Nachfolgeregelungen finden in mittelständischen Unternehmen häufig ohne die eigenen Kinder statt

Wenn in Deutschland Unternehmensnachfolger gesucht werden, fällt die Wahl immer häufiger auf familienexterne Lösungen. Hauptursache für die wachsende Bedeutung ist nicht, dass die Übergeber keine Kinder haben. Vielmehr wollen diese oftmals nicht in die Fußstapfen des Seniors treten. Weiterhin nehmen immer mehr kleine und mittlere Unternehmen professionelle Nachfolgeberatung in Anspruch. Dies sind zentrale Ergebnisse einer jetzt veröffentlichten Studie „Beratungsbedarf und Beratungspraxis bei Unternehmensnachfolgen“. Für die Studie hat das Bonner Institut für Mittelstandsforschung (IfM) 2005/2006 mit Unterstützung des Bundesverbandes Deutscher Unternehmensberater BDU e.V. über 600 spezialisierte Nachfolgeberater befragt.

Besonders nachgefragt werden bei der Unternehmensnachfolge finanz- und betriebswirtschaftliche Beratungsleistungen. Detaillierte Finanzierungskonzepte und Übergabekonzepte stehen mit einem Anteil von 83,2 Prozent beziehungsweise 81,2 Prozent ganz oben auf der Aufgabenskala in der Nachfolgeberatung. Darüber hinaus erwarten die Unternehmer, dass die externen Spezialisten sie dabei unterstützen, einen realistischen Verkaufs-/Kaufpreis zu ermitteln (74,4 Prozent) und die zentralen Potenziale des Unternehmens zu entwickeln (73,6 Prozent). „Hier wird deutlich, dass viele Senior-Unternehmer ohne große Vorbereitungen in den Nachfolgeprozess starten. Um erfolgreich zu sein, muss der Generationenwechsel aber frühzeitig und systematisch erfolgen“, so der wissenschaftliche IfM-Geschäftsführer Prof. Dr. Frank Wallau.

Hohe Bedeutung messen die befragten Nachfolgeberater auch den personellen Aspekten in ihren Projekten bei. Danach erwarten die übergebenden Unternehmer, dass die Unternehmensberater ihre Klienten in allen Phasen (92,8 Prozent) – Vorbereitung, Planung und Durchführung – unterstützen. Dabei legen die Senioren besonderen Wert darauf, dass der Nachfolgeexperte eine vertrauensvolle Atmosphäre (92,4 Prozent) schafft und für den Ausgleich unterschiedlicher Interessen bei Übergeber und Übernehmer (90,4 Prozent) sorgt. „Nachfolgeberatung setzt beim Berater viel Einfühlungsvermögen und besondere Sensibilität voraus. Der Unternehmer sieht in ihm sowohl den Fachmann als auch den Kommunikationspartner, Mediator und Partner bei Verhandlungen mit Banken- und Verwaltungen“, sagt BDU-Nachfolgexperte Wolf Kempert, der im Verband auch Vorsitzender des Regionalarbeitskreises Berlin und neue Länder ist.

Von Nachfolgeberatern erwarten die Übergeber vor allem, dass sie die fachliche Eignung des potenziellen Nachfolgers beurteilen (84,4 Prozent) und bei der finanziellen Absicherung des Lebensabends unterstützen (83,6 Prozent). Die Übernehmer setzen ganz andere Prioritäten: Sie möchten schnell die Entscheidungsberechtigung erhalten (86 Prozent) und mit den übrigen Leistungsträgern der zu übernehmenden Firma ein Team bilden (86 Prozent). Weiterhin wünschen sie, dass die Verantwortlichkeiten im Unternehmen sofort geklärt und festgelegt werden (78,8 Prozent).

Nachfolgeberatung wird primär im Falle einer familienexternen Nachfolge in Anspruch genommen. Die Suche nach einem externen Nachfolger gestaltet sich aus Sicht der Berater nicht immer leicht: Knapp 50 Prozent der befragten Experten machen hierfür fehlendes Eigenkapital und Probleme beim Bankenkredit beim potenziellen Nachfolger verantwortlich. Jeder Fünfte ist der Meinung, dass die Nachfolge-Börsen nur unzulänglich arbeiten. Rund 17 Prozent bemängeln jeweils den wenig ausgeprägten Mut zur Selbstständigkeit in Deutschland sowie die mangelnde fachliche Eignung der Nachfol-ger. Knapp vierzehn Prozent sehen in den zu hohen Kaufpreisvorstellungen der Senior-Unternehmer einen Grund für Probleme bei der Nachfolgersuche.

BDU-Präsident Rémi Redley wirbt angesichts der Studienergebnisse mit der starken Nachfrage von Übergebern nach Finanzierungskonzepten für eine differenzierte Herangehensweise im Nachfolgeprozess: „Zu Beginn muss man klar unterscheiden, ob sich im Laufe der Zeit ein verkappter Sanierungsfall mit Finanzierungsproblemen entwickelt hat oder wirklich eine Generationennachfolge vorliegt. Erst wenn hier Klarheit herrscht, lässt sich eine passende und erfolgversprechende Übergabestrategie erarbeiten.“

Hintergrund: Das Institut für Mittelstandsforschung (IfM) schätzt, dass auch in den kommenden fünf Jahren jeweils rund 71.000 Unternehmensübertragungen pro Jahr anstehen. Zunehmend sind kleinere Unternehmen davon betroffen. Rund 680.000 Arbeitsplätze sind mit den Nachfolgeprozessen direkt verbunden. Derzeit kommt in rund 44 Prozent aller Fälle der Nachfolger aus der Familie, in über 45 Prozent der Fälle wird ein MBI/MBO oder der Verkauf angestrebt. Gut jede zehnte Firma wird mangels Nachfolgelösung stillgelegt.

Die Forschungsergebnisse der Studie „Beratungsbedarf und Beratungspraxis bei Unternehmensnachfolgen“ sind im Jahrbuch zur Mittelstandsforschung 1/2006, Schriften zur Mittelstandsforschung Nr. 112 NF , S. 1-44, gerade veröffentlicht worden (Wiesbaden, ISBN 3.8350-0557-X, 39,90 Euro).

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