Mercer-Strategie-Monitor für die Automobilindustrie

  • Margen und Marktwachstum langfristig zu gering
  • Autohersteller verfolgen zu ähnliche Gesamtstrategien
  • Differenzierungsmöglichkeiten in Entwicklung und Produktion
  • Mehr Kundenkontakt durch engere Vertriebssteuerung
  • Verteidigung der Downstream-Erträge
  • Schneller und besser durch eigene Führungskultur

    Die Automobilhersteller stecken in einer ernsten Krise:

    Überkapazitäten von etwa 20 Prozent sorgen weltweit für weiter sinkende Margen. Dabei erwirtschafteten die Autobauer mit oft unter einem Prozent Umsatzrendite beim Fahrzeugverkauf in den letzten fünf Jahren kaum ihre Kapitalkosten. Deutliche Profite sind meist nur noch über After Sales und Finanzierung zu erzielen. Auch die Hoffnung, dem Ertragsdilemma durch Wachstum in den Emerging Markets entkommen zu können, hat sich bisher nicht erfüllt. Selbst die boomenden Märkte in Asien, Südamerika und Osteuropa heben das langfristige globale Absatzwachstum der Branche nur auf durchschnittlich 2,6 Prozent pro Jahr. Dieser Situation können die Autobauer nur mit einem radikalen Umbau ihrer Geschäftsmodelle begegnen. Derzeit verfolgen die meisten Automobilhersteller jedoch weitgehend ähnliche Strategien, die ihnen kaum Differenzierungsmöglichkeiten bieten. Da nur wenige Hersteller eine signifikante Kostenführerschaft erzielen werden können, gilt es, sich in den Bereichen deutlich zu positionieren, in denen noch Möglichkeiten zur Differenzierung bestehen. Die künftig entscheidenden Handlungsfelder sind Wertschöpfungsanteil, Innovations- und Organisationssteuerung, Point-of-Sale-Kontrolle sowie Downstream-Angebote. Der von Mercer Management Consulting erstellte Strategie-Monitor für die Automobilindustrie basiert auf einer umfangreichen Auswertung von Branchenstudien, Geschäftsberichten und Managementveröffentlichungen.

    Weltweit wird die Automobilindustrie von schlechten Nachrichten erschüttert. Chrysler meldete für das zweite Quartal 2006 einen Verlust von 1,2 Milliarden Euro, Ford kämpft ums Überleben. Bei Fiat sorgt derzeit nur ein einziges Modell für schwarze Zahlen, und selbst die bisher so erfolgreiche Peugeot SA verzeichnete im ersten Halbjahr 2006 einen deutlichen Gewinneinbruch. Sogar die deutschen Premiummarken Audi, BMW, Mercedes-Benz und Porsche sehen sich mittlerweile mit Absatzproblemen sowie sinkenden Margen konfrontiert. Laut Mercer-Strategie-Monitor sind diese Entwicklungen die Folge fundamentaler Veränderungen in der Automobilbranche.

    In den großen etablierten Märkten USA, Europa und Japan wird das Wachstum in den nächsten Jahren bei lediglich 1,8 Prozent jährlich liegen. Auch die sich rasch entwickelnden Märkte wie China und Indien, die immerhin um neun Prozent pro Jahr zulegen, können das Gesamtwachstum nur auf 2,6 Prozent heben. Derzeit stehen hier einer jährlichen Nachfrage von 53 Millionen Fahrzeugen Produktionskapazitäten von über 65 Millionen Fahrzeugen gegenüber.

