Was bringt die Umfinanzierung von Elternkosten für die Schulbildung ihrer Kinder?

Zwar zahlen Eltern in Deutschland kein Schulgeld, der Schulbesuch der Kinder kostet sie trotzdem zwischen EUR 2,6 und EUR 3,6 Mrd. Soviel zahlen sie nach einer heute erschienenen Studie des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS) für die Schulbücher, Mittagsverpflegung und den Transport der Kinder zur Schule.

Wollte man die Eltern von diesen Kosten entlasten und dies durch eine Kürzung des Kindergeldes refinanzieren, ergäben sich erhebliche Umverteilungseffekte zu Lasten einkommensschwacher und zugunsten einkommensstarker Familien. Ferner käme es zu bedeutsamen Umverteilungseffekten zugunsten des Bundeshaushalts sowie von Bundesländern, in denen die Eltern bisher vergleichsweise wenig bezahlen müssen. Außerdem zeigt sich, dass das Zusammenspiel der verschiedenen Regelungen des Familienleistungsausgleichs sehr vielschichtig ist und Eltern in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich belastet werden.

Was heißt das genau?

Trotz der Tatsache, dass Schulgebühren in Deutschland nicht erhoben werden, haben Eltern mitunter beträchtliche Ausgaben für den Schulbesuch ihrer Kinder. Auch wenn die durchschnittlichen Kosten je Kind bei EUR 700 bis EUR 800 jährlich liegen dürften, können sich im Einzelfall auch bis zu EUR 1.200 ergeben. Die Kosten für Lernmittel, die in den Bundesländer unterschiedlich ausfallen, sind hierbei noch eher gering. So werden in Hamburg oder Berlin bis zu EUR 100 pro Jahr fällig, während in Bremen oder Schleswig-Holstein die Lernmittelfreiheit gilt. Auch die anderen Kosten variieren: Ein Schülermonatsticket etwa kostet in München jeden Monat EUR 40, in Augsburg aber nur EUR 23,50, in Hamburg EUR 38 und in Stuttgart EUR 35. Für die Mittagsverpflegung können monatlich bis zu EUR 50 erhoben werden.

Hinzu kommen noch die Kosten von bis zu EUR 100 pro Monat für die (offene) Ganztagsschule, Sportkleidung oder weitere Literatur und Lernmaterialien. Diese Kosten werden im Weiteren jedoch nicht berücksichtigt.

„Die Ausgaben der Eltern schwanken von Kommune zu Kommune“, stellt FiBS-Direktor Dr. Dieter Dohmen fest. „Eine bundesweite Übersicht über die elterlichen Kosten gibt es bisher nicht; aber etwa die Entscheidung, den Wohnort zu wechseln, kann erhebliche Folgen für diese Ausgaben haben. Von einheitlichen Lebensverhältnissen sind wir weit entfernt.“

Während immer wieder über die Unterstützung von Eltern bei der Kinderbetreuung gefordert wird und einige Bundesländer zumindest das letzte Kindergartenjahr gebührenfrei anbieten, wird über die Entlastung von Eltern schulpflichtiger Kinder wenig geredet. Vor diesem Hintergrund ist die FiBS-Studie der Frage nachgegangen, wie hoch die elterlichen Aufwendungen insgesamt sind und wie sehr das Kindergeld gekürzt werden müsste, um diese Kosten refinanzieren zu können. Die Schätzungen kommen bei mittleren Annahmen über die Nachfrage zu einem elterlichen Ausgabenvolumen von EUR 2,6 bis EUR 3,6 Mrd. pro Jahr. Wollte man dies nur über eine Kürzung des Kindergeldes refinanzieren, dann müsste dieses um EUR 38 bis EUR 61,50 pro Monat und Kind gekürzt werden.

