VDE-Studie: Hochschulen fürchten um Wissensstandort

Deutschland ist nach wie vor international als Innovationsstandort gefragt. Weil das Land politisch, gesellschaftlich und infrastrukturell ein hervorragendes Umfeld für den technischen Fortschritt bietet, reihen Deutschlands Hochschullehrer der Elektro- und Informationstechnik die Bundesrepublik unter die „Top 3“ der fortschrittlichsten Länder.

Ein Standortvorteil ist die enge Vernetzung von Industrie und Hochschulen. Gleichzeitig konkurrieren Hochschulen und Industrie zunehmend um die besten Köpfe. Viele hochqualifizierte Elektroingenieure ziehen eine Karriere in der Wirtschaft einer in Forschung und Lehre an einer Hochschule vor. Dies ist die Quintessenz der VDE Hochschulstudie 2007, einer Umfrage unter 1.100 Hochschullehrern der Elektro- und Informationstechnik an deutschen Hochschulen. Weitere Ergebnisse der Studie: Das seit Jahren sinkende Schulniveau in Mathe, Physik und Deutsch, die im Vergleich zu BWL, Jura und den Geisteswissenschaften niedrige Zahl an Studienanfängern sowie damit die zurückgehende Zahl an Absolventen der Elektro- und Informationstechnik droht Deutschlands Innovationskraft zu bremsen.

Starke Innovationsimpulse durch Mikro- und Nanotechnologien

Gefragt nach den gegenwärtigen Innovationstreibern Deutschlands, gaben neun von zehn der Hochschullehrer die Informations- und Kommunikationstechnik, die Automatisierungstechnik sowie den Bereich Automobilelektronik und Antriebstechnologie an. Zukünftig werden die Bereiche Energieerzeugung, Umwelttechnologie, Medizintechnik sowie Mikro- und Nanotechnologien an Bedeutung gewinnen. Zwei Drittel erwarten hier von der Forschung und industriellen Umsetzung dieser Technologien besonders wichtige Impulse. Für Deutschland ergeben sich aufgrund seiner führenden Position bei diesen Technologien somit hervorragende Chancen.

„Brain Drain“ wird zunehmen

Der Vorsprung an Wissen schmilzt: Nicht nur die Industrie, auch Forschung und Lehre spüren zunehmend den Nachwuchsmangel. Schon heute fehlen den Fakultäten der Elektro- und Informationstechnik junge Wissenschaftler. Befähigte jüngere Menschen entscheiden sich zu selten für eine Forscherkarriere oder brechen diese aufgrund der im Vergleich zur Industrie ungünstigeren Rahmenbedingungen ab. Erschwert wird die Entwicklung durch den generellen Mangel an ingenieurwissenschaftlichem Nachwuchs sowie dem Weggang junger Wissenschaftler ins Ausland (Brain Drain). Über ein Drittel der Hochschullehrer beobachtet „wahrnehmbare Abwanderungen“ von Spitzenforschern ins Ausland, Tendenz zunehmend.

Die Hochschulen stehen deshalb zunehmend in Konkurrenz zum Ausland und zur Industrie. Letztere kann schon heute nach VDE-Erhebungen den Bedarf an Experten nicht mehr decken. Hinzu kommt, dass die Attraktivität einer Position in der Wirtschaft von vielen hoch qualifizierten Nachwuchskräften oft als höher angesehen wird als die von Forschung und Lehre an einer Hochschule. „Gerade in der Elektro- und Informationstechnik zeichnen sich Hochschullehrer durch eine gleichermaßen wissenschaftliche wie praxisnahe Ausbildung aus. Das hohe Niveau der Ingenieurausbildung in Deutschland kann daher nur gehalten werden, wenn es uns auch weiterhin gelingt, hervorragende und vor allem industrieerfahrene Ingenieure der Elektro- und Informationstechnik für die Rückkehr an die Hochschule zu gewinnen“, zieht VDE-Präsident Prof. Josef A. Nossek von der TU München Bilanz. Der VDE fordert deshalb, dies bei den Gehaltsstrukturen und Rahmenbedingungen für Hochschullehrer zu berücksichtigen.

Am Titel des Ingenieurs soll festgehalten werden

Über die Hälfte der Hochschullehrer sieht Deutschland im europäischen Vergleich bei der Umsetzung des Bologna-Prozesses am weitesten fortgeschritten. Mit Bologna soll der Abschluss „Diplom-Ingenieur“ mit der Einführung von Bachelor und Master der Vergangenheit angehören. Diese Absicht findet unter den Hochschulprofessoren aber wenig Beifall. Zumindest den Titel „Ingenieur“ beizubehalten, fordern 100 Prozent der Befragten an Hochschulen und 91 Prozent der Befragten an FHs. Der Ansatz des VDE, Vorteile und Niveau der deutschen Ingenieursausbildung und das angloamerikanische System von Bachelor und Master miteinander zu kombinieren, wird bestätigt.

Nachwuchs mit Defiziten in Mathe, Deutsch und den Naturwissenschaften

Vier von fünf Professoren der Elektro- und Informationstechnik attestieren Abiturienten deutliche und zunehmende Defizite in Mathematik, Naturwissenschaften, aber auch in Deutsch. Diese Mängel können die Hochschulen nur noch sehr schwer ausgleichen. Die hohe Abbrecherquote von 50 Prozent an Unis und 40 Prozent an FHs nach durchschnittlich drei Semestern könnte hierauf zurückzuführen sein. Der VDE fordert daher von der Politik eine grundlegende und konsequente Verbesserung der Rahmenbedingungen in der mathematisch-naturwissenschaftlichen Ausbildung, der Qualität der Schulausbildung und eine gezielte Nachwuchsförderung.

Jura und BWL für Schüler attraktiver als Ingenieurstudium?

Über ein Drittel der Hochschullehrer sind der Meinung, dass selbst Schüler mit guten Leistungen in mathematisch-naturwissenschaftlichen Fächern andere Studiengänge vorziehen. Neun von zehn Befragten sind der Auffassung, dass Schüler ein ingenieurwissenschaftliches Studium für zu aufwändig und schwer halten. Zudem gebe es bei ingenieurwissenschaftlichen Studiengängen weniger hohe Erwartungen in Bezug auf Karriere als etwa bei BWL und Jura. Vier Fünftel aller Befragten sind der Meinung, dass Schüler mit diesen Studiengängen mehr gesellschaftliche Anerkennung verbinden als mit einem Ingenieursstudium.

Für die VDE-Hochschulstudie 2007 befragte der VDE 1.100 Hochschullehrer der Elektrotechnik, Elektronik und Informationstechnik an deutschen Universitäten, Technischen Hochschulen und Fachhochschulen. 90 Prozent der Universitäten und 59 Prozent der Fachhochschulen in Deutschland mit entsprechendem Studienangebot nahmen an der Umfrage teil.

Die VDE Hochschulstudie 2007 können Sie für 150 Euro (VDE-Mitglieder kostenlos) als pdf-Datei unter www.vde.com/reports herunterladen oder bestellen: service@vde.com

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Melanie Mora presseportal

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