    Das Problem wird weiter verschlimmert, da durch den "Verlust der Mitte" in der Bevölkerung andere Fahrzeuge und damit andere Produktionskapazitäten benötigt werden: Zunahmen bei Premium- und Niedrigkostenfahrzeugen und ein sinkender Anteil der heute vorherrschenden Volumenmodelle sind programmiert. Die enormen Überkapazitäten führen zu einem harten Preiswettbewerb und im Ergebnis zu immer niedrigeren Profiten. "Die Angebote sind technisch zunehmend vergleichbar. Dies forciert den Preiswettbewerb", sagt Bernd Kreutzer, Automobilexperte von Mercer Management Consulting. "Noch drastischer wirkt sich aus, dass alle Hersteller auf dieselben Rezepte setzen. Alle fahren unternehmensweite Effizienzprogramme, versuchen Faktorkostenvorteile in Beschaffung und Produktion zu nutzen, bestehende Kunden zu loyalisieren, neue Kunden zu erobern und zudem so viele Kundensegmente wie möglich zu bedienen."

    Der Mercer-Strategie-Monitor empfiehlt den Autoherstellern, sich künftig deutlicher vom Wettbewerb abzuheben. Hierfür hat Mercer fünf Handlungsfelder identifiziert:

    1. Wertschöpfungsanteil: Eine Schlüsselfrage der Zukunft ist der Grad der Eigenfertigung. In der Vergangenheit haben nahezu alle Hersteller die Produktion wesentlicher Komponenten immer mehr ausgegliedert, um die Fertigungstiefe zu verringern. Sie liegt heute im Schnitt bei nur noch 30 Prozent. Während die Europäer bisher auf Outsourcing setzten, erzielen die asiatischen Hersteller gute Erfolge mit weltweiten Joint Ventures. Doch auch die Re-Integration einzelner Komponenten kann sinnvoll sein, wenn sie Wettbewerbs- und Kostenvorteile verspricht. Dass auch in der Produktion Gewinne gemacht werden können, zeigen die Zulieferer, die eine durchschnittliche Umsatzrendite von fünf bis sieben Prozent erzielen, während die der Hersteller bei Fahrzeugmontage und -verkauf oft unter einem Prozent liegt. Die Synergien der großen Zusammenschlüsse der vergangenen Jahre – durch GM, Ford, Fiat und DaimlerChrysler – haben die Erwartungen nicht erfüllt. Mercer-Berater Lars Stolz, Mitautor des Monitors: "Auch die zurzeit diskutierte Kooperation zwischen Renault-Nissan und GM würde wohl ohne eine konsequente Ausrichtung der Wertschöpfungstiefe und Produktionskapazitäten keine nennenswerten Synergien schaffen."

    2. Innovationssteuerung: Für die Automobilhersteller wird es schwerer, bahnbrechende, markenspezifische Innovationen zu entwickeln. Viele Kompetenzen in Forschung und Entwicklung wurden bereits an die Zulieferer abgegeben, die wiederum alle Autobauer gleichermaßen bedienen. Das Resultat ist eine "Sozialisierung der Innovationen", die den einzelnen Marken keinen spezifischen Vorsprung verschafft. Künftig reicht eine herkömmliche Zuliefererbeziehung nicht mehr aus. Entweder müssen die Hersteller ihre Zulieferer enger an sich binden oder wieder stärker in eigene Innovationsfähigkeit investieren, um diese Abhängigkeiten zu lockern. Eine fundamentale Bedeutung misst der Mercer-Strategie-Monitor auch den Antriebskonzepten bei. "Der derzeitige Vorsprung von Toyota beim Hybridmotor kann entscheidend sein", so Kreutzer. "Die meisten technologisch führenden Firmen, die sich mit dem Hybridantrieb auseinandersetzen, gehören Toyota oder werden von Toyota kontrolliert." Die europäischen Hersteller müssten daher Sorge tragen, dass eine solche Situation beim nächsten Technologieschritt, dem Brennstoffzellenauto, nicht eintritt.