Die Folge wäre, dass einkommensschwächere Haushalte jeden Monat weniger Kindergeld bekommen würden, aber an den geringeren Kosten nicht beteiligt wären, da sie im derzeitigen System oft davon befreit sind. Umgekehrt würden Eltern mit einem hohen Einkommen von der Minderung des Kindergeldes nicht betroffen sein, da sie von der höheren Entlastung durch den Kinderfreibetrag profitieren. Ein weiterer Teil der Eltern würde statt des geringeren Kindergeldes nun den Steuerfreibetrag bekommen, wodurch das geringere Kindergeld teilweise kompensiert würde. Benachteiligt würden auch Familien, deren Kinder selbst verpflegt werden oder die ohne öffentliche Verkehrsmittel zur Schule kommen. Hier hätten die Eltern keine Entlastung, sondern die gleichen Kosten wie vor der Reform, dafür aber ein geringeres Kindergeld.

„Die Studie zeigt“, so der Bildungsökonom, „wie komplex das System des Familienleistungsausgleichs ist, und dass Veränderungen an nur einzelnen Komponenten unerwünschte soziale Nebenwirkungen entfalten können. Reformen sollten daher meist an mehreren Regelungen gleichzeitig ansetzen.“ „Die Studie zeigt auch, dass eine unter Bürokratieüberlegungen sinnvolle Pauschalierung von Leistungen, dann als ungerecht empfunden werden können, wenn sie mit unterschiedlichen hohen Aufwendungen der Eltern verbunden sind“, so der FiBS-Leiter weiter.

Wollte man eine geringere Kürzung des Kindergeldes erreichen, müsste man den allgemeinen Freibetrag für Betreuung, Erziehung und Ausbildung streichen, dessen Zielsetzung nach der Reform der Betreuungskosten Anfang diesen Jahres ohnehin in Frage gestellt werden könnte. Dies würde jährlich rund EUR 700 Mio. einsparen, so dass das Kindergeld nur noch um EUR 17,50 bis EUR 27 gekürzt werden müsste. „Der Vorteil dieser Regelung wäre, dass auch die einkommensstärkeren Haushalte an der Umfinanzierung beteiligt würden, während einkommensschwächere nicht ganz so stark zur Kasse gebeten werden müssten. Die gleichzeitige Kürzung des Kindergeldes und Streichung des allgemeinen Erziehungsfreibetrags wäre wesentlich gerechter, auch wenn nicht alle unerwünschten Nebenwirkungen verhindern werden können“, stellt Dohmen fest.

Von erheblichem Interesse – auch für die bevorstehende Neuordnung der Staatsfinanzen – sind die Umverteilungswirkungen zwischen den Bundesländern sowie zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Während die Bundesländer im Osten und Süden nach der Reform beträchtliche Einsparungen verzeichnen könnten, müssten Rheinland-Pfalz und Nordrhein-Westfalen erhebliche Mehrausgaben verkraften. Solange der Bund im Übrigen nicht an der Finanzierung der Transportkosten, Schulbücher oder der Mittagsverpflegung beteiligt würde, wäre er der größte Netto-Profiteur einer solchen Umstellung. Eine entsprechende Reform dürfte daher wohl erst dann möglich sein, wenn es zu einer weitergehenden Veränderung bei der Lastenverteilung kommen würde.

Dr. Dieter Dohmen fasst die Ergebnisse der Studie so zusammen: „Unsere Studie zeigt einerseits, dass die Eltern durchaus beträchtliche Kosten für den Schulbesuch oder die Kita zu tragen haben. Jede Finanzreform wäre mit erheblichen Umverteilungswirkungen verbunden, die sorgfältig analysiert werden sollten. Es würde viele Gewinner, aber auch zahlreiche Verlierer geben. Da das Zusammenspiel zwischen den elterlichen Aufwendungen und dem Familienleistungsausgleich sehr komplex und auch in seinen Wirkungen sehr unterschiedlich ist, sollte sowohl die Datenlage verbessert als auch eine umfassende Analyse der Effekte vorgenommen werden.“

Kontakt: Birgitt A. Cleuvers (FiBS), Tel. 02 21 / 550 95 16

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