energieversorgung.

Um sich einen Überblick über die Energieversorgung auf Berghütten zu verschaffen, hat Stephan Baur insgesamt 15 Hütten im Alpenraum besucht, deren Stromversorgung begutachtet und die Erfahrungen der Hüttenwirte erfragt. Tatsächlich hält auf einigen Hütten die Speicherbatterie nur drei Jahre lang – bei richtiger Pflege wären jedoch wesentlich höhere Standzeiten bis zu 15 Jahren und damit erhebliche Kostenersparnisse möglich. Als wesentliche Ursache für eine vorzeitige Alterung der Batterie konnte Baur – neben Wasserverlust, Frost und Kurzschlüssen – vor allem die so genannte Säure-Schichtung identifizieren: Dabei trennt sich die in der Batterie enthaltene verdünnte Schwefelsäure in Schichten unterschiedlicher Konzentration auf. Dieses Ungleichgewicht kann zu irreversiblen Schäden führen, zum Beispiel zu erhöhter Korrosion oder beschleunigter Sulfatverkrustung der Elektroden sowie Bleischlammbildung am Batterieboden. Wichtigste Gegenmaßnahmen sind, die Batterie regelmäßig und vollständig aufzuladen oder die Säure durch Lufteinblasen umzuwälzen. Um den Zustand einer Batterie – insbesondere auch die Säureschichtung – zuverlässig diagnostizieren zu können, entwickelte Stephan Baur ein einfaches Messverfahren samt Auswertungssoftware. Die wesentlichen Tipps zur Wartung einer Batterie fasste er in einem Leitfaden für das Hüttenpersonal zusammen, der die optimale Batteriepflege kurz und einfach erläutert.

Wie wichtig ein richtig dimensionierter Stromspeicher für das gesamte Energiesystem einer Hütte ist, zeigt sich am Beispiel des Westfalenhauses im Stubaital. Für diese Hütte konzipierte Stephan Baur – nach einer genauen Bestandsaufnahme der aktuellen Situation – das gesamte elektrische Versorgungssystem neu. Benutzt hat er dafür ein im IPP für wesentlich größere Systeme – wie Städte oder ganze Länder – entwickeltes Rechenprogramm, das Energiesysteme unter Kostengesichtspunkten optimiert: Hauptsächliche Energiequelle der Hütte ist eine kleine Wasserkraftanlage, deren lange Engpässe im Frühjahr zurzeit noch ein Dieselaggregat überbrücken muss. Auf den geplanten Bau eines größeren Wasserkraftwerkes kann jedoch nach Baurs Berechnungen verzichtet werden, wenn das Westfalenhaus mit einer ausreichend großen Batterieanlage ausgerüstet wird, die den überschüssigen – in der Nacht erzeugten – Strom zwischenspeichert. So ließe sich die gesamte Energienachfrage mit der vorhandenen Wasserkraftanlage und der kleinen Photovoltaikanlage decken, also ausschließlich mit Hilfe erneuerbarer Energiequellen.

„Bezogen auf das gesamte Energiesystem sind Berghütten kaum mehr als vernachlässigbare Nischen. Aber sie geben ein gutes Beispiel für dezentrale Energieversorgung im Allgemeinen“, meint Stephan Baur. Weltweit sind rund zwei Milliarden Menschen von zentraler Stromversorgung ausgeschlossen – in dünn besiedelten Gegenden, auf Inseln und vor allem in den zahlreichen abgelegenen Siedlungen der Entwicklungsländer: „Systeme, die auf Berghütten erfolgreich sind, können ohne große Änderungen auch auf andere 'Insellagen' übertragen werden. Die bisherigen Ergebnisse zeigen das große Potential solcher autonomen Systeme. Weiterentwicklungen müssen die Kosten senken und die Lebenserwartung der Komponenten vergrößern“.

Media Contact

Isabella Milch idw

Weitere Informationen:

http://www.ipp.mpg.de

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