    3. Point-of-Sale-Kontrolle: Da die Technologien weitgehend austauschbar geworden sind, müssen Markenunterschiede an anderer Stelle erlebbar werden. Trotz steigender Direktverkäufe wird das Autohaus auf absehbare Zeit die wichtigste Schnittstelle zum Kunden bleiben. Die Hersteller müssen ihre Händler künftig stärker dabei unterstützen, die Kunden an die Marke zu binden. Dazu gehört neben kundengruppenorientierten Gesamtangeboten auch die Fähigkeit, optimal mit Rabatten umzugehen und die von Hersteller und Großhandel vorgegebenen Maßnahmen umzusetzen. "Bisher haben die Hersteller nur in ihren Niederlassungen einen unmittelbaren Einfluss auf den Vertrieb, nicht aber in der Mehrzahl der Autohäuser", betont Autoexperte Stolz. "Damit fehlt ihnen die strategische Kontrolle über den Kunden."

    4. Downstream-Angebote: Das ganzheitliche Ertragsmodell der Automobilhersteller ergibt sich erst aus der Kombination aller Geschäftsfelder: Neuwagenverkauf, Finanz- und Mobilitätsdienstleistungen, Service und Ersatzteile sowie Gebrauchtwagenverkauf. 80 Prozent der Profite der Hersteller stammen inzwischen aus so genannten Downstream-Geschäften. Das Geschäftsmodell künftig stärker auf Downstream auszurichten, gehört deshalb zu den großen Aufgaben der Autobauer. Gerade in den lukrativen Geschäftsfeldern Finanzdienstleistungen und Ersatzteile werden die Hersteller intensiv von kleineren, markenunabhängigen Wettbewerbern attackiert. "Sie müssen rasch handeln, um ihre noch führende Position nachhaltig zu sichern", so Mercer-Berater Stolz.

    5. Organisationssteuerung: Alle Unternehmen der Automobilindustrie leiden unter zunehmender Komplexität. Die großen Automarken sind in allen Märkten der Welt präsent und müssen die immer stärker diversifizierten Kundensegmente mit immer mehr Modellen abdecken. Dies erfordert komplexe Konzernstrukturen, die tendenziell schwerfällig und unflexibel sind. "Die Steuerung großer Automobilhersteller erfordert eine speziell auf das Unternehmen abgestimmte Führungskultur", sagt Autoexperte Kreutzer. "Das Modell Toyota funktioniert nur bei Toyota. Hier muss jedes Unternehmen seine Kultur weiterentwickeln hin zu schnellerem und wettbewerbsfähigerem Handeln." Für europäische Hersteller können die Antworten ein Mehr an Delegation und unternehmerischer Freiheit sowie flachere Hierarchien sein.

    Mercer-Strategie-Monitor:

    Fünf Handlungsfelder für Automobilhersteller

    1. Individuelle Wertschöpfungskonzepte: Solange alle Hersteller gleich ausgerichtet sind, wird es beim derzeitigen Patt und Preiskampf bleiben.

    2. Insourcing von F&E-Leistungen: Auf den für die Marke wichtigen Gebieten müssen an die Zulieferindustrie verlorene Felder zurückgewonnen werden.

    3. Kontrolle des Point of Sale: Als entscheidende Schnittstelle zum Kunden muss der Autohandel professionalisiert und enger geführt werden.

    4. Ganzheitliche Downstream-Angebote: Die profitablen Dienstleistungen und das Ersatzteilgeschäft müssen entschieden verteidigt und ausgebaut werden.

    5. Individuelle Führungskultur: Flachere Hierarchien und dezentrale Verantwortung ermöglichen schnellere und flexiblere Entscheidungen.

    Mercer Management Consulting, eine der führenden internationalen Unternehmensberatungen mit 190 Büros in 40 Ländern, ist Teil des Beratungszweigs von Marsh & McLennan Companies. Weltweit erwirtschaften 15.000 Mitarbeiter einen Umsatz von 3,6 Milliarden US-Dollar. Die Büros in München, Stuttgart, Frankfurt, Düsseldorf, Hamburg, Hannover und Zürich tragen mit 545 Mitarbeitern zu diesem Erfolg bei.

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    Weitere Informationen:

    http://www.mercermc.de

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